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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1347

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 463/23, Beschluss v. 08.05.2024, HRRS 2024 Nr. 1347


BGH 4 StR 463/23 - Beschluss vom 8. Mai 2024 (LG Frankenthal (Pfalz))

Adhäsionsverfahren (Feststellung der Ersatzpflicht künftiger immaterieller Schäden: nicht abgeschlossene therapeutische Aufarbeitung).

§ 403 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 9. Juni 2023 im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit eine Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige immaterielle Schäden der Neben- und Adhäsionsklägerin S. festgestellt worden ist; insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die der Neben- und Adhäsionsklägerin S. sowie den weiteren Nebenklägerinnen durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Zwangsprostitution in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Ferner hat es ihn im Adhäsionsverfahren - teilweise auf sein Anerkenntnis - zur gesamtschuldnerischen Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt und zudem festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Neben- und Adhäsionsklägerin S. alle infolge des Tatgeschehens zukünftig erwachsenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonst leistungspflichtige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Während die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann der Adhäsionsausspruch teilweise nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:

„Zu entfallen hat der Adhäsionsausspruch betreffend die Feststellung der Ersatzpflicht künftiger immaterieller Schäden. Der Angeklagte hat den von der Adhäsionsklägerin geltend gemachten Feststellungsantrag allerdings auch insoweit anerkannt (PB Bl. 220). Gleichwohl entbindet das Anerkenntnis das Tatgericht nicht von der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen, weshalb ein Feststellungsinteresse gegeben sein muss (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2019 - 5 StR 53/19, juris Rn. 3). Hiervon ausgehend ergibt sich zwar aus der weiterhin bestehenden psychischen Belastung der Adhäsionsklägerin (UA S. 83) und den im Adhäsionsantrag aufgrund der beabsichtigten Therapie (PB Bl. 225) angeführten Kosten (PB Bl. 229) hinreichend ein Feststellungsinteresse bezüglich künftiger materieller Schäden. Die Möglichkeit künftiger immaterieller Schäden, die nicht bereits von der Zubilligung des bezifferten Schmerzensgeldes umfasst sind, erschließt sich indes nicht. Aufgrund der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes werden von dem Schmerzensgeldausspruch alle Schadensfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten oder objektiv erkennbar sind oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden kann (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 5 StR 267/21, juris Rn. 2). Allein der Umstand einer nicht abgeschlossenen therapeutischen Aufarbeitung ist für sich nicht geeignet, ein über das zuerkannte Schmerzensgeld hinausgehendes Interesse an der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden zu begründen (vgl. BGH, aaO). Die pauschal behauptete Möglichkeit unvorhersehbarer Spätschäden (Adhäsionsantrag PB Bl. 229) reicht deshalb nicht aus.“

Dem tritt der Senat bei.

Eine Zurückverweisung der Sache nur zur teilweisen Erneuerung des Adhäsionsausspruchs scheidet aus. Daher ist im Umfang der Aufhebung gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2021 - 4 StR 300/21 Rn. 8).

2. Angesichts des geringfügigen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Gleiches gilt für die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin S. (§ 472a Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1347

Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede