HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 194
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 358/23, Beschluss v. 09.11.2023, HRRS 2024 Nr. 194
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 6. Juni 2023 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel von einem Jahr und neun Monaten bestimmt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
2. Die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil ein Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, nicht festgestellt ist.
a) Der Senat hat insoweit § 64 StGB in der Fassung vom 26. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 203, S. 2) zugrunde zu legen, die am 1. Oktober 2023 in Kraft getreten ist. Da keine entsprechende Übergangsvorschrift ergangen ist, ergibt sich dies aus § 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2023 - 6 StR 405/23 Rn. 6; Urteil vom 12. Oktober 2023 - 4 StR 136/23 Rn. 14). Nach § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB nF erfordert die Annahme eines Hangs nunmehr das Vorliegen einer Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert.
b) Daran gemessen ist ein Hang des Angeklagten nicht festgestellt.
Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich hierzu nur, dass der Angeklagte häufig Alkohol - Bier und Schnaps - im Übermaß trank und sich daraus eine Alkoholabhängigkeit entwickelt hat.
Diese knappen Ausführungen ergeben nicht die Annahme, dass infolge der Abhängigkeit des Angeklagten eine Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung, Gesundheit, Arbeits- oder Leistungsfähigkeit eingetreten ist. Die bloße Feststellung eines täglichen Konsums von Alkohol im Tatzeitraum sagt noch nichts über die Auswirkungen auf den Körper und den Einfluss auf die Lebensumstände des Angeklagten aus. Auch in ihrem Gesamtzusammenhang lassen sich den Urteilsgründen keine derartigen Anhaltspunkte entnehmen, zumal der Angeklagte nach den Feststellungen zur Person bis in den Monat der verfahrensgegenständlichen Tat gearbeitet hat.
c) Damit kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass auch ein Hang im Sinne des § 64 StGB in der bis 30. September 2023 geltenden Fassung nicht hinreichend belegt ist, da das Urteil die Anknüpfungstatsachen für die Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung durch den Sachverständigen nicht mitteilt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 2. April 2015 - 3 StR 103/15 Rn. 7 mwN).
d) Die Sache bedarf daher im Maßregelausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 194
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede