HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 566
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 39/11, Beschluss v. 30.03.2011, HRRS 2011 Nr. 566
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3. September 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Nichtrevidenten B. - dahingehend abgeändert, dass deren Verurteilungen im Fall II.2 der Urteilsgründe entfallen.
Die gegen den Angeklagten S. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe und die den Nichtrevidenten B. betreffende Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren und acht Monaten werden aufgehoben; letztere entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. und die des Angeklagten G. werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Angeklagte G. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Die Sache wird hinsichtlich des Angeklagten S. zur Bestimmung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe und zur Entscheidung über die Kosten seines Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen dreier und den Angeklagten G. wegen zweier Verbrechen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren und acht Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und hinsichtlich des Angeklagten S. den Verfall von 44.850 € angeordnet. Es hat ferner den ehemaligen Angeklagten B. wegen eines Verbrechens des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter Einbeziehung zweier Freiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. September 2009 zu einer ersten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten und wegen weiterer zwei Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten S. erzielt - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des ehemaligen Mitangeklagten B. - den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel - wie auch das des Angeklagten G. insgesamt - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Gegenstand der Verurteilungen sind zwei Haschischlieferungen über je 45 kg aus den Niederlanden nach Dresden, hinsichtlich derer B. als Zwischengroßhändler und Schmidt als Weiterverkäufer in Größenordnungen zwischen fünf und zehn Kilogramm tätig wurden (Fälle II.1 und 3 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat im Fall II.2 der Urteilsgründe ferner je einen Fall des besitzlosen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen und hierzu Folgendes festgestellt:
S. orderte bei B. zur Lieferung am 28. August 2009 weitere 45 kg Haschisch und übergab ihm das dafür erforderliche Bargeld. B. bestellte am 24. August 2009 bei seinen in Kassel ansässigen niederländischen Lieferanten "nochmals das, was wir vorher hatten" (UA S. 45). Nachdem B. seine Observation durch Polizeikräfte bemerkt hatte, brach er am 26. August 2009 die weitere Durchführung des Geschäfts ab. Er gab das Bargeld an S. zurück und vereinbarte mit diesem und dem Niederländer "erstmal keine weiteren Aktivitäten zu machen" (UA S. 24). Unter Einsatz des an S. zurückgegebenen Bargeldes wurde am 24. September 2009 eine zweite Lieferung über 45 kg ausgeführt (Fall II.3 der Urteilsgründe), bei der es sich nach der vom Landgericht insoweit nicht in Zweifel gezogenen geständigen Einlassung des B. um diejenige handelte, "die eigentlich am 28.08.09 geliefert ... werden sollte" (UA S. 25).
2. Diese Umstände gebieten es, hinsichtlich der Bestellung vom 24. August und der Lieferung vom 24. September 2009 von einer einheitlichen Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auszugehen. Die festgestellten Tätigkeiten werden, da sie sich auf dasselbe Drogengeschäft beziehen, zu einer Bewertungseinheit verbunden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1994 - 1 StR 720/94 und BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1999 - 3 StR 479/99, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 1 und 19).
Soweit das Landgericht eine Bedarfsabfrage des S. bei seinen Abnehmern vor Mitte September 2009 angenommen und hieraus in der Sache einen neuen Tatentschluss abgeleitet hat (UA S. 16, 59), entbehrt solches einer tatsächlichen Grundlage. Es erscheint ausgeschlossen, dass in einer neuen Hauptverhandlung der Annahme einer einheitlichen Tat entgegenstehende Feststellungen getroffen werden könnten. Vielmehr müsste auch bei verbleibenden Zweifeln nach dem Grundsatz in dubio pro reo eine einheitliche Handlung angenommen werden, weil es sich insoweit um tatsächliche Fragen handelt und die Annahme einer Handlung für den Angeklagten günstiger wäre (BGH aaO Bewertungseinheit 1). Der Senat ändert insoweit die Schuldsprüche. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil die Schuldspruchänderungen im Wesentlichen von den Einlassungen der Angeklagten ausgehen und sie im Übrigen ausschließlich besserstellen.
3. Dies hat zur Folge, dass bei dem Angeklagten S. die Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben ist. Das neu berufene Tatgericht wird aus den für die Fälle II.1 und 3 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen von vier Jahren und drei Monaten sowie vier Jahren Freiheitsstrafe, bei Wegfall einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten, eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden haben. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei Annahme von nur zwei Verbrechen die Gesamtfreiheitsstrafe milder ausfallen würde. Einer Aufhebung von Feststellungen bedurfte es bei dem hier vorliegenden Subsumtionsfehler nicht. Die neue Gesamtfreiheitsstrafe wird auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zuzumessen sein, wobei freilich ergänzende neue Feststellungen getroffen werden können, die den bisherigen nicht entgegenstehen.
4. Hinsichtlich des Angeklagten B. entzieht der Wegfall der Verurteilung die Grundlage für die gebildete (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten. Diese hat zu entfallen. Danach ist die im Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. September 2009 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten wiederhergestellt und zu vollstrecken; in dieser Sache verbleibt es bei der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe gegen B. in Höhe von vier Jahren und vier Monaten. Da die Anwendung des § 357 StPO somit keine Fortsetzung des Verfahrens gegen den Nichtrevidenten nach sich zieht, sondern ihm einen unmittelbaren Rechtsvorteil verschafft, bedurfte es vor der Entscheidung nach § 357 StPO keiner Nachfrage nach einem etwaigen Widerspruch des Nichtrevidenten gegen die Anwendung dieser Vorschrift (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 276/04, BGHR StPO § 357 Entscheidung 2 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 566
Bearbeiter: Ulf Buermeyer