HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 879
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 106/06, Urteil v. 13.07.2006, HRRS 2006 Nr. 879
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 23. Juni 2005 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die insoweit der Verfallsbeteiligten entstandenen notwendigen Auslagen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 30 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Anordnung des Verfalls hat das Landgericht sowohl gegen ihn als auch gegen seine Ehefrau abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Revision dagegen, dass gegen die Ehefrau des Angeklagten als Verfallsbeteiligte die Anordnung des Verfalls unterblieben ist. Das von der Bundesanwaltschaft vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Die Revision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinnahmte der Angeklagte, der als Einkaufsdirektor bei dem Süßwarenhersteller S. KG (künftig: S. KG) tätig war, Schmiergeldzahlungen von Lieferanten in den Jahren 1999 bis 2004 im Umfang von ca. 500.000 Euro, die er in den von ihm abgegebenen Einkommensteuererklärungen verschwieg.
Die Gelder wurden in einigen Fällen bar vom Angeklagten vereinnahmt, teilweise wurden die Gelder auf sein Betreiben auf ein Firmenkonto seiner Ehefrau überwiesen, von wo aus der Angeklagte die Gelder auf sein Konto umbuchen ließ. Weiterhin übernahm der Geschäftsführer der W. KG (künftig: W. KG) Darlehensraten eines auf den Namen der Verfallsbeteiligten laufenden Darlehensvertrages über mehr als 120.000 DM zum Zwecke der Anschaffung eines Sportwagens sowie Handwerkerrechnungen in Höhe von insgesamt etwa 300.000 DM, die für den Umbau des im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Hausgrundstücks in Enger anfielen. Hierzu zählte auch der Einbau einer Heizungs- und Klimaanlage. Das Landgericht hat gegen den Angeklagten den Verfall wegen der vorgängigen Ersatzansprüche seines Arbeitgebers und der Finanzverwaltung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB abgelehnt. Gegen die Verfallsbeteiligte hat es von einer Verfallsanordnung auch deswegen abgesehen, weil der Verfall für die nach den Feststellungen des Landgerichts gutgläubige Ehefrau eine besondere Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeutet hätte.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist erfolglos. Der Senat kann dabei dahinstehen lassen, ob die Revision in zulässiger Form erhoben ist. Aus der Antragstellung und der hierfür gegebenen Revisionsbegründung ergibt sich nämlich nicht, in welchem Umfang das Urteil aufgehoben werden soll und insbesondere welche Leistungen der Schmiergeldzahler Gegenstand der Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte sein sollen. Letztlich braucht der Senat hier jedoch nicht entscheiden, ob die Revisionsschrift der Staatsanwaltschaft noch dem Formerfordernis des § 344 Abs. 1 StPO entspricht, weil das Rechtsmittel jedenfalls unbegründet ist. Die Ablehnung einer Verfallsanordnung gegen die Ehefrau des Angeklagten ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Die Anordnung des Verfalls gegen einen Nebenbeteiligten nach § 73 Abs. 3 StGB setzt - was die Beschwerdeführerin übersieht - voraus, dass keine vorrangigen Ersatzansprüche des Verletzten bestehen. Dies ergibt sich schon aus der Bezugnahmeklausel in § 73 Abs. 3 StGB, die auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Absätze 1 und 2 verweist. Auch nach seinem Sinngehalt erstreckt sich der Ausschlusstatbestand nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ebenso auf die Verfallsanordnung gegen einen Dritten. Insoweit gilt nämlich gleichermaßen der Schutzgedanke des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, wonach eine Verfallsanordnung bei Ersatzansprüchen des Verletzten ausscheiden muss, um durch die Abschöpfung von Vermögenswerten die Erfüllung der Ansprüche des Verletzten nicht zu gefährden und andererseits eine doppelte Inanspruchnahme des Ersatzpflichtigen zu vermeiden (BGHR StGB § 73 Verletzter 3, 4). Beide Gesichtspunkte stehen einer Verfallsanordnung gegen einen Dritten im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB entgegen, wenn gegen diesen aus oder wegen der Straftat Ersatzansprüche bestehen.
Das Landgericht hat hier Ersatzansprüche gegen die Verfallsbeteiligte nicht näher geprüft. Ersatzansprüche bestehen seitens der Arbeitgeberin des Angeklagten nach § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, § 667 BGB gegen den Angeklagten selbst (vgl. BGHR StGB § 73 Verletzter 5). Könnte die S. KG als Arbeitgeberin des Angeklagten auf dessen Ehefrau durchgreifen, wäre deshalb der Verfall nach § 73 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 StGB ausgeschlossen.
Ob solche Ersatzansprüche etwa aus dem Gesichtspunkt des Bereicherungsrechts oder im Hinblick auf für die S. KG anfechtbare Rechtshandlungen des Angeklagten zugunsten seiner Ehefrau in Betracht kommen, kann der Senat hier dahinstehen lassen. Selbst wenn entsprechende Ersatzansprüche auszuschließen wären, konnte das Landgericht den Verfall gegen die Ehefrau des Angeklagten hier rechtsfehlerfrei ablehnen.
2. Das Landgericht hat die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB tragfähig begründet. Ob eine solche Härte vorliegt, hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen.
Wie er die für das Vorliegen einer unbilligen Härte maßgeblichen Umstände im Einzelnen gewichtet, ist der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich (BGHR StGB § 73c Härte 11). Dies gilt jedenfalls, soweit das vom Tatrichter gefundene Ergebnis nicht gänzlich unvertretbar erscheint. Hier hat sich das Landgericht in erster Linie auf den Gesichtspunkt der Gutgläubigkeit der Ehefrau des Angeklagten gestützt. Die Gutgläubigkeit des Dritten stellt bei der Härtefeststellung einen ganz zentralen Ermessensgesichtspunkt dar (BGH aaO; vgl. auch BGHSt 47, 369, 376). Das Landgericht konnte auch ohne Rechtsverstoß von einer Gutläubigkeit der Verfallsbeteiligten ausgehen.
Der Annahme der Gutgläubigkeit widerspricht - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht der Gesichtspunkt, dass die Ehefrau von einer arbeitsrechtlichen Zweifelhaftigkeit der über ihr Konto vereinnahmten Gelder ausgegangen ist. Nach den von der Beschwerdeführerin nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts kannte sie jedenfalls den kriminellen Hintergrund der über ihr Konto abgewickelten Zahlungen nicht.
Im Übrigen hat das Landgericht die Ablehnung einer Verfallsanordnung nicht allein auf den Gesichtspunkt der Gutgläubigkeit der Verfallsbeteiligten gestützt, sondern ergänzend ausgeführt, dass das von den Eheleuten erworbene und aufwändig umgebaute Hausgrundstück mit Grundschulden in einer Höhe belastet sei, die dem aktuell erzielbaren Kaufpreis entspreche. Das Landgericht stützt sich insoweit auf eine Expertise der finanzierenden Bank. Selbst wenn ein Großteil der erlangten Schmiergelder insbesondere der W. KG in Luxusumbauten an diesem Haus eingeflossen sind, verbleibt für die Verfallsbeteiligte kein überschießender Wert.
Ob einzelne Einbauten, wie z. B. die Heizungs- und Klimaanlage, noch werterhöhend vorhanden sind, ist unerheblich, wenn der Verkaufswert des Hauses die Belastung durch die Grundschulden nicht übersteigt. Anhaltspunkte für anderweitige Vermögenswerte der Verfallsbeteiligten, die im Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten stehen könnten, zeigt die Revisionsbegründung nicht auf. Solche sind auch nicht ersichtlich. Die Ablehnung der Anordnung des Verfalls wie auch des Verfalls des Wertersatzes (§ 73a StGB) ist deshalb unter dem Gesichtspunkt der Gutgläubigkeit der Verfallsbeteiligten und ihrer wirtschaftlichen Situation von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat insoweit auch auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage entschieden.
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 879
Bearbeiter: Karsten Gaede