HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 120
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 536/08, Beschluss v. 11.12.2008, HRRS 2009 Nr. 120
Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2008, soweit es diesen Angeklagten betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die nichtrevidierenden Angeklagten V. und M. zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren sechs Monaten bzw. von drei Jahren. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Sein weitergehendes Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den - mit dem Anklagesatz identischen - Feststellungen des Landgerichts eröffnete der Mitangeklagte V. am 9. Januar 2008 unter Vorlage eines gefälschten französischen Reisepasses bei der Berliner Bank ein Konto, um wenige Tage später einen zugunsten der Firma S. L. ausgestellten Scheck über rund 590.000 Euro einzulösen. Der Mitangeklagte M. übersetzte die Gespräche zwischen V. und den Bankangestellten. Nachdem die bezogene Bank die Schecksumme an die Berliner Bank überwiesen hatte, schrieb diese den Geldbetrag dem von V. eröffneten Konto gut. Am 7. und 8. Februar 2008 hob V. insgesamt 152.000 Euro in bar ab, wobei er sich diesmal die Gespräche vom Angeklagten, der hierfür 300 Euro erhielt, übersetzen ließ.
Weitere Beträge konnte V. nicht abheben, weil die Bankangestellten nicht mehr von seiner Verfügungsberechtigung ausgingen und er mit seinen beiden Gehilfen festgenommen wurde.
Die Revision des Angeklagten ist zum Strafausspruch begründet.
1. Die Verurteilung ist im Schuldspruch allerdings rechtsfehlerfrei.
a) Die Urteilsfeststellungen belegen in ihrer Gesamtheit die Tatbestandsmerkmale des § 263 Abs. 1 StGB (vgl. zu unzureichenden Urteilsfeststellungen selbst nach Verständigung BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 25 und 28). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann noch entnommen werden, dass der vom Haupttäter V. eingereichte Scheck dem Aussteller oder nachfolgend Berechtigten abhanden gekommen war (Art. 21 ScheckG) und hier jedenfalls durch eine strafbare Handlung (Diebstahl, Unterschlagung oder Hehlerei bzw. zumindest der Teilnahme an solche Taten) in den Verfügungsbereich der Angeklagten gelangte. Andernfalls hätte es der Kontoeröffnung und der Barabhebungen unter unbefugter Verwendung der Firma der Zahlungsempfängerin nicht bedurft.
aa) Ein Abhandenkommen im Sinne des Art. 21 ScheckG liegt vor, wenn der Scheck - ob Inhaber- oder Orderscheck teilt das Landgericht nicht mit - ohne rechtswirksamen Begebungsvertrag in fremde Hände gelangt ist (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22 m.w.N.). Diese Vorschrift, die nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut sowohl auf Order- als auch auf Inhaberschecks Anwendung findet, legitimiert den gutgläubigen Erwerber des Papiers. Die zivilrechtliche Risikoverteilung ist sowohl für die Bestimmung des Erklärungswerts einer entsprechenden Handlung als auch - spiegelbildlich - für das Vorhandensein eines entsprechenden Irrtums bei dem Adressaten der Erklärung erheblich (vgl. BGHSt 46, 196, 198 ff.; 51, 165 Rdn. 20 ff.).
Bei der Einlösung eines Inhaberschecks können allerdings Zweifel an einer für die Vermögensverfügung relevanten Täuschungshandlung bestehen, da der Einreicher eines Inhaberschecks regelmäßig schon durch dessen Besitz legitimiert wird (BGH wistra 2007, 458; BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 - 2 StR 406/07 Rdn. 3; BayObLG wistra 1999, 233 m. Anm. Marxen, EWiR 1999, 519 f.). Jedoch gehört ein etwaiges Abhandenkommen - ebenso wie die formellen Scheckvoraussetzungen (Art. 1, 2 ScheckG) - zu den Umständen, über die sich ein Bankangestellter, der den Scheck zur Einziehung hereinnimmt (vgl. dazu BGH WM 1987, 337, 338), Gedanken macht (offen gelassen in BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22; vgl. auch OLG Zweibrücken BB 1995, 1318, 1319). Er wird nämlich prüfen, ob Gesichtspunkte vorliegen, die zu einer Schadensersatzpflicht der Bank führen können. Solche Ansprüche können sich gemäß §§ 989, 990 BGB i.V.m. Art. 21 ScheckG ergeben (BGHZ 108, 353, 355 ff.; BGH WM 1993, 541, 542 f.; 1988, 1296, 1297; 1987, 337, 338; Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz/Scheckgesetz/Recht der kartengestützten Zahlungen 23. Aufl. Art. 21 ScheckG Rdn. 21 f., 8 ff. m.w.N.).
bb) Ein solches Verständnis des Erklärungswerts der Scheckeinreichung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach enthält die Vorlage eines Schecks die Behauptung, sein Inhalt entspreche dem Willen des Ausstellers (BGH NJW 1969, 1260, 1261; BGH, Urteil vom 4. November 1955 - 5 StR 200/55; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. November 1981 - 5 StR 435/81 bei Holtz, MDR 1982, 280). Zu dem Willen des Ausstellers gehört der Umstand, dass nur mittels eines Begebungsvertrags legitimierte Personen den Scheck einreichen, nicht aber Dritte, die in strafbarer Weise den Besitz an dem Scheck erlangt haben. Da eine Nichtbeachtung des Willens des Ausstellers für die Bank mit Regressrisiken verbunden sein kann, wird sich die Vorstellung des Bankmitarbeiters zumindest darauf beziehen müssen, dass eine Situation gegeben ist, die Regressansprüche nicht befürchten lässt. Mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen durch den Einreicher korrespondiert eine entsprechende Fehlvorstellung auf der Seite der den Scheck annehmenden Bankmitarbeiter.
cc) Die Urteilsfeststellungen ergeben hier, dass die Berliner Bank auch im Blick auf etwaige Schadensersatzforderungen die Berechtigung des Scheckeinreichers tatsächlich geprüft hat. Andernfalls hätten die Bankmitarbeiter nicht dafür gesorgt, dass der Haupttäter schließlich keine weiteren Barabhebungen vornehmen konnte. V. war nicht verfügungsbefugt, weil er den Besitz an dem Scheck ohne Begebungsvertrag erlangte.
Damit stellen sich die Gutschrift und die Auszahlungen als Leistungen an einen Nichtberechtigten dar. Die Bank war durch die früheren Teilauszahlungen auch geschädigt, weil aufgrund der Gesamtumstände für sie das schadensgleiche Risiko eines eigenen Vermögensverlusts bestand.
b) Die Haupttat war mit der Gutschrift auf V. s Konto zwar vollendet, aber am 7. und 8. Februar 2008 noch nicht beendet. Beendigung setzt den Abschluss des Tatgeschehens in tatsächlicher Hinsicht voraus. Nach dem Tatplan sollte der gutgeschriebene Betrag nur kurzfristig auf dem Bankkonto verbleiben; wegen der Entdeckungsgefahr, der die Beteiligten durch die Urkundenfälschungen zu begegnen versuchten und die sich schließlich realisierte, war von vornherein vorgesehen, dass V. das Guthaben in bar abheben sollte. Damit wäre die Betrugstat erst mit Abhebung des gesamten Guthabens über 590.000 Euro beendet gewesen.
Selbst wenn der Betrug beim Haupttäter V. als mitbestrafte Nachtat zu werten wäre, bliebe dies für den Gehilfen hier ohne Belang.
2. Die Strafzumessung hält der rechtlichen Nachprüfung indes nicht stand.
Das Landgericht hat im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei angenommen, dass auch dem Angeklagten als Gehilfen ein Vermögensverlust großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB) zur Last zu legen ist. Gleichwohl begegnet die - lediglich formelhaft vorgenommene - Gesamtwürdigung des Landgerichts durchgreifenden Bedenken. Trotz des Vorliegens des Regelbeispiels hätte es bedenken müssen, ob von der Indizwirkung abzugehen und dann der Strafrahmen des § 263 Abs. 1 i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen wäre. Im Hinblick auf das Vorliegen durchaus gewichtiger Strafmilderungsgründe (insbesondere Geständnis, untergeordneten Tatbeitrag, geringe Entlohnung) hätte die Verneinung der Indizwirkung nicht fern gelegen.
Angesichts dessen ist die Verhängung einer sogar die Mindeststrafe des verschärften Strafrahmens des § 263 Abs. 3 i.V.m. § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB deutlich überschreitenden Strafe bei dem nur geringfügig vorgeahndeten Angeklagten durchgreifend bedenklich. Dies gilt zumal im Blick auf das Verhältnis zu der gegen den Haupttäter verhängten Strafe. Zwar muss, auch wenn mehrere Angeklagte in einem Verfahren abgeurteilt werden, für jeden von ihnen die Strafe unter Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände aus der Sache selbst gefunden werden (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 23). Der Gesichtspunkt, dass gegen Haupttäter und Teilnehmer verhängte Strafen auch in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, kann aber nicht völlig außer Betracht bleiben. Deswegen müssen Unterschiede jedenfalls dann erläutert werden, wenn sie sich nicht selbst aus der Sache ergeben (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1). Diese Begründungsanforderung hat das Landgericht nicht in tragfähiger Weise erfüllt.
3. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler nicht. Das neue Tatgericht darf der Strafzumessung neue Feststellungen zugrunde legen, sofern sie den nunmehr bestandskräftigen nicht widersprechen.
4. Der Begründungsmangel ist nicht gemäß § 357 StPO auf die nichtrevidierenden Angeklagten, für die das Urteil abgekürzt gefertigt werden durfte, zu erstrecken (vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - 5 StR 209/08 Rdn. 3). Eine Auswirkung auf die Mitangeklagten besteht bereits deswegen nicht, weil die Gesamtabwägung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels entkräftet wird, für jeden einzelnen Angeklagten gesondert vorzunehmen ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 120
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2009, 279; StV 2009, 244
Bearbeiter: Karsten Gaede