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Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 566/98, Beschluss v. 01.12.1998, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 566/98 - Beschluss vom 1. Dezember 1998 (LG Frankenthal)

Schreckschußwaffe als Waffe oder gefährliches Werkzeug

§ 250 Abs. 2 Nr 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. ist beim Einsatz einer Schreckschußwaffe als Drohmittel nur dann erfüllt, wenn die Waffe geladen war und in einer das Opfer gefährdenden Weise eingesetzt wurde.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 1. Juli 1998, auch soweit es die Mitangeklagten G. und A. betrifft, in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten Z. und Gö. sowie die früheren Mitangeklagten G. und A. wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt, und zwar zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten (Z.) und fünf Jahren (Gö.) sowie zu Jugendstrafen von drei Jahren (G) und - unter Einbeziehung einer anderen Verurteilung - zwei Jahren und sechs Monaten (A).

Die Revisionen der Angeklagten Z. und Gö., mit denen diese die Verletzung sachlichen Rechts rügen, führen - gemäß § 357 StPO auch bezüglich der beiden Mitangeklagten - zur Aufhebung der Strafaussprüche; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Das Landgericht hat die gegen die Angeklagten Z. und Gö erkannten Freiheitsstrafen dem § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung des 6. Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (in Kraft getreten am 1. April 1998) entnommen. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Nach den Urteilsfeststellungen bedrohte der frühere Mitangeklagte G. bei der Begehung der gemeinsamen Tat mit Wissen und Wollen der übrigen Angeklagten bei einem am 9. Januar 1998 durchgeführten Überfall auf einen Einkaufsmarkt eine Angestellte mit seiner Schreckschußpistole "Colt DoubleEagle" Kaliber 9 mm, dabei drückte er der Überfallenen die Waffe gegen die Schläfe. Daß die Schreckschußwaffe bei der Tatausführung geladen war, hat die Jugendkammer nicht festgestellt.

Der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. ist beim Einsatz einer Schreckschußwaffe als Drohmittel nur dann erfüllt, wenn die Waffe geladen war und in einer das Opfer gefährdenden Weise eingesetzt wurde (vgl. BGH StV 1998, 422, 485 und 487 NStZ 1998, 567, 568). Ist dies - wie hier - nicht festgestellt, so ist § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. anzuwenden. Diese Vorschrift stellt gegenüber dem zur Tatzeit geltenden Recht wegen der geringeren Mindeststrafe von drei Jahren das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB dar.

Da die Jugendkammer bei dem Angeklagten Gö. "die Mindeststrafe von 5 Jahren" (UA 14) und bei dem Angeklagten Z. eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich des zu Unrecht angenommenen Strafrahmens für tat- und schuldangemessen gehalten hat-, kann - worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 13. Oktober 1998 hingewiesen hat - nicht sicher ausgeschlossen werden, daß sie bei Anwendung von § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F. geringere Strafen verhängt hätte.

II.

Der Senat hebt gemäß § 357 StPO auch die Strafaussprüche gegen die früheren Mitangeklagten auf, die keine Revision eingelegt (G.) bzw. diese zurückgenommen (A.) haben.

Zwar ist das Landgericht bei der Bemessung von Jugendstrafen nicht an die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gebunden (§ 18 Abs. 1 Satz 3 JGG). Es darf aber die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafdrohungen des allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck gefunden hat, nicht gänzlich außer Betracht lassen (BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafhöhe 1 § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 3 m.w.N.). Obwohl sich die Jugendkammer bei der Bemessung der gegen die früheren Mitangeklagten G. und A. erkannten Strafen zutreffend in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten orientiert hat, vermag der Senat nicht sicher auszuschließen, daß sie mildere Strafen verhängt hätte, wenn sie bei der Strafbemessung die Strafdrohung des § 250 Abs. 1 StGB n.F. im Blick gehabt hätte.

III.

Die Sache muß daher hinsichtlich aller Strafaussprüche neu verhandelt und entschieden werden.

Bearbeiter: Ulf Buermeyer