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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 222

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 423/05, Urteil v. 09.02.2006, HRRS 2006 Nr. 222


BGH 5 StR 423/05 (alt: 5 StR 254/03) - Urteil vom 9. Februar 2006 (LG Braunschweig)

Untreue (Überweisung auf ein Privatkonto; Nachteil: Befreiung von Provisionsanspruch durch abredewidrige Vollmachtnutzung; schadensgleiche Vermögensgefährdung).

§ 266 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 16. Juni 2005 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen Untreue zu einer - zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 27. August 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben (BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 55). Im zweiten Durchgang hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.

I.

Dem Angeklagten liegt zur Last, durch eine am 8. April 1998 von ihm vorgenommene Überweisung über 300.000 DM vom Geschäftskonto eines von ihm gegründeten Unternehmens auf sein Privatkonto eine Untreue zu Lasten des Unternehmens begangen zu haben. Von diesem Vorwurf hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte der Erfinder der "D-Figuren". Diese wie zweibeinige Nashörner aussehenden Figuren, die sich der Angeklagte als Geschmacksmuster schützen ließ, bildeten den Mittelpunkt von Comicserien. Sie waren auch Gegenstand von Kurzfilmen. Zur Vermarktung der D -Figuren wurde die D -M GmbH gegründet, deren Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der Angeklagte war. Ebenso wurde die D -Me GmbH & Co. F KG (im folgenden: D F KG) gegründet, deren Geschäftsführer der Zeuge Ho war. Die D F KG suchte Investoren, die Gelder für die Produktion von Filmen einbringen sollten. Der Angeklagte schloss im Oktober 1997 einen Vertrag mit dem Geschäftsführer Ho , wonach ihm eine Provision in Höhe von 10 % der von ihm eingeworbenen Gelder für den Fall zugesichert wurde, dass die Gelder bei der D F KG tatsächlich eingezahlt waren.

Dem Angeklagten gelang es mit Hilfe des Zeugen He , den Zeugen C als Anleger zu interessieren. Dieser investierte aus eigenem Vermögen und aus Mitteln der Cr AG insgesamt 3 Mio. DM in die D F KG, wobei dieser Betrag in mehreren Teilbeträgen auch tatsächlich eingebracht wurde. C erhielt zudem eine Beteiligung an der D -M GmbH in Höhe von 3 %, der Zeuge He eine solche von 0,5 %, mit der dessen Vermittlungsbemühungen belohnt werden sollten.

Noch bevor der gesamte Betrag auf dem Konto der D F KG gutgeschrieben war, überwies der Angeklagte, der bevollmächtigt war, über die Konten der D F KG zu verfügen, 300.000 DM auf sein Privatkonto, wobei er als Verwendungszweck auf dem Überweisungsträger: "Provision" angab. Nach einer mündlichen Abrede mit Ho durfte er allerdings nur in Eilfällen von seiner Vollmacht Gebrauch machen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

1. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Angeklagte seine Vertretungsmacht durch die von ihm vorgenommene Überweisung missbraucht hat. Deshalb muss der Senat auch nicht entscheiden, ob das Landgericht zutreffend einen die Vertretungsmacht des Angeklagten begründenden Eilfall nicht auszuschließen vermochte und insoweit innerhalb der Beweiswürdigung dem Einlassungsverhalten des Angeklagten hierzu die notwendige Beachtung eingeräumt hat.

2. Das landgerichtliche Urteil hält rechtlicher Überprüfung jedenfalls deshalb stand, weil das Landgericht das Vorliegen eines Nachteils im Sinne des § 266 StGB rechtsfehlerfrei verneint hat. Es hat insoweit zutreffend eine Gesamtsaldierung mit dem Provisionsanspruch des Angeklagten vorgenommen. Die Angriffe der Revision der Staatsanwaltschaft hiergegen bleiben ohne Erfolg.

a) Ohne Rechtsverstoß ist das Landgericht von der Wirksamkeit der Provisionsabrede ausgegangen. Das Bestehen eines Provisionsanspruches führt dazu, dass die Überweisung - unabhängig davon, ob der Angeklagte sie hätte vornehmen dürfen - keinen Nachteil im Sinne des § 266 StGB begründen konnte. Mit der Erfüllung der aus der Provisionsabsprache entstandenen Verbindlichkeit ist nämlich durch die Tathandlung ein im Wege einer vorzunehmenden Gesamtsaldierung anzusetzender gleichwertiger Vermögenszuwachs dadurch entstanden, dass die D F KG von einer entsprechenden Verbindlichkeit befreit wurde (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 55). Mit der Zahlung ist der Provisionsanspruch des Angeklagten erfüllt. Ob die Provision zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlt werden dürfen, ist für die strafrechtliche Betrachtung ohne Belang, weil durch die vorfristige Überweisung jedenfalls kein Nachteil im Sinne des § 266 StGB entstanden ist.

Das Landgericht trifft allerdings weder genaue Feststellungen zu den Einzahlungen noch zu dem genauen Wortlaut der Provisionsklausel. Dieser Darstellungsmangel nötigt jedoch nicht zu einer Aufhebung des landgerichtlichen Urteils. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich noch mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass die eigenmächtige Überweisung durch den Angeklagten zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als ein Vertrag über die Einlageleistung bereits geschlossen und dem Zeugen He für seine Vermittlungsleistung bereits eine Beteiligung an der D - M eingeräumt war. Zu diesem Zeitpunkt war bereits auch eine Anzahlung erfolgt. Hinsichtlich der Folgezahlungen lässt sich dem Urteil entnehmen, dass diese bis Frühsommer vollständig erbracht wurden.

Selbst wenn man die Daten als richtig unterstellt, die mit der Revisionsbegründung von der Staatsanwaltschaft - ohne freilich eine formgerechte Verfahrensrüge erhoben zu haben - vorgetragen wurden, ergäbe sich nichts anderes. Danach erfolgten nach der Anzahlung vom März 1998 erst am 24. April 1998 sowie am 5. Juni 1998 weitere Teilzahlungen in Höhe von etwa 1,2 Mio. DM und 500.000 DM. Die Provision sollte allerdings - nach der von der Staatsanwaltschaft im Wortlaut mitgeteilten Provisionsvereinbarung - erst dann als ganz verdient gelten, wenn das Beteiligungskapital auch vollständig einbezahlt war. Ob diese vertragliche Regelung sich auf den Zeitpunkt der Entstehung der Provisionsforderung oder den ihrer Fälligkeit bezieht, kann offen bleiben. Zum Zeitpunkt der Überweisung bestand jedenfalls ein gesicherter vertraglicher Anspruch, der die Leistung der Einlage absicherte.

Deshalb begründete die vorfristig erfolgte Provisionszahlung hier - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - keinen Nachteil, weil aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen, den Vermögensverhältnissen der Einlegenden sowie der bereits eingeräumten Beteiligung zugunsten des Zeugen die Leistung der Provision gesichert erschien. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung durch die teilweise vorfristig erfolgte Erfüllung des Provisionsanspruchs lag bei der wirtschaftlichen Situation der Beteiligten ersichtlich nicht vor, zumal die vertraglich versprochenen Beträge innerhalb der nächsten Wochen tatsächlich eingezahlt wurden.

b) Das Landgericht hat in den Vereinbarungen mit C keinen konkludenten Verzicht des Angeklagten auf den ihm zustehenden Provisionserlös gesehen. Die vom Landgericht gefundene Auslegung der in diesem Zusammenhang relevanten Willenserklärungen hält sich im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens (vgl. BGH NJW 2004, 2248, 2250 insoweit in BGHSt 49, 147 nicht abgedruckt). Das Landgericht konnte sich für die Begründung des Ergebnisses darauf stützen, dass schon in dem Prospekt für die Kapitaleinwerbung Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung vorgesehen waren. Weiterhin hat das Landgericht - gestützt auf die Aussagen der beteiligten Zeugen - festgestellt, dass entsprechende Provisionsansprüche bei derartigen Geschäften üblich sind und die Abrede der Provision auch ihrer Höhe nach sachgerecht gewesen sei. Die Üblichkeit solcher Provisionen wird schließlich noch dadurch belegt, dass der Zeuge He als Provision eine Beteiligung an der D -M GmbH erhalten hat.

3. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hatte das Landgericht nicht zu prüfen, ob das Verhalten des Angeklagten einen Betrug gemäß § 263 StGB zu Lasten der Anleger darstellen könnte. Abgesehen davon, dass im Hinblick auf die Angaben in dem Werbeprospekt oder die Angaben des Zeugen C kaum Anhaltspunkte für eine Täuschung über die ungekürzte Verwendung der eingeworbenen Gelder bestanden, war dem Landgericht eine Einbeziehung dieses Tatvorwurfs schon deshalb verschlossen, weil eine Betrugshandlung zu Lasten des Zeugen C eine andere prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO darstellen würde.

Beide Taten lagen zeitlich über etliche Wochen auseinander, die jeweiligen Tathandlungen und die Person des Geschädigten unterscheiden sich. Selbst wenn erst durch die Einwerbung das Kapital für die eigenmächtige Überweisung des Angeklagten erbracht worden sein sollte, liegt im Hinblick auf diese beiden selbständigen Handlungen keine einheitliche prozessuale Tat vor.

Beide Tathandlungen sind nicht so eng miteinander verbunden, dass sie sich bei natürlicher Betrachtung als einheitlicher Lebensvorgang darstellen würden (vgl. BGH NJW 2003, 2924, 2926).

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 222

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2006, 175; StV 2006, 311

Bearbeiter: Karsten Gaede