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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 187

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 364/21, Beschluss v. 25.11.2021, HRRS 2022 Nr. 187


BGH 4 StR 364/21 - Beschluss vom 25. November 2021 (LG Dortmund)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe; rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Vollstreckungslösung).

§ 55 StGB; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. September 2020 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Soweit der vom Landgericht strafschärfend herangezogene Umstand eines Bewährungsbruchs nicht von den Feststellungen getragen wird, kann der Senat in Anbetracht dessen, dass das auf der Grundlage einer Verfahrensabsprache ergangene Urteil mehrere erhebliche Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten enthält, vorliegend ausschließen, dass die Bemessung der Einzelstrafen auf diesem Rechtsfehler beruht.

Zu Gunsten des Angeklagten hat sich insbesondere ausgewirkt, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft einen (bezifferten) Härteausgleich gewährt hat, statt die Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Dortmund vom 29. Juni 2010 und des Landgerichts Dortmund vom 4. Oktober 2010 in eine nachträgliche Gesamtstrafe einzubeziehen. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung lagen vor, da die Reststrafe der aus den beiden Strafen der vorgenannten Urteile gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Wochen zum Urteilszeitpunkt - trotz Ablaufs der Bewährungszeit ? noch nicht erlassen war (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1993 - 5 StR 606/92; Beschluss vom 26. März 2009 - 5 StR 74/09). Eine Beschwer des Angeklagten durch die unterbliebene nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist jedoch schon deshalb auszuschließen, weil sich bei Einbeziehung eine zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe ergeben hätte und dem Angeklagten damit der Vorteil der im vorliegenden Verfahren gewährten Aussetzung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zur Bewährung genommen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2004 - 2 StR 249/04; Beschluss vom 15. Dezember 2015 ? 1 StR 562/15).

Schließlich beschwert es den Angeklagten nicht, dass das Landgericht entgegen der Vollstreckungslösung (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 ? GSSt 1/07, BGHSt 52, 124) keinen Teil der Gesamtfreiheitsstrafe für vollstreckt erklärt hat. Das Landgericht hat die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von sieben Jahren und drei Monaten dadurch als kompensiert angesehen, dass es diesem Umstand das entscheidende Gewicht bei der Strafrahmenwahl - das Landgericht ist bei den ausgeurteilten drei Verbrechen des besonders schweren Raubes, der besonders schweren räuberischen Erpressung und des schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer jeweils von minder schweren Fällen ausgegangen -, bei der Bemessung der milden Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten und bei der Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung beigemessen und überdies von der Verhängung von Bewährungsauflagen abgesehen hat. Zwar widerspricht diese Verfahrensweise eklatant der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen. Durch den rechtsfehlerhaften Begründungsansatz des Landgerichts für den Ausgleich der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und die allein hierauf zurückzuführenden Strafen im bewährungsfähigen Bereich ist der Angeklagte im Ergebnis offensichtlich besser gestellt, als es bei Anwendung der Vollstreckungslösung der Fall gewesen wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 187

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß