HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1131
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 135/23, Beschluss v. 01.08.2023, HRRS 2023 Nr. 1131
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 22. November 2022 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den getroffenen Feststellungen streichelte der Angeklagte in drei Fällen in der Behindertenumkleidekabine eines Schwimmbades den Brust- und Genitalbereich seiner im Tatzeitraum zehn Jahre alten Enkelin, nachdem sich beide jeweils ihre nassen Badesachen ausgezogen hatten. Dabei fasste er an sein Glied, um sich sexuell zu erregen. In allen Fällen drang er mit seinem Finger bis zum ersten Fingergelenk in die Scheide des Kindes ein. In einem Fall sprang seine Enkelin deswegen auf, in den anderen zwei Fällen ließ sie die sexuellen Handlungen über sich ergehen, bis der Angeklagte von selbst von ihr abließ.
2. Während der Schuldspruch keinen rechtlichen Bedenken begegnet, hält der Strafausspruch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die Strafkammer maßgebliche Strafschärfungsgründe nicht belegt hat.
Die Strafkammer hat sowohl bei der Begründung, mit der sie jeweils einen minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 4 StGB aF abgelehnt hat, als auch bei ihrer - hierauf Bezug nehmenden - konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er zur Begehung der Taten geplant und zielgerichtet das Schwimmbad mit der Geschädigten aufgesucht, Coronatests durchgeführt, Tickets gekauft und absichtlich eine - im Verhältnis zur Einzelkabine geräumigere - Behindertenumkleidekabine aufgesucht habe, um seine Taten durchführen zu können. Zudem hat sie ihm die Tatbestandsverwirklichung in der Öffentlichkeit strafschärfend angelastet.
Hierfür finden sich in den Urteilsgründen jedoch keine Belege. Nach den getroffenen Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten hat dieser bei drei Gelegenheiten die räumliche Situation in der Behindertenumkleidekabine ausgenutzt. Danach stellen sich die Taten des Angeklagten nicht als initiiert, sondern als Folge der situationsbedingten Umstände in drei Einzelfällen dar. Ferner ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen, dass der Angeklagte mit der Geschädigten jeweils allein in der Kabine war.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung auf diesen Rechtsfehlern beruht. Der Strafausspruch bedarf daher insgesamt neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1131
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede