HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 199
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 403/09, Urteil v. 09.12.2009, HRRS 2010 Nr. 199
1. Das Verfahren wird nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist.
2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2008 werden verworfen, die Revision des Angeklagten mit der Maßgabe, dass er wegen Mordes in Tateinheit mit Brandstiftung mit Todesfolge und mit besonders schwerer Brandstiftung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt ist.
3. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und der Einstellung sowie die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Mordes, wegen Brandstiftung mit Todesfolge in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung und wegen Diebstahls zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Dieses Urteil greift die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision insoweit an, als das Landgericht eine besondere Schwere der Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB verneint hat. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision gegen das Urteil insgesamt. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat keinen, dasjenige des Angeklagten nur den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der zum Zeitpunkt der Tat 22 Jahre alte Angeklagte hatte die 20 Jahre alte J., eine polnische Studentin, in der Tatnacht in einem Bistro kennengelernt. Zwischen beiden kam es in dem Lokal zu einem intensiven Flirt und dem Austausch von Zärtlichkeiten. Während J. es jedoch bei diesen Zärtlichkeiten belassen wollte, hegte der Angeklagte die Hoffnung, mit ihr noch in derselben Nacht den Geschlechtsverkehr vollziehen zu können. Nachdem beide gemeinsam das Bistro verlassen hatten, kehrten sie in ein anderes Lokal ein. Die Zudringlichkeiten des Angeklagten führten jetzt dazu, dass es J. mit der Angst zu tun bekam. In einem Telefongespräch mit ihrem Freund in England erklärte sie in jetzt bereits angetrunkenem Zustand aufgeregt und unter Tränen, dass ein Unbekannter mit ihr Geschlechtsverkehr durchführen wolle. Auf ihrem Nachhauseweg traf sie wieder mit dem Angeklagten zusammen und verweigerte ihm schließlich auch nicht den Zutritt zu ihrer Wohnung.
Der Angeklagte "setzte alles daran, um mit ihr intim zu werden" (UA S. 6). Es gelang ihm schließlich, die deutlich alkoholisierte J. dazu zu bewegen, mit ihm Zärtlichkeiten auszutauschen und sich bis auf ihr T-Shirt zu entkleiden oder entkleiden zu lassen. Als der Angeklagte jedoch mit ihr den Geschlechtsverkehr durchführen wollte, lehnte J. dies ab. Aus Verärgerung über die Zurückweisung und die Verweigerung des Geschlechtsverkehrs würgte der Angeklagte sie mit erheblichem Kraftaufwand mindestens 15 Sekunden lang, wobei er ihren Tod billigend in Kauf nahm. Als J. in Todesangst laute Schreie ausstieß, griff er zu einem in der Wohnung befindlichen Zimmermannshammer und schlug damit nunmehr mit Tötungsabsicht mindestens achtmal heftig von hinten auf den Kopf seines Opfers ein, und zwar jetzt auch, um seine Strafverfolgung zu vereiteln. J. erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen Schädelfrakturen; aus einer klaffenden Wunde am Hinterkopf trat Gehirngewebe aus und die Schädeldecke wies ein nahezu faustgroßes Loch auf. Infolge ihrer Kopfverletzungen verlor sie das Bewusstsein, lebte jedoch noch. Zugunsten des Angeklagten geht das Landgericht davon aus, dass er sein Opfer zu diesem Zeitpunkt allerdings für tot hielt.
Um die Spuren seiner Tat und seiner Täterschaft zu beseitigen, stellte er einen Holztisch und legte er eine Decke an die auf einem Teppich liegende J., beträufelte diese Gegenstände mit Nagellackentferner und entzündete sie. Er nahm dabei in Kauf, dass ein Brand auf das gesamte durch weitere Mieter bewohnte Gebäude übergreifen werde. (Soweit das Landgericht im Widerspruch zu seinem Schuldspruch Wendungen anführt, die einen bedingten Tötungsvorsatz zum Nachteil der Hausbewohner belegen könnten, liegt ersichtlich ein Vergreifen im Ausdruck vor.) Bei Verlassen der Wohnung nahm der Angeklagte mehrere Kleidungsstücke der Getöteten und ihren Fotoapparat an sich, um diese Gegenstände für sich zu behalten. Sie wurden später in der von ihm bewohnten Wohnung gefunden. Als er die Wohnung des Opfers verließ, bemerkte er nicht, dass er seinen Wohnungsschlüssel mit einem Anhänger verloren hatte, der auf seine Adresse hinwies.
In der Wohnung des Opfers entstand ein Schwelbrand, durch den der Fußboden im Wohnzimmer bis in tiefer liegende Schichten durchbrannte. Kurz nach Ausbruch des Brandes verstarb J. an den Folgen der Halskompression, des Schädel-Hirn-Traumas und der Brandverletzungen; jede der Verletzungen hätte für sich genommen in unterschiedlichem Zeitablauf zum Tode geführt.
2. Die Revision des Angeklagten hat nur insoweit einen geringfügigen Teilerfolg, als sie zu einer Korrektur des Schuldspruchs führt.
a) Die Urteilsfeststellungen beruhen auf einer tragfähigen, ausreichend begründeten Beweiswürdigung. Dies gilt auch für die Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit.
b) Indes bedarf der Schuldspruch der Korrektur.
Die Strafkammer ist von Tatmehrheit zwischen Mord (aus sonst niedrigen Beweggründen) und Brandstiftung mit Todesfolge (in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung) ausgegangen. Da die Geschädigte nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen jedoch infolge der Kombination aller gegen sie gerichteten Gewalthandlungen, auch des Brandes, verstarb, verbindet der einheitliche Erfolg der Handlungen - der Tod der Geschädigten - die Straftatbestände des Mordes und der qualifizierten Brandstiftung zur Tateinheit. Dies lässt die Einzelfreiheitsstrafe von zwölf Jahren für die qualifizierte Brandstiftung entfallen.
c) Nicht aufrecht erhalten bleiben kann auch der Schuldspruch wegen Diebstahls. Da die Strafkammer zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass er J. bei der Brandlegung bereits für tot hielt, fehlte es ihm zum Zeitpunkt der Mitnahme der Kleider und des Fotoapparates der Getöteten am erforderlichen Vorsatz, fremden Gewahrsam zu brechen. Nach seiner Vorstellung waren die Sachen vielmehr gewahrsamslos, da eine Tote keinen Gewahrsam gehabt hätte (vgl. BGHR StGB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 1). Anstelle einer Schuldspruchänderung und Einzelstrafkorrektur hat der Senat - dem Antrag des Generalbundesanwalts folgend - von der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht.
3. Die von der Staatsanwaltschaft angegriffene Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat das Tatgericht unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatgerichtlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat nur zu prüfen, ob das Tatgericht alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat; es ist aber gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzten (BGH NStZ 1998, 352, 353).
Das Landgericht hat bei seiner Prüfung eine zusammenschauende Würdigung des Mordgeschehens und der Täterpersönlichkeit vorgenommen. Dabei hat es einerseits das "erbarmungslos brutale Vorgehen" des Angeklagten gegen sein Opfer als schuldsteigernd berücksichtigt. Als Umstände, die für den Angeklagten sprechen, hat es in seine Abwägung eingestellt, dass er nicht vorbestraft ist und die Mordtat ohne vorherige Planung begangen hat, kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Opfer bestand, er zur Tatzeit erst 22 Jahre alt war und nicht mehrere Mordmerkmale erfüllt hatte. Das Landgericht hat sich auch mit der Frage auseinander gesetzt, ob eine über die allgemeine Schuldschwere des Mordes hinausgehende Schuld im Hinblick auf die von dem Angeklagten zur Verdeckung seines vorausgegangenen Tuns begangenen Brandstiftungsdelikte bejaht werden muss. Zwar hat es die Brandstiftung in diesem Rahmen nicht ausdrücklich unter dem hier durchaus wesentlichen Aspekt gewürdigt, dass damit weitere Personen gefährdet wurden. Jedoch stellt das Urteil eine solche Gefährdung - wie ausgeführt, sogar überzogen - an anderer Stelle fest (UA S. 7). Der Senat schließt deshalb letztlich aus, dass das Landgericht diesen Umstand außer Betracht gelassen hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 199
Bearbeiter: Ulf Buermeyer