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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 170/95, Beschluss v. 19.12.1995, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 170/95 - Beschluss vom 19. Dezember 1995 (OLG Köln)

BGHSt 41, 376; Verweis auf Abbildungen in den Urteilsgründen (hier: Beweisfoto aus Verkehrsüberwachung); notwendige Ausführungen des Tatrichters zur Qualität des Beweisfotos und der Merkmale auf Grund derer er die Überzeugung von der Identität des Betroffenen erlangt hat; notwendige Ausführungen, wenn ein Verweis auf das Beweisfoto in den Urteilsgründen nicht erfolgt; Urteilsgründe im Bußgeldverfahren (qualitativer Unterschied).

§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO; § 71 Abs. 1 OWiG

Leitsätze

1. Hat der Tatrichter im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Überzeugung erlangt, dass der Betroffene und die abgebildete Person identisch sind, so gilt für die Darstellung in den Urteilsgründen folgendes:

a) Wird im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Foto verwiesen, bedarf es im Regelfall keiner näheren Ausführungen. Bestehen allerdings nach Inhalt oder Qualität des Fotos Zweifel an seiner Eignung als Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers, so muss der Tatrichter angeben, aufgrund welcher - auf dem Foto erkennbaren - Identifizierungsmerkmale er die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrzeugführer gewonnen hat.

b) Unterbleibt eine prozessordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto, so muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist. (BGHSt)

2. Auch im Bußgeldverfahren muss die Schilderung der Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht. Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden (BGHSt 39, 291, 299). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Hat der Tatrichter im Bußgeldverfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos die Überzeugung erlangt, daß der Betroffene und die abgebildete Person identisch sind, so gilt für die Darstellung in den Urteilsgründen folgendes:

a) Wird im Urteil gemäß § 267 Absatz 1 Satz 3 StPO auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Foto verwiesen, bedarf es im Regelfall keiner näheren Ausführungen. Bestehen allerdings nach Inhalt oder Qualität des Fotos Zweifel an seiner Eignung als Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers, so muß der Tatrichter angeben, aufgrund welcher - auf dem Foto erkennbaren - Identifizierungsmerkmale er die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrzeugführer gewonnen hat.

b) Unterbleibt eine prozeßordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto, so muß das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, daß dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen, der sich nicht zur Sache eingelassen hat, wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit (§§ 3 Abs. 3, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO, § 24 StVG) eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt. Den Feststellungen zum Geschwindigkeitsverstoß liegt eine Radarmessung zugrunde. Die Überzeugung davon, daß der Betroffene Fahrer des Fahrzeugs war, hat das Amtsgericht aufgrund des Radarfotos gewonnen. Insofern heißt es in dem Urteil:

"Die vom Sachverständigen vorgelegte Ausschnittsvergrößerung des Fahrers aus dem Tatfoto zeigt den Betroffenen. Das ergibt sich, obwohl der Betroffene auf dem Foto eine Sonnenbrille trägt, aus der Kopfform, dem Haaransatz, der Kopfhaltung, dem Gesichtsschnitt, dem Oberlippenbart und auch aus der Form des rechten Ohres. Es ist deutlich und offensichtlich, daß der Betroffene, der im Termin zugegen war, derjenige ist, der auf dem Tatfoto abgebildet ist."

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen möchte das zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht Köln das Urteil aufheben. Es ist der Ansicht, das angefochtene Urteil genüge nicht den Anforderungen, die bei der Identifizierung des Fahrers aufgrund eines Radarfotos an die Urteilsgründe zu stellen seien. Der Tatrichter dürfe sich nicht damit begnügen, die an dem Betroffenen und die auf dem Lichtbild festgestellten charakteristischen Merkmale, aufgrund derer er von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrer überzeugt sei, aufzulisten. Vielmehr müsse er "konkret angeben, wie diese Merkmale beschaffen (seien)". Er müsse "also eine konkrete, wenn auch knappe und auf das Wesentliche konzentrierte Beschreibung seines optischen Eindrucks liefern".

An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht Köln durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 12. November 1993 - Ss 448/93 - (VRS 87, 202) gehindert. Danach müssen "die Angaben im tatrichterlichen Urteil zur Identitätsfeststellung eines Betroffenen anhand eines Radarfotos im Vergleich mit seinem persönlichen Erscheinungsbild zwar mehrere hierfür generell geeignete charakteristische und individualisierende Merkmale umfassen". Deren nähere Umschreibung soll "jedoch wegen tatsächlich wie rechtlich fehlender Nachprüfmöglichkeit durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht erforderlich" sein.

Das Oberlandesgericht Köln hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

"Muß zur Identitätsfeststellung eines Betroffenen anhand von Lichtbildern, die bei Verkehrsverstößen als Belegfotos gefertigt worden sind, das Urteil Ausführungen über die einerseits aus den Bildern und andererseits an dem Betroffenen erkennbaren charakteristischen Identifizierungsmerkmale sowie über die Art und das Maß der Übereinstimmung dieser jeweils festgestellten Merkmale enthalten oder genügt die Angabe von mehreren generell geeigneten charakteristischen und individualisierenden Merkmalen, ohne daß deren nähere Beschreibung erforderlich ist?"

Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:

"Ist der Tatrichter anhand eines Lichtbildes, das bei einem Verkehrsverstoß als Belegfoto gefertigt worden ist, zu der Überzeugung gelangt, daß der Betroffene und die fotografierte Person identisch sind, bedarf es außer dieser Feststellung grundsätzlich keiner weiteren Ausführungen im Urteil."

II.

Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG sind erfüllt. Das vorlegende Oberlandesgericht will in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen.

Die Vorlegungsfrage ist aber zu eng gefaßt. Nach ihr können die Anforderungen an die Urteilsgründe hinsichtlich der Identifizierung des Betroffenen anhand eines Radarfotos (nur) entweder im Sinne der Auffassung des vorlegenden Gerichts (ebenso BayObLG VRS 61, 41; DAR 1993, 439; NZV 1995, 163; OLG Köln DAR 1982, 24; VRS 80, 374; NZV 1995, 202; OLG Düsseldorf VRS 73, 138; 74, 449; 76, 145; 76, 456; 78, 130; 80, 458; 87, 445; OLG Frankfurt NZV 1992, 86; OLG Hamm VRS 72, 196; NStE Nr. 91 zu § 261 StPO) oder aber der des Oberlandesgerichts Oldenburg (ebenso OLG Hamm NZV 1995, 118; vgl. auch OLG Oldenburg NZV 1995, 84) bestimmt werden. Bei dieser Beschränkung bliebe eine dritte Möglichkeit, nämlich, daß sowohl eine Beschreibung der charakteristischen Identifizierungsmerkmale als auch deren bloße Auflistung entbehrlich sein kann (so - für den Fall einer Bezugnahme auf das Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO - OLG Celle VM 1985, 53; OLG Stuttgart VRS 77, 365; OLG Karlsruhe DAR 1995, 337) von vornherein außer Betracht. Im Hinblick auf diese Möglichkeit bedarf die Vorlegungsfrage der Erweiterung (vgl. Salger in KK-StPO 3. Aufl. § 121 GVG Rdn. 46) und ist wie folgt zu fassen:

Welche Anforderungen sind bei der Identitätsfeststellung eines Betroffenen anhand von Lichtbildern, die bei Verkehrsverstößen als Beweisfotos gefertigt worden sind, an die Urteilsgründe zu stellen?

III.

Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

1. Welche Anforderungen an die Abfassung der Urteilsgründe hinsichtlich der Beweiswürdigung im Bußgeldverfahren zu stellen sind, ergibt sich aus den §§ 261 und 267 StPO i.V.m. § 71 OWiG sowie den §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG und § 337 StPO:

a) Gemäß § 261 StPO entscheidet das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Das Ergebnis der Beweisaufnahme zu würdigen, ist allein Sache des Tatrichters. Er hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (BGHSt 10, 208, 209; 29, 18, 19). Allerdings sind dem Gericht bei der freien Beweiswürdigung Grenzen gesetzt: Es darf seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muß die Beweise erschöpfend würdigen; es muß gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und Erfahrungssätze des täglichen Lebens beachten (BGHSt 29, 18, 20).

Das Revisionsgericht (Rechtsbeschwerdegericht) ist nur in begrenztem Maße befugt, die Überzeugungsbildung des Tatrichters nachzuprüfen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (BGHSt 10, 208, 210; 29, 18, 20). Würde das Revisionsgericht aufgrund der mitgeteilten Beweisanzeichen seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen, so würde es die Grenzen seiner Aufgaben überschreiten und sich mit einer Verantwortung belasten, die es nach der gesetzlichen Ausgestaltung des Revisionsverfahrens nicht übernehmen darf und auch nicht übernehmen kann.

b) Die eingeschränkte Prüfungsbefugnis des Revisionsgerichts setzt auch der Verpflichtung des Tatrichters zur erschöpfenden Beweiswürdigung in den Urteilsgründen Grenzen. Diese müssen so gefaßt sein, daß sie eine auf Rechtsfehler beschränkte Richtigkeitskontrolle möglich machen. Dagegen ist der Tatrichter weder verpflichtet, in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets im einzelnen darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat (BGHSt 39, 291, 296 m.w.N.). Eine solche Verpflichtung besteht auch nicht hinsichtlich solcher Tatsachen, die der Richter aufgrund eigener Wahrnehmung in der Hauptverhandlung feststellt.

Im Bußgeldverfahren gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch in diesem Verfahren muß die Schilderung der Beweiswürdigung so beschaffen sein, daß sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht (OLG Celle VM 1985, 53; Göhler OWiG 11. Aufl. § 71 Rdn. 43). Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, daß das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden (BGHSt 39, 291, 299).

2. Für die Identifizierung eines Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigten Lichtbildes gilt danach folgendes:

a) Ob das Lichtbild die Feststellung zuläßt, daß der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, hat allein der Tatrichter zu entscheiden (BGHSt 29, 18). Es kann daher mit der Rechtsbeschwerde grundsätzlich nicht beanstandet werden, der Betroffene sei entgegen der Überzeugung des Tatrichters nicht mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person identisch. Die Überprüfung dieser tatrichterlichen Überzeugung ist dem Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich versagt. Das folgt auch daraus, daß eine solche Prüfung eine Inaugenscheinnahme des Betroffenen voraussetzte, also ohne eine - unzulässige - (teilweise) Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht möglich wäre.

Auch hinsichtlich der Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes sind der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter indes Grenzen gesetzt. So läßt etwa ein sehr unscharfes Foto oder ein Foto, auf dem das Gesicht des Fahrers nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, eine Identifizierung durch bloßen Vergleich mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen nach den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens regelmäßig nicht zu. Je nach Qualität und Inhalt des Bildes können sich ein Vergleich mit dem persönlich anwesenden Betroffenen und der Schluß auf seine Täterschaft von vornherein als schlechterdings unmöglich und willkürlich erweisen. Sieht der Tatrichter den Betroffenen gleichwohl aufgrund des Lichtbildes als überführt an, so leidet das Urteil an einem Rechtsfehler, der im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Sachrüge beanstandet werden kann. Soweit der Senat in der Entscheidung BGHSt 29, 18, 22 die Auffassung vertreten hat, das Rechtsbeschwerdegericht dürfe, da ihm eine eigene Auswertung des Radarfotos verschlossen sei, auch nicht prüfen, ob das vom Tatrichter in Augenschein genommene Lichtbild für die Überzeugungsbildung (überhaupt) ergiebig sei, hält er hieran in dieser Allgemeinheit nicht fest. Allerdings setzt auch diese Prüfung eine Wertung und Würdigung des Beweismittels voraus. Diese Wertung und Würdigung ist aber - wenn auch beschränkt auf den Maßstab, den die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und die Erfahrungssätze des täglichen Lebens vorgeben - überprüfbar und auch ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung möglich.

b) Daraus folgt für die Anforderungen an die Urteilsgründe: Diese müssen so gefaßt sein, daß das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

aa) Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, daß er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muß (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Aufl. § 267 Rdn. 8; vgl. auch BayObLG NZV 1995, 163, 164), wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 267 Rdn. 10) und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. OLG Celle VM 1985, 53; OLG Stuttgart VRS 77, 365; OLG Karlsruhe DAR 1995, 337).

Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto - wie etwa ein (Front-) Radarfoto, das die einzelnen Gesichtszüge erkennen läßt - zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Es bedarf weder einer Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden. Solche Ausführungen wären auch überflüssig und ohne Wert: Die Überprüfung, ob der Betroffene mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre ihm zudem unmöglich. Als Grundlage für die Überprüfung der generellen Ergiebigkeit des Fotos könnten Beschreibungen der Abbildung dem Rechtsmittelgericht keine besseren Erkenntnisse vermitteln, als sie ihm aufgrund der - durch die Bezugnahme ermöglichten - eigenen Anschauung zur Verfügung stehen.

Daraus, daß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO eine Verweisung nur "wegen der Einzelheiten" erlaubt, folgt nicht, daß der Tatrichter auch im Falle der Bezugnahme die abgebildete Person (nach Geschlecht, geschätztem Alter, Gesichtsform und weiteren, näher konkretisierten Körpermerkmalen) zu beschreiben habe. Mit der Beschränkung der Verweisungsbefugnis auf "die Einzelheiten" will das Gesetz sicherstellen, daß die Schilderung des "Aussagegehalts" der in Bezug genommenen Abbildung nicht ganz entfällt; die Urteilsgründe müssen aus sich selbst heraus verständlich bleiben (LR-Gollwitzer StPO 24. Aufl. § 267 Rdn. 11). In den hier zu beurteilenden Fallgestaltungen - Foto aus einer Verkehrsüberwachung - reicht es dazu aber aus, wenn das Urteil mitteilt, daß es sich bei dem in Bezug genommenen Lichtbild um ein - nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes - Radarfoto (Foto einer Rotlichtüberwachungsanlage usw.) handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt. Weitere Angaben sind, um den Verständniszusammenhang zu wahren, nicht erforderlich (OLG Stuttgart VRS 77, 365). Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die vom vorlegenden Oberlandesgericht angeführte Entscheidung vom 4. September 1979 - 5 StR 445/79 (bei Pfeiffer NStZ 1981, 296) - betrifft nicht den Fall einer Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Auch das Urteil vom 20. November 1990 - 1 StR 588/90 (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 1) - verhält sich nicht dazu, wie der Begriff "Einzelheiten" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist.

Ist das Foto - etwa aufgrund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts - zur Identifizierung eines Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind um so höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die - auf dem Foto erkennbaren - charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben.

bb) Sieht der Tatrichter hingegen von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muß er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muß das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, daß dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann dabei um so kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muß die Beschreibung um so mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern.

3. Ob nach diesen Grundsätzen die vom Amtsgericht hier gegebene Beschreibung des Fahrers ausreichend ist, hat das vorlegende Oberlandesgericht selbst zu entscheiden. Im übrigen ist allerdings zu bemerken, daß bei alledem die sonstige Beweissituation nicht außer Betracht bleiben darf. Bestreitet der Betroffene mit näheren Ausführungen, der Fahrer gewesen zu sein, und benennt er etwa andere Personen, die als Fahrer in Betracht kommen, so kann eine eingehendere Darstellung der Beweiswürdigung - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer erweiterten Beweisaufnahme (vgl. OLG Oldenburg NZV 1995, 84) - geboten sein. Umgekehrt kann eine Gesamtwürdigung aller Umstände - der sich aus dem Foto ergebenden Anhaltspunkte sowie weiterer Indizien, etwa der Haltereigenschaft, der Fahrtstrecke oder -zeit - auch dann zur Überführung des Beschuldigten ausreichen, wenn der Vergleich des Fotos mit dem Betroffenen für sich allein diesen Schluß nicht rechtfertigen kann.

Externe Fundstellen: BGHSt 41, 376; NJW 1996, 1420; NStZ 1996, 150; StV 1996, 413

Bearbeiter: Rocco Beck