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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 706

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 506/23, Beschluss v. 26.03.2024, HRRS 2024 Nr. 706


BGH 4 StR 506/23 - Beschluss vom 26. März 2024 (LG Frankenthal (Pfalz))

Verfolgungsverjährung (sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen: Ruhen).

§ 78 StGB; § 78b StGB; § 174 StGB

Entscheidungstenor

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. September 2023 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.

2. Der Beschluss des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 5. Dezember 2023, durch den die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen wurde, ist damit gegenstandslos.

3. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwanzig Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig ist.

4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

5. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Dem Angeklagten war nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist auf seinen - zulässigen - Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 StPO). Nach dem durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemachten Vortrag des Verteidigers ist die Versäumung der Frist auf dessen dem Angeklagten nicht zuzurechnendes Verschulden zurückzuführen (§ 44 Satz 1 StPO).

II.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwanzig Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil insoweit in sämtlichen Fällen Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Gemäß § 78b Abs. 1 StGB i.d.F. vom 27. Dezember 2003, die ab dem 1. April 2004 galt, wurde das Ruhen der Verjährung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr des Opfers auch für die Strafbarkeit nach § 174 StGB eingeführt. Die Dauer des Ruhens der Verjährungsfrist wurde mit Wirkung vom 30. Juni 2013 (§ 78b StGB i.d.F. vom 26. Juni 2013) auf die Vollendung des 21. Lebensjahres und mit Wirkung vom 27. Januar 2015 (§ 78b StGB i.d.F. vom 21. Januar 2015) auf die Vollendung des 30. Lebensjahres verlängert. Die Neufassungen finden auch für vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten Anwendung, sofern deren Verfolgung zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2021 - 2 StR 450/19, juris Rn. 15 mwN).

Die Taten sind nicht ausschließbar am 1. August 1999 (Taten 1-4, 6 und 8-24 der Urteilsgründe), am 13. August 1999 (Tat 5) bzw. am 31. Dezember 1999 (Tat 7) begangen worden, Verjährung wäre somit mit Ablauf des 31. Juli 2004, des 12. August 2004 bzw. des 30. Dezember 2004 eingetreten. Bei Inkrafttreten des § 78b Abs. 1 StGB in der ab 1. April 2004 geltenden Fassung mit der Folge des Ruhens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers (hier: 30. Mai 2005) waren sie demnach noch nicht verjährt. Die ab dem 30. Mai 2005 laufende (vgl. Senat, Beschluss vom 1. April 2008 - 4 StR 642/07) 5-jährige Verjährungsfrist endete aber vor dem 30. Juni 2013, an dem die Neufassung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB in Kraft trat, mit der das Ruhen der Verjährung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers verlängert wurde.“

Dem schließt sich der Senat an und ändert in der Folge den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. Der Strafausspruch kann hingegen bestehen bleiben. Es kann ausgeschlossen werden, dass die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe bei rechtsfehlerfreier Würdigung niedriger ausgefallen wären, zumal auch verjährte Delikte strafschärfend gewertet werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2022 - 4 StR 310/21 Rn. 4).

2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 und 7 StPO. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen teilweise zu entlasten.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 706

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede