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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 459

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 496/21, Beschluss v. 01.02.2022, HRRS 2022 Nr. 459


BGH 4 StR 496/21 - Beschluss vom 1. Februar 2022 (LG Hagen)

Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag (Wochenfrist).

§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO

Entscheidungstenor

Die Anträge des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 3. Mai 2021 werden verworfen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen „wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 10 Fällen, davon in 7 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und in 3 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Mißbrauch von Kindern“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte durch Schriftsatz seines Verteidigers, Rechtsanwalt K., am 6. Mai 2021 fristgerecht Revision („Berufung“) ein. Das schriftliche Urteil wurde am 11. August 2021 zugestellt. Nachdem bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 13. September 2021 keine Revisionsbegründung eingegangen war, verwarf das Landgericht die Revision mit Beschluss vom 20. September 2021 gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig. Der Verwerfungsbeschluss wurde dem Angeklagten und seinem Verteidiger, Rechtsanwalt K., jeweils am 28. September 2021 förmlich zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 30. September 2021 zeigte Rechtsanwalt W. die Übernahme der Verteidigung an und wies darauf hin, dass gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt worden sei. Mit Schriftsatz vom 30. September 2021 teilte der dem Angeklagten mittlerweile beigeordnete Verteidiger, Rechtsanwalt K., mit, dass der Angeklagte ihm den Verwerfungsbeschluss übermittelt habe, wies darauf hin, dass er Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt habe und bat um nähere Erläuterung des Verwerfungsbeschlusses. Mit per Telefax übermitteltem Schreiben vom 6. Oktober 2021 wies der Vorsitzende die beiden Verteidiger darauf hin, dass gegen erstinstanzliche Urteile der Strafkammer allein das Rechtsmittel der Revision vorgesehen und das Rechtsmittel der „Berufung“ daher als Revision ausgelegt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2021 beantragte Rechtsanwalt W. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung der Revision und trug vor, Rechtsanwalt K. sei an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen, weil er nicht rechtzeitig auf das vorliegend allein statthafte Rechtsmittel der Revision hingewiesen worden sei. Dem Angeklagten sei „die unverschuldete Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.“ Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2021 beantragte Rechtsanwalt K. Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist und trug vor, dass ihm die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht anzulasten sei, nachdem ihm nicht mitgeteilt worden sei, dass die eingelegte Berufung als Revision behandelt werde. Darüber hinaus beantragte er, ihm eine Revisionsbegründungsfrist bis zum 4. November 2021 einzuräumen.

II.

Die Wiedereinsetzungsanträge des Angeklagten vom 8. Oktober 2021 und vom 27. Oktober 2021 sind unzulässig.

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen und die versäumte Handlung nachholen (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).

2. Diesen Anforderungen werden die Wiedereinsetzungsanträge nicht gerecht.

a) Die Wiedereinsetzungsanträge sind nicht innerhalb der Wochenfrist nach Kenntniserlangung von der Fristversäumnis gestellt worden. Der Angeklagte erhielt mit Zustellung des Verwerfungsbeschlusses des Landgerichts Hagen vom 20. September 2021 am 28. September 2021 Kenntnis davon, dass seine Revision innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung des schriftlichen Urteils nicht begründet worden und das Rechtsmittel deshalb unzulässig ist. Die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO endete daher mit Ablauf des 5. Oktober 2021 und war zum Zeitpunkt des Eingangs der Wiedereinsetzungsanträge vom 8. Oktober 2021 und 27. Oktober 2021 bereits abgelaufen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO unverschuldet versäumt haben könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Darüber hinaus wurde die versäumte Handlung innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nicht nachgeholt und die Revision nicht binnen Wochenfrist formgerecht begründet.

Soweit der Angeklagte die versäumte Handlung nunmehr nachgeholt und die Revision mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 19. Januar 2022 begründet hat, vermag dies dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Für eine von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Wiedereinsetzungsfrist besteht vorliegend trotz greifbarer Anhaltspunkte für ein Verteidigerversagen kein Raum, weil ein Mitverschulden des auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten, dem nach Urteilsverkündung Rechtsmittelbelehrung erteilt worden ist und der seit dem 28. September 2021 positive Kenntnis von der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hat, nicht ausgeschlossen erscheint.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 459

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß