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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 172

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 103/10, Beschluss v. 15.04.2010, HRRS 2011 Nr. 172


BGH 5 StR 103/10 - Beschluss vom 15. April 2010 (LG Leipzig)

Strafzumessung (Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit; gewichtige für den Täter sprechende Umstände).

§ 46 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 26. Oktober 2009 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (Einzelfreiheitsstrafe drei Monate) sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Beihilfe zur Vergewaltigung (Einzelfreiheitsstrafe zwei Jahre und sechs Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision der Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Während der Schuldspruch bestehen bleiben kann, ist der Strafausspruch rechtsfehlerhaft. Die Strafkammer hat wesentliche für die Angeklagte sprechende Gesichtspunkte bei der Strafzumessung nicht bedacht.

1. Das Landgericht entnimmt die verhängte Strafe dem Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB, nachdem es das Vorliegen eines minder schweren Falles des Raubes (§ 249 Abs. 2 StGB) abgelehnt hat. Im Rahmen der durchgeführten Gesamtwürdigung, mit der sie gleichzeitig - insoweit rechtsfehlerfrei - das Vorliegen eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung verneint, berücksichtigt sie nicht die besonderen Umstände der Wegnahmehandlung. Diese diente in erster Linie dazu, der Geschädigten das Herbeiholen von Hilfe unmöglich zu machen. Der Wert der weggenommenen Sache war eher gering. Die Angeklagte eignete sich das Handy nicht selbst zu, sondern gab es sofort an G. weiter, die der Angeklagten - nach deren unwiderlegter Einlassung - auf spätere Nachfrage mitteilte, sie habe das Handy weggeworfen. Der Schwerpunkt des Unrechts der Tat der Angeklagten liegt insgesamt nicht auf der Verwirklichung des Raubtatbestandes, sondern auf den der Geschädigten in Gemeinschaft mit den übrigen Tatbeteiligten über einen längeren Zeitraum hinweg zugefügten Misshandlungen, die mit weiteren Demütigungen einhergingen.

2. Die Strafkammer berücksichtigt auch nicht, dass der Tatbeitrag der Angeklagten zu der Vergewaltigung der Geschädigten an der unteren Grenze der strafbaren Beihilfe liegt. Sie berücksichtigt ferner nicht, dass sich das Verhalten der Angeklagten als "Mitläufertum" einer körperlich behinderten und geistig minderbegabten, noch sehr jungen Frau bei einem Tatgeschehen darstellt, das in seiner zweiten gewichtigeren Phase in erster Linie von W., ihrem Freund, beherrscht wurde. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, "die Angeklagte imponiere unsicher und Halt suchend, habe ein Bedürfnis nach Akzeptanz und es falle ihr schwer, sich zu distanzieren" (UA S. 46). Nach dem Eindruck der Geschädigten hatte die Angeklagte selbst am Schluss des Tatgeschehens Angst und ging nur wegen ihrer Freunde mit.

Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch auf, um dem neuen Tatgericht eine insgesamt stimmige Strafzumessung zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 172

Bearbeiter: Ulf Buermeyer