HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 535
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 30/20, Beschluss v. 12.03.2020, HRRS 2020 Nr. 535
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 7. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „unter Mitsichführen eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zehn Monate und zwei Wochen Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Schließlich hat das Landgericht eine Einziehungsentscheidung getroffen.
Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 275 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 338 Nr. 7 StPO Erfolg.
Das Landgericht hat das angefochtene Urteil nach dreitägiger Hauptverhandlung am 7. Juni 2019 verkündet. Gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO betrug daher die Frist, binnen derer die Urteilsurkunde zu den Akten zu bringen war, fünf Wochen und endete mit Ablauf des 12. Juli 2019. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle auf der Urteilsurkunde gelangte das schriftliche Urteil erst am 17. Juli 2019 zu den Akten. Ein unabwendbarer Umstand im Sinne von § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO liegt nicht vor. Die Vorsitzende hat in ihrer dienstlichen Äußerung mitgeteilt, die Akten mit dem unterzeichneten Urteil versehentlich in ihrem Zimmer auf einem Tisch liegengelassen und erst am 17. Juli 2019 zur Geschäftsstelle gebracht zu haben.
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Eine verspätete Urteilsabsetzung kann die Richtigkeit und Vollständigkeit der Urteilsgründe beeinflussen. Daher besteht ein zwingender Aufhebungsgrund auch bei geringer Fristüberschreitung und ohne Rücksicht darauf, ob das Urteil solche Mängel aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2002 - 2 StR 504/01, BeckRS 2002, 2767; BGH, Beschluss vom 7. Januar 1998 - 5 StR 528/97, BeckRS 1998, 31360242).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 535
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner