HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1121
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 161/07, Urteil v. 23.10.2007, HRRS 2007 Nr. 1121
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 30. Januar 2007 im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige, und in einem Fall in Tateinheit mit Bestimmen eines Minderjährigen zum unerlaubten Veräußern von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (Einzelfreiheitsstrafen: ein Jahr und sechs Monate sowie zwei Jahre und vier Monate) verurteilt. Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die zur Tatzeit 50-jährige, bislang unbestrafte Angeklagte erwarb im Zeitraum von Oktober 2004 bis September 2005 von einem Bekannten zweimal je eine 125 g schwere Platte Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von etwa fünf Prozent THC für drei Euro pro Gramm. Von den zwei erworbenen Haschischmengen konsumierte sie in geringem Umfang selbst. Den weitaus größeren Teil verkaufte sie in mehr als 100 Fällen für fünf Euro pro Gramm an zwei erwachsene und vier minderjährige Personen, die alle schon Drogenkonsumenten waren. Im Zuge der Betäubungsmittelverkäufe fragte sie einen ihrer Kunden, den minderjährigen Zeugen R., ob er weitere Personen kenne, die bei ihr Haschisch kaufen würden. Der Zeuge wandte sich an ihm bekannte Haschischkonsumenten und kaufte für diese und für sich zusammen zehn Gramm des Rauschgifts. Insgesamt erzielte die Angeklagte nur geringe Gewinne, nämlich insgesamt rund 450 Euro im gesamten Tatzeitraum.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die einzelnen Absatzgeschäfte aus zwei Verkaufsvorräten erfolgten und hat deshalb zutreffend zwei Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Sinne einer Bewertungseinheit angenommen. Die verhängten Einzelstrafen hat es im ersten Fall der Vorschrift des § 30 Abs. 1 BtMG und im zweiten Fall der Vorschrift des § 30a Abs. 1 BtMG entnommen und der Strafzumessung jeweils minder schwere Fälle nach § 30 Abs. 2 StGB (Strafrahmen: 3 Monate bis zu 5 Jahren) und § 30a Abs. 3 StGB (Strafrahmen: 6 Monate bis zu 5 Jahren) zugrundegelegt.
Für die Wahl der Sonderstrafrahmen hat die Strafkammer zugunsten der Angeklagten angeführt, dass sie nicht vorbestraft ist, in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, nur vergleichsweise geringe Gewinne erzielt hat, selbst Haschischkonsumentin war und dass es sich bei Haschisch um eine weniger gefährliche Droge handelt. Außerdem hat sie der Angeklagten ihre langjährige Krebserkrankung zugute gehalten und ihr darüber hinaus wegen der Verantwortung für ihre vier minderjährigen Kinder eine erhöhte Strafempfindlichkeit zugebilligt.
Straferschwerend hat das Landgericht berücksichtigt, dass die Angeklagte gleich mehrere Straftatbestände verwirklicht und auch bei den Verkäufen an Erwachsene gewerbsmäßig gehandelt habe.
2. Die Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. April 2007 erfolglos, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wendet. Dagegen halten die vom Landgericht verhängten Einzelstrafen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Im Fall 2 hat die tateinheitliche Verwirklichung des Bestimmens eines Minderjährigen zum unerlaubten Veräußern von Betäubungsmitteln als das schwerwiegendste Delikt den Strafrahmen bestimmt. Das Landgericht hat diesen Fall - insoweit zutreffend - als minder schwer im Sinne von § 30a Abs. 3 StGB angesehen und eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verhängt, womit die Mindeststrafe von sechs Monaten erheblich überschritten worden ist. Da die Strafkammer eine erneute Strafzumessung im engeren Sinne nicht vorgenommen, sondern lediglich auf die bei Findung des Strafrahmens bereits angestellten Erwägungen verwiesen hat (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Gesamtbewertung 2 und 4), wird nicht deutlich, warum es den Unrechts- und Schuldgehalt dieses Tatgeschehens so hoch einstuft. Dies ist deshalb kaum nachvollziehbar, weil sich die vorliegende Tathandlung im unteren Bereich denkbarer einschlägiger Fallgestaltungen bewegt. Denn der betreffende Minderjährige war schon Drogenkonsument und hat nur als Konsumenten bereits bekannte Personen angesprochen, wobei er insgesamt lediglich acht Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von etwa fünf Prozent Tetrahydrocannabinol verkauft hat. Auch das weitere tateinheitlich verwirklichte Tatgeschehen ist nicht so gewichtig, dass es die gravierende Überschreitung der Mindeststrafe hinreichend erklären könnte.
Insbesondere ist insoweit und im Fall 1 die Gewerbsmäßigkeit betreffend nicht erkennbar bedacht worden, dass das entsprechende Verhalten der Angeklagten innerhalb der Bandbreite gewerbsmäßigen Handelns deutlich am unteren Rand einzuordnen ist. Denn die Angeklagte hat in der Regel jeweils nur ein Gramm abgegeben und dabei - so auch insgesamt - nur sehr geringe Gewinne erzielt, was das Gewicht dieses Umstands als Tatbestandsmerkmal und als Strafzumessungsfaktor ganz erheblich reduziert (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 3 Nr. 1 gewerbsmäßig 5).
Insgesamt lässt die Bemessung der Einzelstrafen damit die gebotene abgewogene Beurteilung der konkret für und gegen die Angeklagte sprechenden Strafzumessungserwägungen vermissen. Da schon nach Auffassung des Landgerichts die mildernden Aspekte wesentlich überwogen (UA S. 13), kann der Senat nicht einmal ausschließen, dass eine schuldgerechte Bewertung und Gewichtung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Gesichtspunkte und die gebotene umfassende Betrachtung von Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit zu Einzelstrafen geführt hätten, die im Ergebnis die Verhängung einer aussetzungsfähigen Gesamtfreiheitsstrafe ermöglicht hätten.
Die der Strafzumessung zugrunde liegenden Feststellungen können jedoch bestehen bleiben, da lediglich Wertungsfehler vorliegen. Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen, insbesondere zur weiteren persönlichen Entwicklung der Angeklagten, sind möglich.
HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 1121
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2008, 288
Bearbeiter: Karsten Gaede