HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1124
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 55/22, Beschluss v. 14.09.2022, HRRS 2022 Nr. 1124
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 31. August 2021 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufhoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen schwerer Zwangsprostitution in Tateinheit mit Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen erfolglos.
2. Die Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben. Hingegen kann der Strafausspruch keinen Bestand haben, weil die Strafzumessung rechtsfehlerhaft ist.
a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der Freiheitsstrafe strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte den Tatbestand der schweren Zwangsprostitution in zweifacher Hinsicht erfüllt hat (§ 232a Abs. 4 Alt. 1, § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 StGB). Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil die Feststellungen nicht ergeben, dass der Angeklagte auch gewerbsmäßig im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB gehandelt hat.
aa) Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alte Nebenklägerin durch eine Drohung dazu, der Prostitution nachzugehen. In mindestens einem Fall reagierte er aggressiv, um sie zur Fortsetzung dieser Tätigkeit zu bringen. Als er auf sie einwirkte, um sie zur Aufnahme der Prostitution zu bewegen, handelte er in der Absicht, die zu erwirtschaftenden Einkünfte der Nebenklägerin aus der Prostitutionstätigkeit vollständig zu vereinnahmen und sich daraus eine nicht unerhebliche, dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen.
bb) Dies reicht für die Annahme eines gewerbsmäßigen Handelns nicht aus. Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen; liegt ein solches Gewinnstreben vor, ist schon die erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig zu werten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. November 2021 - 2 StR 433/20, juris Rn. 22; Beschluss vom 2. Februar 2011 - 2 StR 511/10, NStZ 2011, 515, 516; Urteil vom 11. Oktober 1994 - 1 StR 522/94, NStZ 1995, 85 mwN). Kommt es dem Täter dagegen lediglich darauf an, sein Opfer zur Aufnahme der Prostitution zu veranlassen, um sich - wie festgestellt - aus den von diesem erzielten Einkünften eine dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen, liegt kein Fall des § 232 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StGB vor (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 622/10; Beschluss vom 28. August 2008 - 4 StR 327/08, juris Rn. 2, jew. zu § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF).
Dass der Angeklagte darüber hinaus mit der Intention einer wiederholten Tatbegehung gehandelt hat, lässt sich dem Urteil auch seinem Gesamtzusammenhang nach nicht entnehmen. Denn die Strafkammer hat weder festgestellt, dass der Angeklagte noch weitere Personen im Sinne von § 232a Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB zur Ausübung der Prostitution bringen wollte, noch dass er bei Tatbegehung damit rechnete, die Nebenklägerin wolle die Prostitutionstätigkeit wieder aufgeben und er müsse sie zur Fortsetzung zwingen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2022 - 1 StR 65/22, juris Rn. 13; Beschluss vom 12. Februar 2019 - 4 StR 374/18, NStZ-RR 2019, 179 f. zu § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB aF).
b) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StGB). Möglicherweise hätte die Strafkammer auf eine mildere Strafe erkannt, wenn sie lediglich die tateinheitliche Verwirklichung des Tatbestandes der Zuhälterei nach § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB strafschärfend berücksichtigt hätte.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1124
Bearbeiter: Julia Heß/Karsten Gaede