HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 406
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 469/04, Beschluss v. 15.03.2005, HRRS 2005 Nr. 406
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 21. Juli 2004 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) im Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen, soweit die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung in 90 Fällen verurteilt worden sind sowie
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 7. Dezember 2004 ausgeführt:
"Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung in 90 Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen sowie wegen Betruges in 48 Fällen verurteilt, die Angeklagte F zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, den Angeklagten M unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.
Gegen diese Verurteilung richten sich die Revisionen der Angeklagten, das Rechtsmittel der Angeklagten F mit der ausgeführten, das des Angeklagten M mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge.
Die Revisionen der Angeklagten müssen in dem aus dem Tenor des Antrags ersichtlichen Umfang Erfolg haben, da die angefochtene Entscheidung insoweit an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leidet. Die weitergehenden Rechtsmittel sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung regelmäßig nicht aus, daß die das Blankett ausfüllende steuerrechtliche Norm bezeichnet und die Summe der verkürzten Steuern in den Urteilsgründen mitgeteilt wird. Vielmehr muß der Tatrichter für jede Steuerart und jeden Besteuerungszeitraum unter Schuldgesichtspunkten so klare Feststellungen treffen, daß sowohl die dem Schuldspruch zugrunde liegenden steuerrechtlichen Gesichtspunkte als auch die Berechnung der verkürzten Steuern der Höhe nach erkennbar werden (siehe dazu nur BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 2 bis 8, jeweils m.w.N.). Zwar bedarf es einer ins Einzelne gehenden Berechnung dann nicht, wenn der Angeklagte aufgrund eigener Sachkunde die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen einräumt. Dies entbindet den Tatrichter allerdings auch nicht von der Aufgabe, genaue Feststellungen dazu zu treffen, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der einzelnen Abgabearten zu der eingeräumten Steuerverkürzung im Einzelnen geführt hat (Senat in StV 1996, 376 m.w.N.).
Danach begegnen die Schuldsprüche wegen Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Lohnsteuerhinterziehung durchgreifenden rechtlichen Bedenken, obwohl der Angeklagte M die Anklagevorwürfe mit Einschränkungen eingeräumt und die Angeklagte F jedenfalls hinsichtlich des Zeitraums ab 1999 ein Geständnis im Sinne der vom Landgericht getroffenen Feststellungen abgelegt hat. Für die Strafkammer ergibt sich ausweislich der Gründe der angefochtenen Entscheidung die Schadenshöhe aus den 'zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Unterlagen', deren Inhalt durch die glaubhaften Bekundungen einer Steuerbeamtin bestätigt worden seien (UA S. 32 Mitte).
Die Berechnung der verkürzten Einkommensteuer beruht danach auf den Bekundungen der zuständigen Finanzbeamtin, die auf die bei der Akte befindlichen Probeberechnungen für die Jahre 1994 bis 1997 Bezug genommen und diese bestätigt habe (UA S. 34). Die Darstellung der Berechnung wird ergänzt durch eine Tabelle, in der monatlich die sogenannten Mehrlohnzahlungen, der Lohnsteuersatz, die Mehrlohnsteuer sowie der Mehrlohnsolidaritätszuschlag ausgewiesen werden (UA S. 10/11). Eine tabellarische Übersicht zur hinterzogenen Umsatzsteuer findet sich auf UA S. 7/8, in der die Abgabezeitpunkte für die jeweilige Steuererklärung, die Höhe der Vorsteuern laut Veranlagung sowie laut Prüfung und der verkürzte Umsatzsteuerbetrag ausgewiesen sind.
Die Revision beanstandet zu Recht, daß diese Darstellung eine Überprüfung auf Rechtsfehler in mehrfacher Hinsicht nicht zuläßt. Hinsichtlich der Lohnsteuerhinterziehung wird lediglich ein Differenzbetrag mitgeteilt, der nicht erkennen läßt, wie das Landgericht zu den von ihm festgestellten Lohnsteuerbeträgen gekommen ist. Ferner wird nicht erkennbar, welchen Betragsanteil aus den sogenannten Abdeckrechnungen die Angeklagten selbst behalten und welchen Teil sie als sogenannten Schwarzlohn in welcher Aufteilung ausgezahlt haben. So ist auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Landgericht für die Berechnung der Lohnsteuer den Bruttoeingangssteuersatz der Einkommensteuertabelle zugrunde gelegt hat (UA S. 34 Mitte), die Berechnungsdarstellung nicht hinreichend nachvollziehbar und ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen.
Auch hinsichtlich der vom Landgericht angenommenen verdeckten Gewinnausschüttung (UA S. 14) wird die steuerliche Veranlagung nicht hinreichend erkennbar. Die Beschwerdeführerin F wendet zutreffend ein, die erforderliche Differenzberechnung lasse sich nur durchführen, wenn eine überprüfbare Veranlagung unter Berücksichtigung des Mehrergebnisses durchgeführt worden sei. Dies ergibt sich nicht aus den Urteilsgründen. Die Urteilsgründe lassen vielmehr besorgen, daß das Landgericht entgegen seiner Verpflichtung gerade nicht selbst Feststellungen zur steuerlichen Veranlagung getroffen und auch keine eigenen Berechnungen durchgeführt hat, sondern sich lediglich auf die entsprechenden Berichte und Aussagen der eingesetzten Finanzbeamten gestützt hat. Dies wird den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung indessen nicht gerecht.
Hinsichtlich der Einkommensteuerhinterziehung wird im übrigen zu erwägen sein, ob die festgestellten Zuflüsse überhaupt steuerbare Vermögensmehrungen darstellen, da die Feststellungen im angefochtenen Urteil (vgl. insbesondere UA S. 5 unten) die Möglichkeit offen lassen, daß die Angeklagten den Betrag durch Untreuehandlungen erlangt haben könnten. Derartige Einnahmen würden indessen nicht unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen (Senat in wistra 1993, 109 m.w.N.).
Die Aufhebung der Schuldsprüche in dem bezeichneten Umfang führt zur Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe."
Dem schließt sich der Senat an.
Die knappe Darstellung der nicht-steuerrechtlichen Straftaten ist mit Blick auf die Teilgeständnisse der Angeklagten und das Fehlen konkreter Einwände gegen das insoweit festgestellte Zahlenwerk noch hinnehmbar.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 406
Bearbeiter: Karsten Gaede