HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 54
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 466/10, Beschluss v. 23.11.2010, HRRS 2011 Nr. 54
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Mai 2010 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), dass ferner die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wird.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision führt mit der Sachrüge zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Ergebnis. Im Übrigen ist sie entsprechend der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte während einer Beurlaubung aus seiner im Jahr 1998 angeordneten und seit dieser Zeit ununterbrochen bestehenden Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus seine damalige Lebensgefährtin gewürgt. Rechtsfehlerfrei gelangt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine erneute Unterbringung nach § 63 StGB im Grundsatz vorliegen. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NStZ-RR 2007, 8) sieht es die Maßnahme aber als unverhältnismäßig an (§ 62 StGB), weil nicht zu erwarten sei, dass von ihr (für den Angeklagten positive) Änderungen in der Ausgestaltung und Dauer des Maßregelvollzugs ausgingen, mithin Wirkungen, die der erste Maßregelausspruch nicht zeitige.
2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der erneuten Anordnung der Unterbringung abzusehen, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Die Rechtsprechung, auf die sich das Landgericht zur Begründung seiner Auffassung bezieht, betrifft schuldunfähige Personen (vgl. BGHSt 50, 199, 202; Schöch in LK 12. Aufl. § 63 Rdn. 152; missverständlich Fischer, StGB 57. Aufl. § 63 Rdn. 21). Wird hingegen - wie hier - gegen einen vermindert schuldfähigen Angeklagten eine Freiheitsstrafe verhängt, so ist der erneute Maßregelausspruch nach § 63 StGB geboten, um die Anrechenbarkeit der Zeit des Maßregelvollzugs auf die Strafe zu gewährleisten und so eine Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen; die Anrechnung setzt voraus, dass Strafe und Maßregel in demselben Urteil festgesetzt werden (BGHSt aaO; Schöch aaO).
Das Landgericht verkennt die Frage der Strafanrechnung nicht. Es befürchtet jedoch, die nochmalige Anordnung der Unterbringung sei geeignet, die Dauer des Maßregelvollzugs im Vergleich zur Lage bei Unterbleiben der Anordnung zu verlängern. Deswegen sei die Vollstreckung der neunmonatigen Freiheitsstrafe unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit vorzugswürdig.
Die Besorgnis der Strafkammer teilt der Senat nicht; konkret erfordert vielmehr der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerade die erneute Anordnung der Maßregel. Das Maß der Gefährlichkeit des Angeklagten dokumentiert sich ohnehin in seiner Verurteilung wegen einer als Symptomtat zu wertenden gefährlichen Körperverletzung. Der eher formale und zu seinem Vorteil getroffene Akt der nochmaligen Unterbringungsanordnung kann sich nicht im Sinne längeren Freiheitsentzugs zu seinem Nachteil auswirken. Primär wird freilich die sofortige Vollstreckung der nunmehr verhängten Unterbringung anzuordnen sein (§ 54 Abs. 3 StrVollstrO). Die auch für nachträgliche Entscheidungen hinsichtlich der erneuten Unterbringung einheitlich zuständige Strafvollstreckungskammer (§ 463 Abs. 1, § 462a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO) wird die notwendigen Überprüfungen unverzüglich vorzunehmen haben. In besonderem Maße muss dabei zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen, dass sich der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts seit der Tat ununterbrochen im hoch gesicherten Bereich des Klinikums befindet, ohne dass therapeutische Maßnahmen erfolgt sind (UA S. 21).
b) Der Senat konnte die Unterbringungsanordnung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst treffen (vgl. BGHSt 6, 398, 402; Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl. § 354 Rdn. 26f; Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 10), weil die Voraussetzungen des § 63 StGB festgestellt sind und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine andere Entscheidung erlaubt. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der durch die Entscheidung konkret begünstigte Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 54
Bearbeiter: Ulf Buermeyer