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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 753

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 272/07, Beschluss v. 03.07.2007, HRRS 2007 Nr. 753


BGH 5 StR 272/07 - Beschluss vom 3. Juli 2007 (LG Hamburg)

Rechtsfehlerhafte Zurückweisung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit.

§ 244 Abs. 3 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, muss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26 m.w.N.).

2. Die erforderliche Begründung hat grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch eine Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen zu entsprechen (vgl. BGH aaO). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH aaO). Die Darlegung tatsächlicher Bedeutungslosigkeit erfordert eine Einfügung und Würdigung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH aaO).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 28. Februar 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht - Schwurgerichtskammer - hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt, ferner das sichergestellte Messer eingezogen. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer Beweisantragsrüge Erfolg.

1. Das Landgericht hat sich aufgrund der - insgesamt nicht für vollständig glaubhaft gehaltenen - Aussage des Tatopfers, die im Kern weitgehend von dem Zeugen S. und im Randgeschehen von weiteren Zeugen bestätigt worden ist, davon überzeugt, dass der Angeklagte dem Zeugen D. während zweier Streitigkeiten zunächst eine leere Bierflasche auf den Kopf geschlagen und danach mit seinem Taschenmesser dem Zeugen eine 2 cm lange Schnittwunde seitlich am Hals zugefügt hat.

2. Das Landgericht hat einen Antrag des Verteidigers, die Blutanhaftungen an der Klinge des zusammengeklappt in der Hosentasche des Angeklagten aufgefundenen Messers dahingehend zu untersuchen, ob es sich um Blut des Zeugen D. handelt, als Beweisermittlungsantrag mit der Erwägung zurückgewiesen, nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme und der Einlassung des Angeklagten gäbe es keine Hinweise, dass die Anhaftungen von einer anderen Person als von dem Zeugen D. stammen könnten.

Den daraufhin gestellten Antrag, dass eine DNA-Untersuchung von an der Hand des Angeklagten sichergestellten Blutanhaftungen ergebe, dass diese nicht vom Zeugen D. stammen würden, hat das Landgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen:

"Die unter Beweis gestellte Tatsache (ist) für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Selbst wenn es sich bei den Blutanhaftungen nicht um das Blut des Zeugen D. handeln sollte, ließe dies keine Rückschlüsse darauf zu, ob der Angeklagte den ihm zur Last gelegten Messerstich geführt hat."

3. Dies beanstandet die Revision zu Recht.

a) Das Begehren, die sichergestellten Blutanhaftungen einer DNA-Analyse zu unterziehen, die keine Urheberschaft des Opfers ergebe, stellt - weil es sich um die Widerlegung von Zeugenaussagen und die Zuordnung von am Tatort tatsächlich aufgefundenen Spuren handelt - einen Beweisantrag dar und nicht eine aufs Geratewohl aufgestellte, aus der Luft gegriffene Behauptung (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 25).

b) Die Zurückweisung dieses Antrags erfüllt die für den Zurückweisungsgrund der Bedeutungslosigkeit im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO geltenden Anforderungen nicht. Der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, muss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung beimisst. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Entscheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 26 m.w.N.). Die erforderliche Begründung hat grundsätzlich den Begründungserfordernissen bei der Würdigung von durch eine Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen zu entsprechen (vgl. BGH aaO). Die Ablehnung des Beweisantrags darf nicht dazu führen, dass aufklärbare, zugunsten eines Angeklagten sprechende Umstände der gebotenen Gesamtabwägung im Rahmen der Beweiswürdigung entzogen werden (BGH aaO).

Zwar ist vorliegend die Erwägung des Landgerichts, die Urheberschaft des Blutes an der Hand des Täters lasse keinen Rückschluss auf die Täterschaft des Angeklagten zu, bei lediglich abstrakter Betrachtung richtig. Die Darlegung tatsächlicher Bedeutungslosigkeit erfordert aber darüber hinaus eine Einfügung und Würdigung der Beweistatsache in das bisher gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH aaO). Daran fehlt es hier; die tatsächliche Bedeutungslosigkeit versteht sich auch nicht etwa von selbst.

Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Ablehnung des Beweisantrags nicht im Einklang mit der sachlich und zeitlich eng zusammenhängenden Zurückweisung des Beweisermittlungsantrags bezüglich der Urheberschaft des Blutes am Messer des Angeklagten steht. Hieraus konnte die Verteidigung mithin nicht etwa eine Ergänzung der Ablehnungsbegründung des Beweisantrags entnehmen, die dem Angeklagten die gebotene Information über die Beweiserwägungen des Tatrichters transparent gemacht haben könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2007 - 3 StR 114/07 Rdn. 8), im Gegenteil: Das Landgericht hat dort pauschal auf das bisherige Beweisergebnis abgestellt und auf dieser Grundlage die Urheberschaft des Blutes am Messer des Angeklagten vom Opfer als zweifelsfrei gegeben und nicht weiter aufklärungsbedürftig angesehen. Solches steht aber in Widerspruch zur postulierten Bedeutungslosigkeit der Urheberschaft des Blutes an der Hand des Angeklagten, mit der dieser ersichtlich die Tat verübt haben soll. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich an dem Messer Blut des Geschädigten, an der Hand des Angeklagten, mit der er das Messer geführt haben soll, hingegen Blut eines anderen befunden haben könnte.

4. Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Bei der gegebenen Sachlage drängte die Aufklärungspflicht ohnehin bei Bestreiten des Angeklagten, den vorhandenen Sachbeweis auszuschöpfen. Da eine Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsverbrechens nach dem angefochtenen Urteil fern liegt, verweist der Senat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 753

Bearbeiter: Karsten Gaede