HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 623
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 86/11, Beschluss v. 13.04.2011, HRRS 2011 Nr. 623
1. Auf die Revision des Angeklagten Z. wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 2. Dezember 2010, soweit es diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten L. gegen das vorgenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Dieser Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten des Raubes und der räuberischen Erpressung in zwei Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten L. hat es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten Z. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, wirksam auf das Strafmaß beschränkte Revision des Angeklagten L. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Hingegen hat die Revision des Angeklagten Z. mit Verfahrensrügen Erfolg. Der Beschwerdeführer beanstandet mit Recht, dass die Strafkammer bei der Behandlung von Beweisanträgen gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen hat.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verübten die Angeklagten gemeinschaftlich drei Überfälle auf Kaufinteressenten von Pkw, die diese im Internet zum Verkauf angeboten hatten. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Beteiligung des - die Täterschaft bestreitenden - Angeklagten Z. maßgebend auf die Aussage des von Anfang an umfassend geständigen Angeklagten L. gestützt. Dessen Bekundungen zufolge wurden alle drei Taten nur durch ihn und den Angeklagten Z. begangen.
Auf einen Beweisantrag des Verteidigers hat die Strafkammer allerdings als erwiesen angesehen, dass der Geschädigte der ersten Tat gegenüber den am Tatort eintreffenden Polizeibeamten sowie in seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt hatte, von drei männlichen Tätern überfallen worden zu sein, und dass er bei der rechtsmedizinischen Untersuchung bekundet hatte, sich gegen die Tat gewehrt zu haben, wonach er "von einer hinzukommenden dritten männlichen Person offensichtlich mit einem Gegenstand einen Schlag auf den Kopf, Nacken links" erhalten habe (Sachakten Bl. 1172 f.). Zur Aussage des Geschädigten in der Hauptverhandlung wird in den Urteilsgründen indessen nur ausgeführt, dieser habe "gemutmaßt", dass "wegen eines vermeintlichen Raschelns in einem naheliegenden Gebüsch eine dritte Person an dem Überfall beteiligt gewesen sein könnte"; gesehen habe er diese aber nicht (UA S. 10; siehe auch UA S. 12). Die als erwiesen angesehenen Bekundungen des Geschädigten vor der Hauptverhandlung bleiben unerwähnt.
2. Diese Verfahrensweise hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die bei der Ablehnung von Beweisanträgen wegen Erwiesenseins von Tatsachen entsprechend gilt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 - 1 StR 410/88, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 erwiesene Tatsache 1), ist eine Auseinandersetzung mit als wahr unterstellten Tatsachen unter anderem dann erforderlich, wenn die Beweiswürdigung ohne deren Erörterung lückenhaft bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1979 - 2 StR 749/78, BGHSt 28, 310, 311; BGH, Beschluss vom 28. August 1991 - 5 StR 303/91 mwN). So liegt der Fall hier.
Bloße Mutmaßungen in Richtung auf einen dritten Täter aufgrund eines Raschelns im Gebüsch sind namentlich mit der dezidierten Schilderung eines gewalttätigen Angriffs jenes dritten Täters nicht in Einklang zu bringen. Die Existenz eines dritten Täters wäre dabei trotz der sonst gegen den Angeklagten Z. sprechenden Indizien im Hinblick auf die zentrale Bedeutung dieses Aspekts geeignet, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Angeklagten L. hinsichtlich der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten Z. in Frage zu stellen. Den hierin liegenden Widerspruch im Aussageverhalten des Geschädigten durfte das Landgericht deshalb nicht einfach übergehen.
3. Das Gleiche gilt für den durch die Strafkammer in demselben Beschluss als erwiesen angesehenen, im Urteil aber nicht angesprochenen Umstand, dass der Zeuge A. gegenüber der Polizei zum Aussehen des zweiten Täters Folgendes angegeben hat: "ca. 1,80 m bis 1,90 m groß, leicht gewelltes schulterlanges schwarzes Haar, ausländischer Typ (osteuropäische Richtung), braungebrannter Typ", "schlanke Gestalt" (Sachakten Bl. 1172). Demgegenüber ist der Angeklagte Z. nach den Urteilsfeststellungen 1,96 m groß, wog zur Tatzeit 101,9 kg (UA S. 12) und trug (wohl) kurzes blondes Haar (vgl. UA S. 9).
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die Beziehung der beiden Angeklagten zueinander vor der Tat sowie die Umstände der Tatplanung, soweit möglich, darzulegen sind. Sofern Täterbeschreibungen oder "Täterportraits" von Seiten der Geschädigten herangezogen werden, sind - anders als es im angefochtenen Urteil geschehen ist - nähere Einzelheiten zu Übereinstimmungen und Abweichungen in Bezug auf das Erscheinungsbild des Angeklagten Z. zur Tatzeit mitzuteilen.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 623
Externe Fundstellen: NStZ 2011, 472; StV 2012, 581
Bearbeiter: Ulf Buermeyer