Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 599/99, Beschluss v. 18.01.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unzulässig verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 16. Juli 1999
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der schweren räuberischen Erpressung, der versuchten räuberischen Erpressung und der Körperverletzung schuldig ist;
b) mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 20. Februar 1998 (zwei Jahre mit Bewährung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es ihn wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
1. Der Antrag des Angeklagten, ihm "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu gewähren", ist unzulässig, da die Revision mit dem vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juli 1999, mit dem "die Verletzung formellen und materiellen Rechts" gerügt worden ist, ordnungsgemäß begründet wurde. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der mit Schriftsatz vom 19. Oktober 1999 erhobenen Verfahrensrügen, die im übrigen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügen, kommt hier nicht in Betracht. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 30. November 1999 verwiesen.
2. Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde zum Schuldspruch in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe und zu den Gesamtstrafenaussprüchen Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Die Feststellungen rechtfertigen im Fall II 1 der Urteilsgründe nicht die Annahme einer vollendeten Nachteilszufügung gemäß §§ 255, 253 StGB. Zwar kann bereits die erzwungene Ausstellung eines Schuldscheins einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung darstellen. Dies setzt jedoch voraus, daß hierdurch das Vermögen schon konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist (BGHSt 34, 394, 395 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Sicht des Genötigten konkret mit der Inanspruchnahme durch den nach Aushändigung der Erklärung beweisbegünstigten Täter zu rechnen ist (BGH aaO; BGH NStZ-RR 1998, 233). Dafür, daß der Angeklagte die ihm nach den Feststellungen nicht zustehende Forderung von 1.500 DM unter Verwendung des Schuldscheins, zu dessen Unterzeichnung er H. genötigt hatte, gerichtlich durchsetzen wollte, enthält das Urteil aber keine Anhaltspunkte. Vielmehr kam es dem Angeklagten ersichtlich allein darauf an, die unmittelbare Herausgabe von Geld zu erzwingen; denn in der Folgezeit drohte er H. "mehrfach" bei zufälligen Zusammentreffen und forderte von die sein - wiederum ohne Erfolg - am 24. April 1998 (Fall II 3 der Urteilsgründe) erneut die Zahlung von 1.500 DM und schließlich von 500 DM. Der Geschädigte erlitt somit unter den hier gegebenen Umständen durch die erzwungene bloße Ausstellung des Schuldscheins noch keinen wirtschaftlichen Nachteil (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 1999 - 5 StR 207199 - und Beschluß vom 9. November 1999 - 4 StR 492/99), so daß sich das Tatgeschehen im Fall II 1 der Urteilsgründe lediglich als versuchte schwere räuberische Erpressung darstellt.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der - aus den vorgenannten Gründen lediglich versuchten - räuberischen Erpressung im Fall II 1 der Urteilsgründe und der versuchten räuberischen Erpressung im Fall II 3, die das Landge richt als zwei rechtlich selbständige Taten gewertet hat. Beide Vorfälle stellen sich vielmehr nach den Feststellungen als sukzessive Ausführungshandlungen eines einheitlichen Erpressungsversuchs zum Nachteil des H. und damit als eine - eine Tat im Rechtssinne bildende - tatbestandliche Handlungseinheit dar (vgl. BGHSt 41, 368, 369; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Konkurrenzen 4), da der Angeklagte sein Ziel, H. zur Zahlung des geforderten Betrages zu zwingen - ebenso wie im Fall II 2 (schwere räuberische Erpressung zum Nachteil des O. ), in dem er das Tatopfer am 8. März 1998 zur Zahlung zunächst eines Teilbetrages und schließlich etwa drei bis vier Monate später zu einer weiteren Zahlung zwang -bis zum endgültigen Scheitern des Erpressungsversuchs am 24. April 1998 weiterverfolgte.
c) Der Senat hat daher den Schuldspruch in den Fällen II 1 und 3 dahin geändert, daß der Angeklagte insoweit einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, daß sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.
Die Schuldspruchänderung nötigt zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche in den Fällen II 1 und 3 der Urteilsgründe sowie der Gesamtstrafenaussprüche. Die übrigen Einzelstrafen können dagegen bestehen bleiben.
3. Mit Rücksicht darauf, daß die versuchte räuberische Erpressung zum Nachteil H. (Fälle II 1 und 3 der Urteilsgründe) erst nach der Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Essen vom 20. Februar 1998 beendet war, kommt eine Einbeziehung der Strafe aus dieser Verurteilung nach § 55 StGB und die Bildung von zwei Gesamtstrafen nicht in Betracht. Die nunmehr nach der Festsetzung einer neuen Einzelstrafe für die versuchte räuberische Erpressung zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe darf daher drei Jahre und sechs Monate nicht übersteigen (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2000, 234
Bearbeiter: Karsten Gaede