Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 105/91, Beschluss v. 13.06.1991, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 13. Dezember 1990 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 13. Dezember 1990 wegen Brandstiftung in drei Fällen und wegen versuchter Brandstiftung unter Einbeziehung rechtskräftig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und wegen Brandstiftung in zwei Fällen - ebenfalls unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Strafe - zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt sowie eine früher angeordnete Maßregel nach § 69a StGB aufrechterhalten.
Der gerichtlich bestellte Verteidiger des Angeklagten hat gegen dieses Urteil mit Schriftsatz vom 14. Dezember 1990 (ohne weitere Ausführungen) Revision eingelegt. Nachdem ihm das schriftliche Urteil am 11. Januar 1991 zugestellt worden war, hat er die Revision mit einem am 8. Februar 1991 beim Landgericht eingegangenen Schreiben begründet und beantragt, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als keine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet worden sei. Er hat ausdrücklich erklärt, daß das Urteil nur in diesem Umfang angefochten werde.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die "von vornherein auf das Absehen von der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beschränkte" Revision wegen fehlender Beschwer des Angeklagten als unzulässig zu verwerfen.
2. Die Revision ist wirksam auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt beschränkt worden. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn in dem Schreiben vom 14. Dezember 1990, durch das Revision eingelegt wurde, eine unbeschränkte Revisionseinlegung und in dem Schriftsatz, in dem die Revision begründet wurde, eine teilweise Zurücknahme der unbeschränkt eingelegten Revision oder ein teilweiser Verzicht auf diese gesehen werden würde; denn hierfür hätte der Verteidiger nach § 302 Abs. 2 StPO eine ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten gebraucht (vgl. Kleinknecht/ Meyer StPO 39. Aufl. § 302 Rdn. 30), die er als ein nach § 141 StPO bestellter Verteidiger nicht ohne weiteres besaß und auch nicht vorgelegt hat. Der Bundesgerichtshof ist allerdings in einem solchen Fall bisher in ständiger Rechtsprechung von dem Vorliegen einer Teilrücknahme (so beispielsweise in den Beschlüssen vom 31. Januar 1980 - 4 StR 665/79 -, vom 8. Juli 1983 - 3 StR 204/83 und vom 13. Juni 1985 - 1 StR 247/85 - sowie im Urteil vom 17. April 1985 - 2 StR 27/85) bzw. eines Teilverzichts (BGHSt 3, 46; 10, 320, 321) ausgegangen. Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß dieser Rechtsprechung nicht zu folgen ist; auch alle anderen Strafsenate haben auf Anfrage erklärt, daß sie daran nicht mehr festhalten.
a) Die schlichte Erklärung, es werde Revision eingelegt, enthält noch keine Aussage darüber, in welchem Umfang eine Überprüfung des Urteils erstrebt wird. Zwar wird durch die ohne eine Einschränkung erfolgte Einlegung der Revision die Rechtskraft des Urteils nach § 343 Abs. 1 StPO zunächst in vollem Umfang gehemmt; wieweit das Urteil angefochten wird, ist aber nicht nach § 343 Abs. 1 StPO, sondern erst aus der nach Zustellung des Urteils gemäß § 341 Abs. 2 StPO oder § 343 Abs. 2 StPO abgegebenen Erklärung nach § 344 Abs. 1 StPO zu beurteilen, in der der Revisionsführer darlegen muß, inwieweit er das Urteil anfechten will. Erst durch diese Erklärung wird somit der Umfang der Revision rechtlich bindend festgelegt. Das hat seinen guten Grund: Erst durch die - regelmäßig nach der Revisionseinlegung - erfolgte Zustellung des Urteils wird dem Revisionsführer eine sinnvolle Prüfung und die abschließende Entscheidung ermöglicht, inwieweit eine Anfechtung des Urteils Erfolg verspricht; es wäre damit unvereinbar, von ihm, ohne daß er Kenntnis von den schriftlichen Urteilsgründen hat, schon eine bindende Erklärung über das Ausmaß der Anfechtung zu verlangen und ihn dadurch zu einer (vorsorglich) unbeschränkten Rechtsmitteleinlegung und gegebenenfalls zu einer späteren teilweisen Zurücknahme des Rechtsmittels - mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer StPO 39. Aufl. § 473 Rdn. 20) - zu zwingen. Erst durch die Erklärung nach § 344 Abs. 1 StPO - die allerdings auch schon, wie es in der Praxis nicht selten geschieht, mit der Revisionseinlegung verbunden werden kann - wird somit der Umfang der Anfechtung konkretisiert und damit erstmalig der Wille bekundet, inwieweit eine Anfechtung des Urteils erfolgen soll. Demnach ist in einer der bloßen Erklärung, es werde Revision eingelegt, folgenden Beschränkung des Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte weder eine Teilrücknahme noch ein Teilverzicht zu sehen. § 302 Abs. 2 StPO ist somit auf diese Fallgestaltung nicht anwendbar.
b) Diese Ansicht entspricht auch einer verbreiteten Auffassung in der Literatur (vgl. Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 344 Rdn. 7; Meyer in Löwe/Rosenberg StPO 23. Aufl. § 344 Rdn. 11; Paulus in KMR StPO 7. Aufl. § 318 Rdn. 13; Frisch in SK/StPO § 318 Rdn. 20; Grünwald, Die Teilrechtskraft im Strafverfahren, 1964, S. 72; Steindorf in KK/OWiG § 79 Rdn. 76). Dabei wird hier zutreffend noch darauf hingewiesen, daß der Verteidiger auch ohne besondere Vollmacht berechtigt ist, das Urteil nicht anzufechten und es dadurch rechtskräftig werden zu lassen. Deshalb könne auch keine besondere Ermächtigung dafür verlangt werden, daß er das Urteil in der Erklärung nach § 344 Abs. 1 StPO nur beschränkt anfechte, das Urteil somit zwar nicht in vollem Umfang, aber teilweise rechtskräftig werden lasse (Meyer aaO mit weit. Nachw.). Die in der Literatur streitige Frage, ob nach der erfolgten Beschränkung noch eine Erweiterung der Revision möglich ist und ob eine solche nachträgliche Erweiterung nur in der Frist des § 341 Abs. 1 StPO (so z.B. Kleinknecht/Meyer StPO 39. Aufl. § 344 Rdn. 4) oder noch innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO (so etwa Hanack aaO) zulässig sei, bedarf hier keiner Entscheidung.
3. Die somit wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auf die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt führt zur Unzulässigkeit der Revision mangels Beschwer des Angeklagten. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, daß ein Angeklagter ein gegen ihn ergangenes Urteil nicht nur deswegen anfechten kann, weil gegen ihn (neben der Strafe) keine Maßregel nach § 64 StGB angeordnet worden ist (BGHSt 28, 327, 330ff; 37, 5, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 1). Die Anordnung einer solchen Maßregel würde sich nämlich - wie sich schon aus der gesetzlichen Regelung in §§ 331 Abs. 2, 358 Abs. 2 Satz 2 StPO ergibt, die diese Anordnung trotz des grundsätzlichen Verschlechterungsverbots als Ausnahme hiervon gestatten - als eine zusätzliche Beschwer des Verurteilten darstellen.
Eine Revision, die - wie hier - lediglich die zusätzliche Anordnung der Unterbringung begehrt, ist daher als unzulässig zu verwerfen.
Externe Fundstellen: BGHSt 38, 4; NJW 1991, 3162; NStZ 1991, 501; StV 1992, 7
Bearbeiter: Rocco Beck