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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 198/98, Beschluss v. 27.08.1998, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 198/98 - Urteil 27. August 1998 (LG Bochum)

BGHSt 44, 186; keine Falschbeurkundung im Amt bei wahrheitswidriger Angabe des Beurkundungsortes in der Urkunde durch einen Notar; keine Amtsanmaßung des Notars, der außerhalb seines Amtsbezirkes Beurkundungen vornimmt.

§ 132 StGB; § 348 StGB

Leitsatz

Ein Notar macht sich weder der Falschbeurkundung im Amt noch der Amtsanmaßung schuldig, wenn er außerhalb seines Amtsbezirks eine Beurkundung vornimmt und dabei wahrheitswidrig angibt, dies sei am Ort seines Amtssitzes geschehen. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bochum - Strafkammer Recklinghausen - vom 16. Dezember 1997 wird verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betruges in zwei Fällen aus tatsächlichen und vom Vorwurf der Falschbeurkundung im Amt in zwei Fällen aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die auf den Freispruch vom Vorwurf der Falschbeurkundung im Amt beschränkte, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte bis zu seiner Amtsenthebung im Jahre 1992 für den Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm unter Zuweisung des Amtssitzes in R. zum Notar bestellt. Am 4. Februar 1990 und am 27. April 1991 beurkundete er in Köln zwei Grundstückskaufverträge, wobei er jeweils wahrheitswidrig in die Urkunde aufnahm, die Verträge seien in R. geschlossen worden.

2. Der mit der Revision beanstandete Freispruch hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Zu Recht hat die Strafkammer den Angeklagten - wie auch der Generalbundesanwalt meint - nicht der Falschbeurkundung im Amt gemäß § 348 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen.

Als Notar war der Angeklagte zwar ein zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugter Amtsträger (§ 1 BeurkG, § 1 BNotO). Die Beurkundung der beiden in Rede stehenden Grundstückskaufverträge nahm er auch - ungeachtet dessen, daß er außerhalb seines Amtsbezirks und damit unter Verstoß gegen § 11 Abs. 2 BNotO tätig wurde - innerhalb seiner Zuständigkeit im Sinne des § 348 StGB vor: Die Gültigkeit einer Beurkundung ist von der Einhaltung des Amtsbezirks nicht abhängig (§ 2 BeurkG, § 11 Abs. 3 BNotO). Die Fähigkeit des Notars, Urkunden mit öffentlichem Glauben aufzunehmen, erstreckt sich auf das gesamte Geltungsgebiet der Bundesnotarordnung (Seybold/Schippel BNotO 6. Aufl. § 11 Rdn. 4).

Mit der Aufnahme eines unzutreffenden Beurkundungsorts in die von ihm beurkundeten Kaufverträge hat der Angeklagte aber nicht, wie von § 348 StGB weiter vorausgesetzt, eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet. Allerdings ist ein notarieller Kaufvertrag eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO. Nicht jede Angabe in einer solchen Urkunde kann aber Gegenstand einer Straftat nach § 348 StGB sein. Falsch beurkundet im Sinne dieser Vorschrift sind nur diejenigen rechtlich erheblichen Erklärungen, Verhandlungen oder Tatsachen, auf die sich der öffentliche Glaube der Urkunde, d.h. die "volle Beweiswirkung für und gegen jedermann", erstreckt (BGHSt 22, 201, 203).

Welche Angaben im einzelnen diese Voraussetzung erfüllen, ergibt sich in erster Linie aus den gesetzlichen Bestimmungen, die für Errichtung und Zweck der öffentlichen Urkunde maßgeblich sind. Dabei sind auch die Anschauungen des Rechtsverkehrs zu beachten (BGHSt aaO). Die Beurkundung einer Tatsache, die weder nach dem Gesetz noch nach einer anderen Vorschrift (zwingend) angegeben zu werden braucht und deren unwahre Kundgabe die Wirksamkeit der Beurkundung nicht berührt, kann grundsätzlich nicht als die Beurkundung einer rechtlich erheblichen Tatsache angesehen werden (BGHSt 22, 32, 33, 35).

Daran gemessen handelt der Notar bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags etwa dann tatbestandsmäßig, wenn die von ihm aufgenommene Urkunde in Bezug auf seine Anwesenheit (BGHSt 26, 47), die Anwesenheit anderer Beteiligter oder auf den Inhalt der abgegebenen Erklärungen unzutreffende Angaben enthält. Auf die zutreffende Mitteilung des Beurkundungsorts erstreckt sich der Schutz öffentlicher Urkunden durch § 348 StGB hingegen nicht. Anders als die Bezeichnung des Notars und der Beteiligten sowie die Erklärungen der Beteiligten, die nach § 9 Abs. 1 BeurkG in der Niederschrift enthalten sein müssen, ist die Angabe des Beurkundungsorts nämlich nicht zwingend vorgeschrieben. Nach § 9 Abs. 2 BeurkG "soll" die Niederschrift zwar Ort und Tag der Verhandlung angeben. Da es sich lediglich um eine Sollvorschrift handelt, berühren fehlende oder unrichtige Angaben über Ort und Tag der Verhandlung die Qualität der Niederschrift als öffentliche Urkunde aber nicht (Huhn/von Schuckmann BeurkG 3. Aufl. § 9 Rdn. 44).

Auch die Berücksichtigung der Verkehrsanschauungen legt keine andere Beurteilung nahe. Bei der Prüfung, ob es gerechtfertigt ist, die erhöhte Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde auf eine darin aufgeführte Tatsache zu beziehen, muß ein strenger Maßstab angelegt werden. Eine Beweiswirkung für und gegen jedermann kann nur dann angenommen werden, wenn kein Zweifel besteht, daß dies unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht (BGHSt 22, 201, 203). Davon kann hinsichtlich des Beurkundungsorts schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil er für die Beweiskraft der Urkunde und für den Nachweis der sich aus ihr ergebenden Rechte und Pflichten regelmäßig ohne Bedeutung ist.

Soweit der Senat in dem Beschluß vom 14. August 1986 - 4 StR 400/86 (BGHR StGB § 348 Abs. 1 Notar 1) - beiläufig geäußert hat, daß durch einen notariellen Grundstückskaufvertrag bewiesen werde, "daß zu der in der Urkunde angegebenen Zeit, am bezeichneten Ort, vor der genannten Urkundsperson Erklärungen des niedergelegten Inhalts abgegeben worden sind," folgt daraus nicht, daß er bei falscher Ortsangabe ohne weiteres eine Strafbarkeit gemäß § 348 StGB bejahen wollte.

b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hat der Angeklagte durch die beiden Auswärtsbeurkundungen auch keine Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB begangen:

Allerdings hat sich der Angeklagte durch die Beurkundung der Grundstückskaufverträge mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt (vgl. § 1 BNotO; Cramer in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 132 Rdn. 4). Als von der Landesjustizverwaltung bestellter Notar hat er dies aber nicht unbefugt im Sinne des § 132 StGB getan. Zwar kann auch ein sachlich zuständiger Amtsträger Täter einer Amtsanmaßung sein, wenn er seine örtliche Zuständigkeit überschreitet (BGHSt 37, 207, 211; a.A. Düring, Amtsanmaßung und Mißbrauch von Titeln 1990, S. 80). Auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Angeklagte aber keine tatbestandsmäßige Amtsanmaßung begangen: Wie dargestellt, erstreckt sich die Fähigkeit des Notars, Urkunden mit öffentlichem Glauben aufzunehmen, ungeachtet der sich aus den §§ 10a und 11 BNotO ergebenden räumlichen Beschränkungen auf das gesamte Bundesgebiet. Die Begrenzung der Urkundstätigkeit auf den Amtsbereich und Amtsbezirk durch die genannten Vorschriften, die eine Folge der am örtlichen Bedürfnis orientierten Streuung der Notarstellen ist (Seybold/Schippel aaO § 10a Rdn. 2) und eine gleichmäßige Auslastung der Notariate bezweckt, ist rein dienstrechtlicher Natur. Ein Verstoß kann disziplinarrechtlich geahndet werden. Für das Verhältnis des Notars zu den Beteiligten des beurkundeten Vorgangs und für die Wirksamkeit der Urkunde ist er ohne Belang.

Externe Fundstellen: BGHSt 44, 186; NJW 1998, 3790; NStZ 1998, 620

Bearbeiter: Rocco Beck