HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 428
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 447/23, Beschluss v. 20.12.2023, HRRS 2024 Nr. 428
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 12. Juli 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen „besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Mord und mit gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen“ verurteilt worden ist, sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Mord und mit gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sieben Monaten verurteilt und Maßregeln (§§ 69, 69a StGB) angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Nach den Feststellungen zündete der alkoholisierte und aufgrund einer Trennung von seiner Freundin wütende Angeklagte in der Tatnacht gegen 23.50 Uhr auf unbekannte Weise die Matratze seines Betts an. In dem als Arbeiterunterkunft genutzten Gebäude hielten sich mindestens 13 weitere Personen „teilweise schlafend“ auf. Der Angeklagte hielt für möglich und nahm billigend in Kauf, dass das Feuer auf sein im Erdgeschoss des Wohngebäudes gelegenes Zimmer und auf das gesamte Gebäude übergreifen und „durch den Brand Anwesende und/oder Rettungspersonen zu Tode kommen“ könnten. Er verließ sein Zimmer, verschloss die Zimmertür und zog den Schlüssel ab; dabei nahm er billigend in Kauf, dass hierdurch das Löschen des Brandes erschwert werden könnte. Anschließend verließ er das Haus, stieg in sein Fahrzeug und entfernte sich. „Zeitgleich“ griffen die Flammen „auf das Zimmer des Angeklagten über“. Noch während der Angeklagte sich vor dem Haus befand, entdeckten „Wachtdienstmitarbeiter in der Nachbarschaft“ das Feuer; einer von ihnen versuchte vergeblich, die Zimmertür zu öffnen, um das Feuer zu löschen. Er trat ein Loch in die Zimmertür und versuchte, das Feuer mit einem Feuerlöscher zu löschen. Es gelang ihm nicht, das Feuer „komplett zu löschen“, weshalb er das Haus verließ und von außen die Fensterscheibe einschlug. Das Feuer griff nunmehr ‒ „auch wegen der plötzlich erfolgten Sauerstoffzufuhr“ durch die zerstörte Fensterscheibe ‒ „auf das weitere Gebäude“ über. Wenig später traf die Feuerwehr ein und löschte den Brand innerhalb weniger Minuten. Ohne Einschreiten von „Löschungswilligen“ wäre eine „Brandausweitung auf das gesamte Gebäude“ innerhalb von maximal 30 Minuten erfolgt. Vier Bewohner der Arbeiterunterkunft erlitten leichte Rauchgasverletzungen; das Wohnhaus ist seither unbewohnbar.
Das Landgericht hat den Angeklagten auf der Grundlage dieser Feststellungen wegen besonders schwerer Brandstiftung (§ 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB) in Tateinheit mit versuchtem Mord (§§ 211 Abs. 2, 22 StGB) und mit gefährlicher Körperverletzung in vier tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (§§ 224 Abs. 1 Nr. 5, 52 StGB) zu der Einzelfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Der Schuldspruch hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Feststellungen ergeben nicht, dass ein tatbestandlicher Erfolg im Sinne des § 306a Abs. 1 StGB eingetreten ist.
a) In Brand gesetzt im Sinne der §§ 306, 306a Abs. 1 StGB ist ein Gebäude, wenn es so vom Feuer erfasst ist, dass es selbstständig ohne Fortwirken des Zündstoffs weiterbrennt. Hierfür genügt, dass sich der Brand auf Teile des Gebäudes ausbreiten kann, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2002 ‒ 4 StR 165/02, BGHSt 48, 14, 18; Urteil vom 20. Juni 1986 ‒ 1 StR 270/86, BGHSt 34, 115, 117). Dies ist der Fall, wenn ein „nicht völlig unwesentlicher Bestandteil“ des Gebäudes vom Feuer erfasst worden ist oder „wesentliche Teile des Gebäudes“ brennen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1986 ‒ 1 StR 270/86, BGHSt 34, 115, 117; Urteil vom 22. Mai 1963 ‒ 2 StR 133/63, BGHSt 18, 363, 364 f.). Ein teilweises Zerstören im Sinne der genannten Vorschriften liegt bei der Brandstiftung in einem Mehrfamilienhaus grundsätzlich vor, wenn ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2021 ‒ 3 StR 247/21 Rn. 7; Beschluss vom 18. November 2020 ‒ 4 StR 35/20, NJW 2021, 1107 Rn. 10; Beschluss vom 21. Januar 2020 ‒ 3 StR 392/19, StV 2020, 597 Rn. 7). Es genügt, dass die Unbrauchbarkeit zu Wohnzwecken mittelbar auf die Brandlegung zurückzuführen ist, etwa auf eine erhebliche Verrußung (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2020 ‒ 4 StR 626/19 Rn. 6) oder auf den Einsatz von Löschmitteln (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2018 ‒ 3 StR 13/18 Rn. 19; Urteil vom 5. September 2017 ‒ 5 StR 222/17, NJW 2018, 246, 247 f.). Ob ein Zerstörungserfolg in diesem Sinne eingetreten ist, hat das Tatgericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten Nutzungszwecke zu beurteilen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 2021 ‒ 3 StR 247/21 Rn. 7 mwN) und in den Urteilsgründen im Einzelnen darzulegen, so dass seine Wertung für das Revisionsgericht nachvollziehbar und auf Rechtsfehler überprüfbar wird.
b) Gemessen hieran kann den Urteilsgründen der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs nicht entnommen werden.
aa) Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO ist das Tatgericht verpflichtet, in den Urteilsgründen die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies hat in einer Weise zu geschehen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob die Subsumtion des Tatgerichts unter die gesetzlichen Merkmale des Tatbestands frei von Rechtsfehlern ist. Insoweit genügt ‒ von einfach gelagerten Fällen abgesehen ‒ regelmäßig weder die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2015 ‒ 2 StR 388/14 Rn. 5) noch die Wiedergabe bloßer Wertungen. Die gesetzlichen Merkmale der Straftat müssen vielmehr in einzelne konkrete Tatsachen aufgelöst (vgl. Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl., Rn. 284 mwN) und phänomengebunden beschrieben werden. Nur auf diese Weise ist die hieraus gezogene tatgerichtliche Wertung unter eines der Tatbestandsmerkmale nachvollziehbar und auf Rechtsfehler überprüfbar.
bb) Danach ist die in den Urteilsgründen enthaltene und nicht tatsachengestützte Wertung, das Feuer habe „auf das Zimmer des Angeklagten“ und schließlich „auf das weitere Gebäude übergegriffen“, nicht ausreichend. Es fehlt an Feststellungen zur konkreten Brandentwicklung sowie an einer ‒ jedenfalls gedrängten ‒ Beschreibung, welche konkreten Teile des Gebäudes in Brand geraten sind. Bei dieser Sachlage vermag auch die im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgte Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Lichtbilder ‒ losgelöst von Fragen der formellen Wirksamkeit dieser Bezugnahme (vgl. im Einzelnen Wenske in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 267 Rn. 137) ‒ die hierin liegende Lücke in den Feststellungen nicht zu schließen.
Zwar kann der beiläufige Hinweis, dass ein Angriffstrupp der Feuerwehr einen Bewohner aus dem 2. Obergeschoss über die „teilabgebrannte Treppe“ zu retten versuchte, darauf hindeuten, dass das Feuer bereits auf die Treppe und damit ‒ möglicherweise ‒ auf einen für den bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlichen Teil des Gebäudes (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1963 ‒ 2 StR 133/63, BGHSt 18, 363, 366) übergegriffen haben könnte. Die Feststellung ist beweiswürdigend aber nicht belegt. Weiterhin kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, ob das Schwurgericht hierin den von ihm angenommenen Taterfolg gesehen hat. In Ermangelung jeder Beschreibung des Wohngebäudes kann ferner nicht geprüft und entschieden werden, ob eine solche tatgerichtliche Wertung vertretbar wäre. Schließlich wecken die weitere tatgerichtliche Feststellung, wonach es der „wenig später“ eintreffenden Feuerwehr gelungen sei, den Brand „innerhalb weniger Minuten“ zu löschen, sowie die beweiswürdigend unbelegt gebliebene prognostische Einschätzung des Schwurgerichts, ohne ein Eingreifen von „Löschungswilligen“ wäre eine Brandausweitung auf das gesamte Gebäude innerhalb eines Zeitraums von maximal 30 Minuten zu erwarten gewesen, Zweifel daran, ob das Gebäude tatsächlich bereits in Brand gesetzt war.
cc) Die Feststellungen ergeben auch nicht, dass das Gebäude im Sinne der weiteren Taterfolgsvariante des § 306a Abs. 1 StGB infolge der Brandlegung jedenfalls teilweise zerstört wurde. Zwar wäre insoweit ausreichend, dass das vom Angeklagten bewohnte Zimmer infolge der Brandlegung unbewohnbar geworden wäre (vgl. zu einem Zimmer in einer Flüchtlingsunterkunft BGH, Beschluss vom 14. November 2019 ‒ 3 StR 408/19 Rn. 10; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. November 1998 ‒ 4 StR 575/98). Konkrete Feststellungen hierzu enthält das angegriffene Urteil, das auf jede konkrete Beschreibung der Brandfolgen verzichtet, jedoch nicht.
c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass die Feststellungen auch den Eintritt des qualifizierenden Erfolgs im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht ergeben. Bloße Erschwerungsabsicht genügt insoweit nicht (vgl. Radtke in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 306b Rn. 24). Die Qualifikation setzt vielmehr voraus, dass der Täter in den Fällen des § 306a StGB das Löschen des Brandes verhindert oder doch ‒ erheblich ‒ erschwert. Dazu bedarf es einer Prüfung des hypothetischen Verlaufs der Brandbekämpfung ohne die auf die Erschwerung der Löschung gerichtete Tathandlung des Täters (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 ‒ 5 StR 124/13 Rn. 14 f.). Hieran fehlt es.
2. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite beruhen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. Auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 ‒ 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f. mwN) ist die Annahme (bedingten) Vorsatzes weder in Bezug auf die Brandstiftungsdelikte des § 306a Abs. 1 StGB, § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB noch im Hinblick auf den versuchten Mord (§§ 211, 22 StGB) hinreichend belegt.
a) Ein bedingter Vorsatz in Bezug auf die Erfolgsvariante des Inbrandsetzens im Sinne des § 306a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass durch seine Tathandlung das in Rede stehende Tatobjekt vom Feuer ergriffen wird und selbstständig weiterbrennt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 ‒ 4 StR 268/22, NStZ 2023, 414; Beschluss vom 9. Januar 2020 ‒ 4 StR 324/19 Rn. 8, NStZ 2020, 402 Rn. 17 mwN). Maßgebend ist insoweit eine Gesamtschau aller im Einzelfall maßgeblichen Umstände, insbesondere die dem Täter bekannten baulichen Gegebenheiten und die sonstige Beschaffenheit des Tatobjekts, seine Vorgehensweise und die aus dieser konkreten Angriffsweise resultierende Gefährdung des Tatobjekts sowie die psychische Verfassung des Täters und seine Motivlage (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2019 ‒ 4 StR 485/19 Rn. 7; Urteil vom 4. Februar 2010 ‒ 4 StR 394/09, NStZ-RR 2010, 178, 179; Beschluss vom 22. März 1994 ‒ 4 StR 110/94, BGHR StGB § 306 Beweiswürdigung 6; Radtke in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 306a Rn. 55). Bei einer erheblichen Berauschung des Täters ist das Tatgericht regelmäßig auch zu einer Erörterung der Frage verpflichtet, welchen Einfluss dieser Umstand auf die Risikoabschätzung des Täters genommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2018 ‒ 4 StR 251/18, NStZ-RR 2018, 332).
Konkrete Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten hinsichtlich der Brandentwicklung und den zu erwartenden Folgen fehlen. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist insoweit nicht aussagekräftig. Da Feststellungen zur Beschaffenheit des Gebäudes und einer hierauf bezogenen Kenntnis des Angeklagten nicht getroffen sind, fehlt es an Anhaltspunkten dafür, mit welcher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen war, dass das konkrete Tatobjekt in Brand gerät, und inwieweit dies dem Angeklagten vor Augen stand (zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts für die subjektive Tatseite vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 ‒ 4 StR 268/22, NStZ 2023, 414 Rn. 8). Auch die konkrete Art des Inbrandsetzens der Matratze ist ‒ mangels Aufklärbarkeit ‒ nicht festgestellt; ein Übergreifen des Brandes versteht sich daher auch nicht von selbst. Weitere Ausführungen waren schließlich deshalb veranlasst, weil der Angeklagte den Tatentschluss spontan in einer nach der tatgerichtlichen Wertung „besondere[n] Ausnahmesituation“ gefasst hat und mit einer Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 2,3 Promille erheblich alkoholisiert war.
b) Beweiserwägungen zur subjektiven Tatseite der besonders schweren Brandstiftung im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 3 StGB lassen die Urteilsgründe gänzlich vermissen.
c) Schließlich ist auch eine vorsatzgleiche Vorstellung im Sinne der §§ 211, 22 StGB in den Urteilsgründen nicht rechtsfehlerfrei dargelegt. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seinem Aufhebungsantrag ausgeführt:
„a) […] Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit, das Opfer könne durch diese Tat zu Tode kommen, rechnet und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (BGH, Urteil vom 23. Januar 2020 - 3 StR 385/19 Rn. 9 mwN). Dabei sind für die Beurteilung der Gefährlichkeit von Brandanschlägen auf Wohnhäuser bedeutsam namentlich die Beschaffenheit des angegriffenen Objekts im Hinblick auf Fluchtmöglichkeiten und auf die Brennbarkeit der beim Bau verwendeten Materialien, eine erhöhte Schutzlosigkeit der Bewohner zur Nachtzeit sowie die Belegungsdichte (BGH, Urteil vom 23. September 2021 - 3 StR 38/21 Rn. 24 mwN). Angesichts der gewöhnlich hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist indes immer auch in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr des Todes nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut haben könnte, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - Willenselement gegeben ist (vgl. BGH, aaO; Urteil vom 23. Januar 2020 - 3 StR 385/19 Rn. 9).
Die getroffenen Feststellungen und Wertungen sowie die sie tragende Beweiswürdigung müssen widerspruchsfrei sein (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September 2019 - 4 StR 348/19 Rn. 7 mwN).
b) Dem genügen die Urteilsgründe nicht.
(1) Sie sind bereits zur Art des Tötungsvorsatzes nicht widerspruchsfrei. Nach den Ausführungen in der rechtlichen Würdigung (UA S. 12) habe der Angeklagte „sich entschlossen, andere Menschen heimtückisch und mit gemeingefährlichen Mitteln zu töten“ (Tötungsabsicht). Dies entspricht aber nicht den Feststellungen (UA S. 4), wonach der Angeklagte es bei Entzünden seines Bettes für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass durch den Brand Anwesende und/oder Rettungspersonen zu Tode kommen konnten (bedingter Tötungsvorsatz).
(2) Die Beweiswürdigung belegt weder eine Tötungsabsicht noch genügt sie den oben angeführten Anforderungen an die Prüfung eines bedingten Tötungsvorsatzes.
Insoweit ist lediglich im Rahmen der Prüfung einer vorsätzlichen Brandlegung auf die „erhöhte Hemmschwelle bezüglich Tötungsdelikten“ hingewiesen sowie darauf, dass die „starke Alkoholisierung […] bestehende Hemmschwellen absinken [lässt], auch in Bezug auf Tötungsdelikte“ (UA S. 10). Bei der rechtlichen Würdigung ist zudem angeführt, dass bei einer vorsätzlichen Brandlegung zur Nachtzeit in einer Arbeiterunterkunft die Tötung anderer Menschen nahe liegt (UA S. 12). Aus den in Bezug genommenen Lichtbildern mag sich die Beschaffenheit des Wohnhauses betreffend dessen Brennbarkeit und die Kenntnis des Angeklagten hiervon als Mitbewohner des Hauses noch erschließen. Darüber hinausgehende Erwägungen enthält das Urteil indes nicht. Damit hat die Kammer zwar - für sich nicht zu beanstanden - die besondere Gefährlichkeit der Tathandlung in den Blick genommen. Mit weiteren, insbesondere das voluntative Vorsatzelement betreffenden vorsatzkritischen Gesichtspunkten hat sie sich indes nicht auseinandergesetzt. So deutet die Feststellung, dass „fast alle“ Fluchtwege am Brandraum vorbeiführten (UA S. 4), auf das Vorhandensein weiterer Fluchtwege hin. Auch war offensichtlich Wachpersonal - wenn auch nur in der Nachbarschaft - anwesend (UA S. 4), wobei nicht festgestellt ist, inwieweit der Angeklagte hiervon im Zeitpunkt der Tathandlung Kenntnis hatte. Im Hinblick auf die psychische Verfassung des Angeklagten wäre neben seiner Alkoholisierung zudem seine emotionale Erregung infolge der Trennung von seiner Partnerin - an anderer Stelle als hochspezifische Tat- und besondere Ausnahmesituation bewertet (UA S. 16) - einzubeziehen gewesen. Entsprechendes gilt für das Motiv des Angeklagten, er habe in der Erregung über die Trennung von seiner Partnerin sein Leben in V. hinter sich lassen wollen (UA S. 3), zumal hieraus nicht ohne Weiteres ein Beweggrund für die Tötung anderer Personen oder eine dahin gehende Gleichgültigkeit zu entnehmen ist.“
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.
3. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass es an jeglichen nachvollziehbaren Beweiserwägungen zu den eingetretenen Verletzungsfolgen im Sinne der §§ 224 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 5 StGB fehlt. Der Hinweis darauf, dass die Feststellungen „zu den Lösch- und Evakuierungsmaßnahmen mitsamt der konkreten Gefährdung einzelner Personen“ auf den glaubhaften Angaben zahlreicher Zeugen beruhten, deren Angaben nicht mitgeteilt werden, ersetzt die erforderliche und dem Tatgericht anvertraute Würdigung und Bewertung der Angaben der Zeugen nicht. Damit ist auch der im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigte Umstand, der Angeklagte habe „eine zweistellige Anzahl von Bewohnern“ und eine „Vielzahl von geschulten und ungeschulten Rettungskräften in ernsthafte Verletzungs- bzw. teilweise sogar in Todesgefahr gebracht“, beweiswürdigend nicht belegt. Gleiches gilt für den strafschärfend berücksichtigten materiellen Schaden „in mittlerer sechsstelliger Höhe“.
4. Der Senat hebt sämtliche Feststellungen auf, weil sie insgesamt nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung beruhen. Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der hierfür ausgesprochenen Strafe, ohne dass es noch darauf ankäme, dass auch die Strafzumessungserwägungen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe gibt Anlass zu folgenden Hinweisen:
Gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO muss ein Strafurteil aus sich heraus verständlich abgefasst sein und stets eine in sich geschlossene, klare und erschöpfende Darstellung der Feststellungen und der sie tragenden Beweiserwägungen enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2021 ‒ 2 StR 242/20 Rn. 19 mwN). Die für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, müssen in den Urteilsgründen angegeben werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 ‒ 3 StR 111/17; Meyer-Goßner/ Appl, Die Urteile in Strafsachen, 30. Aufl. Rn. 284). Tatgerichtliche Wertungen vermögen die unerlässliche Wiedergabe der Feststellungen regelmäßig nicht zu ersetzen. Das Tatgericht ist weiterhin gemäß §§ 261, 267 StPO verpflichtet, seine Beweiserwägungen in den Urteilsgründen so niederzulegen, dass sie aus sich heraus verständlich und einer revisionsgerichtlichen Überprüfung auf Rechtsfehler zugänglich sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. August 2023 ‒ 5 StR 550/22 u.a. Rn. 19). Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und sich nicht so weit von einem Tatsachenkern entfernt, dass die tatgerichtlichen Schlüsse sich letztlich als bloße Spekulation erweisen. Fehlt es an den erforderlichen Darlegungen, kann hierin ein Rechtsfehler liegen, der die Urteilsaufhebung nach sich zieht.
Gemessen hieran leiden ‒ auch ‒ die weiteren Beweiserwägungen an Darlegungsmängeln.
Das Schwurgericht hat sich zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich auf die Ausführungen eines Brandsachverständigen berufen, ohne dessen Ausführungen und die ihnen zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen ‒ wie von Rechts wegen geboten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Mai 2022 ‒ 5 StR 421/21; Urteil vom 10. November 2021 ‒ 2 StR 173/21 Rn. 24) ‒ in den Urteilsgründen wiederzugeben. Soweit der Sachverständige seine Auffassung, dass es für den vom Angeklagten als möglich behaupteten Geschehensablauf (fahrlässige Entstehung des Feuers durch eine glimmende Zigarette) keine tatsächlichen Hinweise gebe, weil in diesem Fall ein Schwelbrand mit erheblicher Rauchentwicklung und nicht ‒ wie hier von mehreren Zeugen beschrieben ‒ ein Flammbrand zu erwarten wäre, fehlt es an der Wiedergabe und Bewertung der Angaben dieser Zeugen durch das Schwurgericht. Die Urteilsgründe sind auf die Wiedergabe der Aussage eines Wachtdienstmitarbeiters beschränkt, der angab, der Angeklagte habe „beim Verlassen des Hauses noch durch das Fenster in sein Zimmer geschaut“ und zu diesem Zeitpunkt sei „ein Flackern“ bereits deutlich erkennbar gewesen. Es fehlt jedoch an jeder Würdigung und Bewertung dieser Angaben. Zudem bleibt offen, aufgrund welcher Umstände der Zeuge den Angeklagten identifiziert und in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat.
Soweit das Landgericht schließlich bei der Erörterung der Motivlage des Angeklagten zu der Überzeugung gelangt ist, der Angeklagte sei entschlossen gewesen, seinen Wohnort zu verlassen, und sich dabei auf den Inhalt von ihm stammender Nachrichten gestützt hat, kann mangels Wiedergabe, Auslegung und Bewertung der Chatprotokolle nicht geprüft und entschieden werden, ob die hieraus gezogenen tatgerichtlichen Schlüsse möglich und daher vom Revisionsgericht hinzunehmen sind.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 428
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede