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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 647/99, Urteil v. 18.05.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 647/99 - Urteil v. 18. Mai 2000 (LG Essen)

BGHSt 46, 73; Audiovisuelle Vernehmung eines am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhinderten Auslandszeugen; Verlesung eines bereits vorliegenden richterlichen Vernehmungsprotokolls; Erreichbarkeit eines Zeugen; Kommissarische Vernehmung und Anwesenheit der Verteidigung; Mord zur Ermöglichung einer anderen Straftat (Versicherungsbetrug).

§ 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO; § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO; § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO; § 211 Abs. 2 StGB

Leitsätze

1. Die audiovisuelle Vernehmung eines am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhinderten Auslandszeugen ist dann nicht erforderlich, wenn von ihr keine weiter gehende oder bessere Sachaufklärung zu erwarten ist als durch das Verlesen eines bereits vorliegenden richterlichen Vernehmungsprotokolls. (BGHSt)

2. Die nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu beantwortende Frage, ob dem Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung ein nicht zu beseitigendes Hindernis entgegensteht - und deshalb die Verlesung von richterlichen Vernehmungsprotokollen zulässig ist -, deckt sich jedoch nicht mit der Frage nach seiner Erreichbarkeit. (Bearbeiter)

3. Das Gericht ist nicht verpflichtet darzulegen, warum seiner Meinung nach die Aufklärungspflicht eine audiovisuelle Vernehmung nicht gebietet; eine solche Pflicht zur Darlegung von Verfahrensvorgängen ist der Strafprozeßordnung auch sonst fremd (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 272 a. E.). (Bearbeiter)

4. Das Gericht darf der verlesenen Niederschrift einer kommissarischen Vernehmung einen erheblichen Beweiswert beimessen, wenn ein Verteidiger anwesend war, der sein Fragerecht ausgeübt hat.

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 17. Mai 1999 wird verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Brandstiftung sowie wegen Betruges zu "lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe" verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

I. Nach den Feststellungen faßte der Angeklagte den Entschluß, seine Ehefrau Elke W. durch einen von ihm "gedungenen Mörder" töten und anschließend den nur von ihnen bewohnten, gemieteten Bungalow anzünden zu lassen. In seiner Frau sah er ein Hindernis für ein gemeinsames Leben mit der damals 19 Jahre alten tschechischen Prostituierten Jana S.; auch "war es ihm um die Leistungen aus drei Lebensversicherungen zu tun, die zu seinem Vorteil auf die Person seiner Frau als Versicherungsnehmerin genommen waren". Mit der Inbrandsetzung erstrebte er Leistungen aus einer von ihm abgeschlossenen Hausrat-Feuerversicherung. Der ihm von Jana S. vermittelte Zdenek P. lauerte Elke W. - dem gemeinsamen Tatplan entsprechend - in der Nacht zum 4. Februar 1998 in dem Bungalow auf und griff sein - wie von beiden erwartet - ahnungslos von der Arbeit heimkehrendes Opfer sofort in Tötungsabsicht an. Nachdem er es erwürgt hatte, legte er mittels eines vom Angeklagten bereitgestellten Brandbeschleunigers Feuer, das sich rasch ausbreitete und wesentliche Gebäudeteile erfaßte. Auf den kurz nach der Tat den beteiligten Versicherungsgesellschaften angezeigten Eintritt der Versicherungsfälle erbrachte nur die Feuerversicherung eine Abschlagszahlung.

II. Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch.

1. Ohne Erfolg rügt die Revision, die Niederschrift über die im Wege der Rechtshilfe durchgeführte Vernehmung des in der Tschechischen Republik wegen des Tatgeschehens in Untersuchungshaft befindlichen Zeugen P. sei unter Verstoß gegen § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen worden. Sie meint, das Landgericht habe den Zeugen nicht "als für eine Vernehmung in der Hauptverhandlung unerreichbar" ansehen dürfen, weil seine audiovisuelle Vernehmung (§ 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO) hätte durchgeführt werden können.

a) Der Rüge liegt folgendes Prozeßgeschehen zugrunde:

Vor Beginn der Hauptverhandlung hatte "die zuständige Bezirksstaatsanwaltschat" die Anfrage des Vorsitzenden des Schwurgerichts, ob Zdenek P. - "als Zeuge unter Zusicherung freien Geleits" - vorübergehend in die Bundesrepublik Deutschland überstellt werden könnte, abgelehnt. Auf das an das Bezirksgericht in Litomerice (oder die zuständige Behörde) gerichtete Ersuchen des Vorsitzenden um richterliche Vernehmung des Zeugen im Wege der Rechtshilfe vernahm eine tschechische Staatsanwältin P. in Anwesenheit der Verteidigerin des Angeklagten. In der Hauptverhandlung beschloß das Landgericht die Verlesung des Protokolls "nach § 251 Abs. 1 StPO ..., weil sich der Zeuge in der Tschechischen Republik in Untersuchungshaft befindet und die tschechischen Behörden seine Überstellung in die Bundesrepublik ablehnen"; diesen Beschluß führte es sodann gegen den Widerspruch der Verteidigerin aus. Deren Antrag, die Tschechische Republik zu ersuchen, P. vorübergehend in die Bundesrepublik zu überstellen und ihn "dann hier zu vernehmen", lehnte das Landgericht - ohne die Frage einer Videovernehmung zu erörtern - wegen Unerreichbarkeit ab.

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, mit P. die Tötung seiner Ehefrau - nicht aber die Brandstiftung - verabredet zu haben. Er habe den Tatplan jedoch alsbald aufgegeben und dies P gesagt; dieser habe die Tat gleichwohl eigenmächtig begangen, um ihn zu erpressen. Zur Widerlegung der von den Feststellungen abweichenden Angaben des Angeklagten hat das Landgericht auch die verlesene Aussage des Zeugen P verwertet.

b) Nach dem in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Verständnis des vom Landgericht ersichtlich herangezogenen § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO lagen die Voraussetzungen für die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung P.s durch die tschechische Staatsanwältin - insoweit erhebt die Revision keine Beanstandung (vgl. BGH GA 1976, 218; BGH bei Holtz MDR 1984, 444; NStZ 1985, 376; s. auch Diemer in KK 4. Aufl. § 251 Rdn. 18) - vor, da dem Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung für eine ungewisse Zeit ein nicht zu beseitigendes Hindernis entgegenstand: Die - mit dem Sachverhalt vertraute - tschechische Staatsanwaltschaft hatte die vorübergehende Überstellung P.s mit der Begründung abgelehnt, seine Anwesenheit in der Tschechischen Republik sei wegen des dort gegen ihn anhängigen Strafverfahrens unerläßlich. Da Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen (EuRHÜbk), dessen Vertragspartei die Tschechische Republik seit dem 1. Januar 1993 ist (BGBl. II 1993, 239), dem ersuchten Staat eine solche Möglichkeit einräumt, führte diese Erklärung - auch für den Zeitpunkt der Verlesung - den Hinderungsgrund des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO herbei (vgl. BGH StV 1982, 153, 154; BGH bei Pfeiffer NStZ 1982, 189 f.; BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 592/91; Diemer aaO § 251 Rdn. 6; s. auch BGH NJW 1983, 527, 528).

c) An dieser Auslegung des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO hat sich nach der Einfügung des § 247 a StPO durch das noch vor Beginn der Hauptverhandlung - am 1. Dezember 1998 - in Kraft getretene Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 (BGBl. I 820) nichts geändert. Zwar verweist § 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO für die Anordnung einer Videovernehmung u.a. auf die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es aber für die Zulässigkeit einer auf diese Vorschrift gestützten Verlesung nicht auf die Frage an, ob der Zeuge in der Hauptverhandlung nach § 247 a StPO - hier grenzüberschreitend im Wege der Rechtshilfe (vgl. BGH NJW 1999, 3788, 3789 mit Anm. Duttge NStZ 2000, 158, Rose JR 2000, 77, Schlothauer StV 2000, 180 und Vassilaki JZ 2000, 474; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 247 a Rdn. 6, 9; Rieß StraFo 1999, 1, 6) - mittels zeitgleicher Bild- und Tonübertragung vernommen werden kann; denn die Verlesung einer richterlichen Vernehmungsniederschrift ist gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO schon dann zulässig, wenn der körperlichen Anwesenheit des Zeugen, der an sich in der Hauptverhandlung vernommen werden könnte, eines der in der Gesetzesbestimmung genannten Hindernisse entgegensteht (vgl. Diemer aaO § 251 Rdn. 5; § 247 a Rdn. 13).

aa) Das Zeugenschutzgesetz hat den Wortlaut des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht geändert. Die Materialien zu § 247 a StPO belegen, daß der Gesetzgeber durch die Einführung der Videovernehmung die Annahme eines "Hindernisses" für das Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO nicht in Frage stellen wollte; vielmehr sollte gerade dann, wenn die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO vorliegen - und die Verlesung des (richterlichen) Vernehmungsprotokolls zur Erforschung der Wahrheit nicht ausreicht -, durch das Gesetz die Möglichkeit geschaffen werden, einen Zeugen "über größere Entfernungen hinweg unter Einsatz der Videotechnologie" zu vernehmen (Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9063 S. 4).

bb) Zwar ist eine Zeugenvernehmung nach § 247 a StPO Teil der Hauptverhandlung (BGH NJW 1999, 3788, 3789; s. auch Rieß NJW 1998, 3240, 3242); deren Zulässigkeit beseitigt aber - entgegen der Auffassung der Revision - nicht das Hindernis für ein "Erscheinen des Zeugen" im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Das Gegenteil folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften: § 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO verweist u.a. auf die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Wäre die Durchführung einer danach möglichen Videovernehmung als Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung zu werten, so könnte das nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO erforderliche dem entgegenstehende Hindernis - im Zeitpunkt der Ausführung des Anordnungsbeschlusses nach § 247 a StPO (s. hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 247 a Rdn. 13, § 251 Rdn. 17, 82) - niemals vorliegen. Die Verweisung in § 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO ginge damit ins Leere. Ein Sinn wird ihr nur dann beigelegt, wenn der mit einer Videovernehmung verbundene Verzicht auf die körperliche Anwesenheit des Zeugen bedeutet, daß dieser - im Sinne des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO - nicht in der Hauptverhandlung "erscheint", er aber bei Vorliegen eines nicht zu beseitigenden Hindernisses im Wege einer Bild- und Tonübertragung vernommen werden kann (vgl. Gollwitzer aaO § 247 a Rdn. 12; Rieß StraFo 1999, 1, 6). Von einem solchen Verständnis des § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO geht auch der Hinweis auf die Aufklärungspflicht in § 247 a Satz 1 Halbs. 2 a. E. StPO aus; nach diesem Maßstab ist nämlich im Einzelfall über die "Konkurrenz" zwischen Protokollverlesung und Videovernehmung zu entscheiden (s. unten 2.).

cc) Für diese Auslegung der §§ 247 a Satz 1 Halbs. 2, 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO spricht auch der Zweck der Vorschriften: § 251 StPO dient der Wahrheitsfindung sowie der Erleichterung und Beschleunigung des Verfahrens (BGHSt 10, 186, 189; 26, 18, 20). Bei § 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO kann im Einzelfall der Zeugenschutz hinzutreten; im Halbsatz 1 der Norm steht die Rücksichtnahme auf - aus unterschiedlichen Gründen (Diemer aaO § 247 a Rdn. 2) - besonders schutzbedürftige Zeugen im Vordergrund (vgl. BT-Drucks. 13/7165 S. 4, 9; 13/9063 S. 4 f.). Diesen Zielsetzungen würde es widersprechen, wenn die Möglichkeit einer Videovernehmung eine kommissarische Vernehmung gemäß § 223 Abs. 1 StPO und eine Verlesung der Niederschrift nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO ausschließen würde; denn auch eine solche Vorgehensweise kann den Interessen schutzbedürftiger Zeugen dienen (vgl. OLG Saarbrücken NJW 1974, 1959, 1960; Laubenthal JZ 1996, 335, 342 m.w.N. [kindlicher Opferzeuge]; s. ferner BGHSt 32, 115, 126 f.; Kleinknecht/MeyerGoßner aaO § 223 Rdn. 6 [gefährdeter Zeuge]) und die Ermittlung der Wahrheit in angemessener Weise fördern.

dd) Das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 15. September 1999 (NJW 1999, 3788) steht dem nicht entgegen. Dort war gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO über die Erreichbarkeit eines Auslandszeugen zu befinden, die der 1. Strafsenat für den Fall einer möglichen Vernehmung mittels zeitgleicher Bild- und Tonübertragung bejaht hat. Dem tritt der erkennende Senat nicht entgegen. Die nach § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO zu beantwortende Frage, ob dem Erscheinen des Zeugen in der Hauptverhandlung ein nicht zu beseitigendes Hindernis entgegensteht - und deshalb die Verlesung von richterlichen Vernehmungsprotokollen zulässig ist -, deckt sich jedoch nicht mit der Frage nach seiner Erreichbarkeit (vgl. nur BGHSt 9, 297, 300; 17, 337, 347, 349; 32,68, 73 f. = JR 1984, 514 mit insoweit zust. Anm. Schlüchter S. 520 f.; so auch Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, Diss. 1998, S. 176 m.w.N.).

Anders als im Fall der Ablehnung der Vernehmung eines Zeugen mit der Folge, daß - wie in dem vom 1. Strafsenat entschiedenen Fall - überhaupt keine Aussage des Zeugen vorlag, obwohl die Möglichkeit einer audiovisuellen Vernehmung nach § 247 a StPO bestand, bedarf es keiner Darlegung des Gerichts, weswegen es sich mit der Verlesung nach § 251 StPO begnügt. Meint ein Verfahrensbeteiligter, die Verlesung reiche nicht aus, kann er einen entsprechenden Beweisantrag stellen. Das Gericht ist aber nicht verpflichtet darzulegen, warum seiner Meinung nach die Aufklärungspflicht eine audiovisuelle Vernehmung nicht gebietet; eine solche Pflicht zur Darlegung von Verfahrensvorgängen ist der Strafprozeßordnung auch sonst fremd (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 272 a. E.; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 267 Rdn. 2). Das Revisionsgericht greift zudem bei Entscheidungen etwa nach § 251 Abs. 1 Nr. 4 StPO auch nur ein, wenn im Einzelfall die Aufklärungspflicht zur persönlichen Vernehmung gedrängt hat, nicht jedoch allein deswegen, weil der Tatrichter die Frage im Beschluß gemäß § 251 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht erörtert hat (vgl. BGHSt 10, 186, 187, 191 f.; OLG Celle StV 1991, 294 f.; Gollwitzer aaO 25. Aufl. § 251 Rdn. 80; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 251 Rdn. 38 m.N.).

2. Soweit in dem Revisionsvorbringen eine Aufklärungsrüge enthalten ist, bleibt diese ebenfalls ohne Erfolg.

a) Das Landgericht hat durch die unterlassene audiovisuelle Einvernahme des Zeugen P. nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen. Die aus § 244 Abs. 2 StPO folgende Pflicht des Gerichts, sich des sachnächsten Beweismittels zu bedienen und dieses Beweismittel in der nach den Gegebenheiten bestmöglichen Form zu verwenden (BVerfGE 57, 250, 277; BGHSt 31, 148, 152; BGH NJW 1984, 65, 66; Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 25), besteht nicht unbegrenzt (BGHSt 32, 115, 123). Hierzu hebt der letzte Satzteil in § 247 a Satz 1 Halbs. 2 StPO hervor, daß die Anordnung der audiovisuellen Vernehmung unter Aufklärungsgesichtspunkten dann nicht erforderlich, ist, wenn von ihr keine weiter gehende oder bessere Sachaufklärung zu erwarten ist als durch das Verlesen eines bereits vorliegenden richterlichen Vernehmungsprotokolls (vgl. BT-Drucks. 13/9063 S. 4; Gollwitzer aaO § 247 a Rdn. 16; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 247 a Rdn. 6; s. auch Schlüchter in SK/StPO § 251 Rdn. 3: auf den abstrakten Wert des Beweismittels kommt es nicht an).

b) Hier sind keine Umstände erkennbar, die das Landgericht nach der Verlesung der kommissarischen Aussage des Zeugen P. zu seiner Videovernehmung hätten drängen müssen. Das gilt zunächst für die von der Revision vorgetragenen Ergänzungen, die der Zeuge O. nach seiner Vernehmung gemacht hat; mehr als eine auf Vermutungen gestützte "Annahme" des Zeugen, der Angeklagte könne erpreßt worden sein, ergeben sich hieraus nicht. Eine erneute Einvernahme O.s hat das Landgericht daher rechtsfehlerfrei abgelehnt. Vor allem ist für die Reichweite der Aufklärungspflicht zu berücksichtigen, daß der Angeklagte teilgeständig war, andere beweiskräftige Umstände für eine Verabredung auch der Brandlegung sowie gegen eine Aufgabe des Vorhabens sprachen und P. in Abrede gestellt hatte, daß sich der gemeinsame Tatplan auf die Ermordung Elke W. s erstreckte; Anhaltspunkte für eine Änderung seines Aussageverhaltens bestanden nicht. Zudem durfte das Landgericht der Niederschrift auch deshalb einen erheblichen Beweiswert beimessen, weil die Verteidigerin bei der kommissarischen Vernehmung anwesend war und ihr Fragerecht ausgeübt hat (vgl. BGH, Urteil vom 31. Juli 1979 - 1 StR 304/79).

c) Aus den gleichen Gründen war das Landgericht auch nicht gehalten, dem Antrag der Verteidigung auf (unmittelbare) Vernehmung des Zeugen P. nachzukommen; denn hierfür gilt ebenfalls der Maßstab des § 244 Abs. 2 StPO (vgl. BGH StV 1991, 2; 1995, 566, 567; JR 2000, 32 mit Anm. Rose). Der nach dem Hauptverhandlungsprotokoll als "Beweisantrag" gestellte Antrag war nämlich - mangels Behauptung einer bestimmten (neuen, vgl. Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 134; § 251 Rdn. 85) Beweistatsache - ein auf Wiederholung einer bereits ordnungsgemäß durchgeführten Beweiserhebung gerichteter Beweisermittlungsantrag (BGHSt 19, 24 f.) bzw. eine Beweisanregung (BGH StV 1992, 548); die vom Schwurgericht gewählte Ablehnungsbegründung ist daher für den Senat nicht bindend (vgl. BGH StV 1996, 581, 582). Auf die Frage, ob der Zeuge tatsächlich - wie das Landgericht annimmt - im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO unerreichbar war oder ob seine Vernehmung "per Videokonferenz" - wie die Revision meint - rechtshilferechtlich und tatsächlich möglich war, kommt es somit nicht an (zur Videovernehmung in der Tschechischen Republik s. im übrigen BGH, Beschluß vom 23. März 2000 - 1 StR 657/99: die Tschechische Republik sieht sich derzeit noch nicht in der Lage, solche Rechtshilfe zu leisten).

3. Die Rüge, das Landgericht habe den Zeugen O. unter Verstoß gegen § 60 Nr. 2 StPO auf seine Aussage vereidigt, hat ebenfalls keinen Erfolg.

a) Zu Recht beanstandet die Revision zwar, daß die Vereidigung des Zeugen O. gegen § 60 Nr. 2 StPO verstieß, weil sich aus der nach Einvernahme des Zeugen angeordneten Verlesung der Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen P. ein - wenn auch nur entfernter - Verdacht der Tatbeteiligung ergab. Das Landgericht hat den Rechtsfehler aber erkannt und die Aussage O. s im Urteil als uneidliche gewertet. Das Schwurgericht war allerdings verpflichtet, den Verfahrensbeteiligten noch in der Hauptverhandlung bekanntzumachen, daß es in dieser Weise verfahren wolle, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich auf die so entstandene neue Beweislage einzustellen und gegebenenfalls weitere Anträge anzubringen (vgl. BGHSt 4, 130, 131 f.; BGH bei Pfeiffer NStZ 1981, 94). Ein solcher Hinweis ist hier, wie das Schweigen des Protokolls beweist (§ 274 StPO; s. BGHSt 4, 130, 132), unterblieben.

b) Auf dem dargelegten Verfahrensfehler kann das Urteil gleichwohl ausnahmsweise (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 725; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 2, 4) nicht beruhen; denn die Verteidigung hat ihre Möglichkeiten in der Tatsacheninstanz auch ohne den Hinweis ausgeschöpft: Das Schwurgericht hat die Aussage O.s zur Feststellung der Tatausführung durch P. und zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten, P. habe seine Frau gegen seinen Willen getötet, um ihn zu erpressen, herangezogen. Die Verteidigerin hat nach Vernehmung des Zeugen O. einen Beweisantrag auf erneute Vernehmung des Zeugen gestellt, einmal um dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, zum anderen aber auch, um ein Motiv für eine Erpressung des Angeklagten durch P. und andere zu belegen. Das Landgericht hat diesen Antrag u. a. mit der Begründung abgelehnt, die Aussage des Zeugen O. sei glaubhaft, nicht etwa, weil sie unter Eid abgegeben worden sei, sondern weil sie durch andere - im Ablehnungsbeschluß im einzelnen genannte - Beweisanzeichen gestützt werde. Weitere Verteidigungsaktivitäten wurden daraufhin nicht ergriffen. Daher ist auszuschließen, daß sich der Angeklagte wirksamer hätte verteidigen können, wenn der Hinweis erteilt worden wäre, daß die Aussage des Zeugen O. als uneidliche gewertet werde.

III. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Schwurgericht zu Recht den beabsichtigten Betrug zum Nachteil der Lebensversicherer als eine "andere Straftat" im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB angesehen (so auch Geilen in FS für Lackner [1987] S. 571, 583; Mitsch JuS 1996, 213, 216; Schlothauer StV 2000, 138, 140 Fn. 14; ähnlich BGH, Urteil vom 12. März 1998 - 1 StR 708/97 [Unterschlagung]). Für diese Auslegung, der der Senat bereits im Urteil vom 12. Februar 1998 (NStZ 1998, 352, 353) zuneigte, spricht der Wortlaut des Gesetzes, der - anders als etwa in §§ 239 a, 239 b, 316 a StGB - keine Beschränkung auf bestimmte, schwere Straftaten enthält. Die Ermöglichungsabsicht umfaßt auch in anderen Tatbeständen den Betrug zum Nachteil einer Versicherung: So verhält es sich bei dem - an § 211 Abs. 2 StGB angelehnten (BGHSt 28, 93, 94 f.) - § 315 Abs. 3 Nr. 1 b StGB (BGH NStZ 1992, 182, 183; 1995, 31; NJW 1999, 3132, 3133) und dem durch das 6. StrRG eingefügten § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB (BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, zum Abdruck in BGHSt bestimmt = NJW 2000, 226; BGH StV 2000, 136, 137; BGH, Beschluß vom 15. März 2000 - 3 StR 597/99; ablehnend Schlothauer StV 2000, 138). Die Einbeziehung des Betruges entspricht zudem dem Strafgrund dieses Mordmerkmals, dem Umstand nämlich, daß die Tötung als Mittel zur Begehung weiteren kriminellen Unrechts dient (s. BGHSt 39, 159, 161; BGH NStZ 1996, 81; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 31); denn die Verwerflichkeit dieser Verknüpfung tritt um so mehr hervor, je weniger schwer die angestrebte Straftat ist.

Externe Fundstellen: BGHSt 46, 73; NJW 2000, 2517; StV 2000, 345

Bearbeiter: Karsten Gaede