HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 349
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 36/08, Beschluss v. 05.03.2008, HRRS 2008 Nr. 349
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 7. November 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Untreue in 79 Fällen verurteilt wird,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 79 Fällen jeweils in Tateinheit mit Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist seine Revision aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte, der als selbständiger Handelsvertreter eine Versicherungsagentur betrieb, berechtigt, Versicherungsfälle bis zu 1.600 Euro eigenverantwortlich zu regulieren. In diesem Zusammenhang veranlasste der Angeklagte in 79 Fällen durch fingierte Schadensfälle, dass Zahlungen auf von ihm benannte Konten erfolgten.
2. Diese Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen tateinheitlichen Betrugs in 79 Fällen nicht. Eine Idealkonkurrenz zwischen Untreue und Betrug setzt voraus, dass der Täter im Rahmen einer schon bestehenden Vermögensbetreuungspflicht die Vermögensschädigung des zu betreuenden Vermögens durch eine Täuschungshandlung bewirkt hat (BGH wistra 2007, 302, 303; 1991, 218, 219 m.w.N.; vgl. auch BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 10). Zwar kann im vorliegenden Fall wegen der dem Angeklagten eingeräumten Regulierungsbefugnis von einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB ausgegangen werden; die Annahme eines hierzu in Tateinheit stehenden Betruges begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken.
a) Eine betrügerische Handlung des Angeklagten kommt nur durch die von ihm vorgenommene Einreichung fingierter Schadensfälle bei seiner Versicherung in Betracht. Dem Angeklagten war eine eigene Regulierungszuständigkeit für Versicherungsfälle bis 1.600 Euro eingeräumt. Sämtliche Einzelfälle lagen betragsmäßig unter dieser Grenze. Wenn das Landgericht neben einer treupflichtwidrigen Vermögensverfügung zugleich einen Betrug zu Lasten der Versicherung annimmt, hätte es darstellen müssen, welcher Mitarbeiter sich aufgrund einer Täuschungshandlung des Angeklagten in einem Irrtum befunden und deshalb die vom Angeklagten abgeforderten Gelder überwiesen hat. Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Landgericht die Einreichung der Schadensunterlagen bei der Versicherung würdigen müssen.
Hierzu hat es allerdings keine näheren Feststellungen getroffen. Bestehen innerhalb eines Unternehmens entsprechende Kompetenzspielräume für die sachliche Entscheidung, werden die mit der kassenmäßigen Umsetzung betrauten Mitarbeiter in der Regel nur noch die formellen Voraussetzungen einer Prüfung unterziehen, mithin also die Punkte, ob die Anweisung vom Angeklagten herrührt und er sich innerhalb des ihm zugewiesenen Verfügungsrahmens gehalten hat. Aus seiner Befugnis, bis zu einer Betragsobergrenze selbständig regulieren zu dürfen, ergibt sich nämlich, dass die Schadensabwicklung nicht von der Genehmigung oder Überprüfung einer anderen Stelle abhängig gemacht werden sollte. Hierfür spricht auch, wenn - was nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsfeststellungen auf der Hand liegt - die Anweisung nicht von der Schadensabteilung, sondern von der Vertriebsabteilung der Versicherung, die ihm als Versicherungsvertreter übergeordnet war, vollzogen wurde. Besteht eine Trennung zwischen Auszahlungs- und Entscheidungszuständigkeit - dies gilt bei einem privatwirtschaftlich organisierten Betrieb ebenso wie bei einer Behörde -, wird den mit den Kassenaufgaben betrauten Mitarbeiter nur interessieren, ob der für die Sachentscheidung Zuständige die sachliche und rechnerische Richtigkeit einer Forderung festgestellt und die Auszahlung des geschuldeten Betrages angeordnet hat (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9; BGH NStZ 1997, 281; vgl. aber auch BGH wistra 2007, 302, 303).
b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts, der eine standardisierte rudimentäre Plausibilitätsprüfung genügen lässt, reicht die bloße formale Kontrolle, ob die Obergrenze nicht überschritten wurde, für die Annahme einer irrtumsbedingten Verfügung im Sinne eines Betrugs nach § 263 StGB nicht aus. Denn diese Prüfung bezieht sich nicht auf die sachliche Richtigkeit der eingereichten Rechnung, sondern lediglich auf die Kontrolle der formalen Entscheidungskompetenz des Angeklagten. Abgesehen davon, dass er hierüber nicht getäuscht hat, sondern lediglich über die inhaltliche Richtigkeit des zur Regulierung angewiesenen Schadensbetrags, ist insoweit jedenfalls kein Irrtum im Sinne des § 263 StGB hervorgerufen worden.
Der Verfügende wird sich nämlich nur Gedanken darüber machen, was von seiner Prüfungsaufgabe umfasst ist (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 9; BGH NStZ 2005, 157, 158; vgl. auch BGHSt 51, 165, 168). Diese bezieht sich ersichtlich allein auf die Einhaltung der Grenzen, die für die Regulierungszuständigkeit des Angeklagten maßgeblich sind. Da der Angeklagte diese nicht überschritten hat, liegt keine Irrtumserregung im Sinne des § 263 StGB auf Seiten der Versicherung vor, weil deren Mitarbeiter jenseits dessen sich keine Vorstellung gemacht haben.
c) Denkbar wäre ein Betrug allerdings insoweit, als der Angeklagte die fingierten Unterlagen erstellt hat, um im Falle einer versicherungsinternen Revision nicht aufgedeckt zu werden. Insoweit läge zwar sowohl eine betrugsrelevante Täuschungshandlung als auch eine entsprechende Irrtumserregung nach § 263 StGB vor. Eine Strafbarkeit diesbezüglich wegen Betrugs ist jedoch ausgeschlossen, weil sich eine dementsprechende Betrugshandlung als mitbestrafte Nachtat darstellen würde. Hierbei geht es nämlich um die Sicherung der bereits durch die Anweisung erlangten Gelder (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 10; § 266 Abs. 1 Treubruch 1; BGH NStZ 2004, 568, 570).
3. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden, welche die Grundlage für einen wie vom Landgericht ausgeurteilten Schuldspruch bilden könnten. Der Senat ändert daher den Schuldspruch selbst und lässt die tateinheitliche Verurteilung wegen Betrugs in 79 Fällen wegfallen. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Höhe der Strafen durch die Annahme der Verletzung zweier Strafgesetze beeinflusst worden ist. Das Landgericht hat den tateinheitlichen Verstoß gegen § 263 StGB sogar ausdrücklich strafschärfend gewürdigt.
4. Die Feststellungen können aufrechterhalten werden, weil sie von dem Subsumtionsfehler nicht berührt sind. Der neue Tatrichter wird aber Gelegenheit haben, Feststellungen zu der von der Verteidigung behaupteten Verfahrensverzögerung zu treffen. Immerhin ist auffällig, dass gegen den geständigen Angeklagten erst drei bis vier Jahre nach Tatbegehung Anklage erhoben wurde. Im Rahmen einer schwerpunktmäßigen Erklärung hierzu kann in einem neuen Urteil die Mitteilung angezeigt sein, wann die Taten des Angeklagten entdeckt wurden und seit wann er sich geständig eingelassen hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 349
Externe Fundstellen: NStZ 2008, 340; StV 2008, 356
Bearbeiter: Karsten Gaede