HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1159
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 19/20, Beschluss v. 05.05.2021, HRRS 2021 Nr. 1159
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 27. August 2019 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in fünf tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in sechs tateinheitlichen Fällen und mit fahrlässigem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte als Arbeiter eines Subunternehmens seit dem 13. Oktober 2016 auf dem Werksgelände der BASF SE in Ludwigshafen Dehnungsbögen einer zu erneuernden Rohrleitung abzubauen, die neben zahlreichen anderen Leitungen in einem Rohrgraben am Betriebshafen verlief. Dazu musste er das Metallrohr der für die Dauer der Arbeiten stillgelegten Leitung mit einem Trennschleifer zerlegen.
Am Morgen des 17. Oktober 2016 gaben zwei Mitarbeiter der BASF SE und des Subunternehmens wie gewöhnlich die Arbeiten frei und kennzeichneten dabei die Rohrleitung mit Markierungen. Im weiteren Verlauf des Arbeitstages war der Angeklagte selbst dafür verantwortlich, die zu bearbeitende Leitung als solche zu identifizieren, was ihm unter anderem anhand der Markierungen möglich war.
Gleichwohl verwechselte der Angeklagte bei einem seiner Arbeitsschritte die betreffende Leitung versehentlich mit einer benachbarten gasführenden Rohrleitung und setzte dort den Trennschleifer an. Das durch den Schnitt austretende Gas entzündete sich an den Funken des Trennschleifers. Die entstehende Stichflamme erhitzte die Umgebung, insbesondere eine unter einem Druck von 88 bar stehende Fernleitung, die brennbares Ethylen führte.
Wenige Minuten später riss die Fernleitung aufgrund der großen Hitze ab und löste sich aus ihrer Verankerung. Dies verursachte zwei heftige Explosionen, deren zweite eine Feuerwalze auslöste. Durch Hitze und Druckwellen kamen vier Feuerwehrleute der Werksfeuerwehr ums Leben, die sich inzwischen der Brandstelle genähert hatten. Vier weitere Feuerwehrleute und zwei Werksmitarbeiter, die sich zum Einweisen der Feuerwehr ebenfalls pflichtgemäß zur Brandstelle begeben hatten, wurden schwer verletzt. Das fünfte Todesopfer war ein Matrose eines in unmittelbarer Nähe im Betriebshafen liegenden Tankschiffs, der durch die Druckwelle ins Hafenbecken geschleudert wurde, das Bewusstsein verlor und ertrank.
Die Feuerwehrleute und die beiden weiteren Werksmitarbeiter hatten den für Gefahrstoffeinsätze vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von mindestens fünfzig Metern zur Brandstelle eingehalten. Jedoch war ihnen zum Zeitpunkt des Annäherns die äußere Erhitzung der Fernleitung und die daraus resultierende hohe Explosionsgefahr nicht bekannt.
Die Verfahrensrüge, die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO sei nicht gewahrt worden, da drei aufeinander folgende Hauptverhandlungstage als „Schiebetermine“ das Verfahren nicht gefördert hätten, ist unbegründet.
In den betreffenden Fortsetzungsterminen ist durch Beweisaufnahme (28. Juni und 29. Juli 2019) bzw. durch die Entscheidung über einen gestellten Beweisantrag (18. Juli 2019) jeweils zur Sache verhandelt, mithin das Verfahren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hin gefördert worden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. April 2011 - 3 StR 61/11; vom 16. Oktober 2007 - 3 StR 254/07; Urteil vom 25. Juli 1996 - 4 StR 172/96). Dafür, dass das Landgericht dabei nur formal zum Zwecke der Umgehung der Vorschrift des § 229 Abs. 1 StPO tätig geworden und der Gesichtspunkt der Verfahrensförderung dahinter als bedeutungslos zurückgetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11 mwN), bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte.
Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Verurteilung des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlicher fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung gemäß §§ 222, 229 StGB zum Nachteil der Feuerwehrleute bzw. der beiden die Feuerwehr einweisenden Werksmitarbeiter ist rechtsfehlerfrei.
a) Fahrlässig handelt, wer eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteile vom 26. November 2019 - 2 StR 557/18, BGHSt 64, 217; vom 20. November 2008 - 4 StR 328/08, BGHSt 53, 55, 58 und vom 26. Mai 2004 - 2 StR 505/03, BGHSt 49, 166, 174).
b) Diese Voraussetzungen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
aa) Insbesondere ist das Landgericht aufgrund einer nicht zu beanstandenden Würdigung von einem pflichtwidrigen Verhalten des Angeklagten ausgegangen.
Pflichtwidrig handelt, wer objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient. Dabei bestimmen sich Art und Maß der anzuwendenden Sorgfalt nach den Anforderungen, die bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind (vgl. BGH, Urteile vom 4. September 2014 - 4 StR 473/13 und vom 1. Februar 2005 - 1 StR 422/04). Nicht entscheidend ist dagegen, ob die Pflichtwidrigkeit durch ein aktives Tun begangen wurde oder in einem Unterlassen begründet ist (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02 und vom 1. Februar 2005 - 1 StR 422/04).
Daran gemessen hat das Landgericht mit Recht als objektive Sorgfaltspflichtverletzung bewertet, dass der Angeklagte versehentlich den Trennschleifer an der gasführenden Leitung ansetzte, obwohl er die Möglichkeit und die Pflicht hatte, sich zu orientieren und das zu bearbeitende Rohr unter anderem anhand der Markierungen zutreffend festzustellen.
bb) Auch die Kausalität des Handelns des Angeklagten für den Eintritt des Erfolges hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Die Pflichtverletzung des Angeklagten verursachte den Tod und die Verletzungen der Opfer, indem der Schnitt in die Gasleitung die maßgebliche Kausalkette, die zur Explosion der Fernleitung führte, in Gang setzte.
cc) Das Landgericht ist ferner ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Pflichtwidrigkeit objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeiführte.
Für die Vorhersehbarkeit genügt, dass die Folgen des Handelns des Angeklagten in ihrem Gewicht im Wesentlichen voraussehbar sind; nicht erforderlich ist, dass der Angeklagte sie in allen Einzelheiten voraussehen konnte (vgl. BGH, Urteile vom 8. September 1993 - 3 StR 341/93, BGHSt 39, 322, 324; vom 26. Mai 2004 - 2 StR 505/03, BGHSt 49, 166, 174; vom 4. September 2014 ? 4 StR 473/13).
Vorliegend konnte der langjährig auf dem Werksgelände tätige und mit dem Gefahrenpotential der Anlagen vertraute Angeklagte vorhersehen, dass seine Sorgfaltspflichtverletzung zu einer Explosion führen würde und dadurch Menschen im Gefahrenbereich getötet und verletzt würden.
dd) Auch die Zurechenbarkeit des Todes und der Verletzung der Opfer hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht.
(1) Maßgebliches Kriterium dieser Voraussetzung ist neben der objektiven Vorhersehbarkeit des Erfolges das Vorliegen des Schutzzweck. und des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs. Eine Zurechnung des Erfolgs ist nur möglich, wenn sich gerade die durch die mangelnde Sorgfalt des Täters gesetzte Gefahr im eingetretenen Erfolg realisiert hat und der Erfolg in den Schutzbereich der Norm fällt. Ferner werden Erfolge nur dann zugerechnet, wenn sie im Falle eines pflichtgemäßen Verhaltens des Täters nicht eingetreten wären (vgl. Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 15 Rn. 156 ff.; Duttge in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 15 Rn. 164 ff.).
Beides ist hier erfüllt. Der Schutzzweck der den Angeklagten treffenden Pflichten umfasste den Erfolg, denn die bei den Arbeiten an Rohrleitungen zu beachtende Aufmerksamkeit diente gerade dazu, Leib und Leben von Personen auf dem Werksgelände zu schützen. Bei pflichtgemäßem Handeln wären der Unfall und damit die Folgen mit Sicherheit verhindert worden.
(2) Ferner entfällt - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - die Zurechnung der Tötungs- und Verletzungserfolge nicht nach den Grundsätzen der so genannten bewussten Selbstgefährdung.
(a) Nach den Grundsätzen der bewussten Selbstgefährdung ist im Bereich der Körperverletzungs- und Tötungsdelikte ein Verletzungserfolg, insbesondere auch der Tod eines Menschen, einem Dritten, der dafür eine Ursache gesetzt hat, möglicherweise dann nicht zuzurechnen, wenn der Erfolg die Folge einer bewussten, eigenverantwortlich gewollten und verwirklichten Selbstgefährdung ist und sich die Mitwirkung des Dritten in einer bloßen Veranlassung oder Förderung des Selbstgefährdungsaktes erschöpft hat (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1993 - 3 StR 341/93, BGHSt 39, 322; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. Februar 1984 - 1 StR 808/83, BGHSt 32, 262).
(b) Jedoch ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz der Straffreiheit wegen bewusster Selbstgefährdung nicht schematisch anzuwenden, sondern unter anderem in solchen Fällen einzuschränken, in denen sich das Opfer durch eine vom Täter geschaffene Gefahrenlage veranlasst sieht, in das Geschehen rettend einzugreifen und dadurch selbst geschädigt wird. Dies gilt, wenn der Täter durch seine deliktische Handlung die naheliegende Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung dadurch schafft, dass er ohne Mitwirkung und ohne Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für ein Rechtsgut des Opfers oder ihm nahestehender Personen begründet und damit für dieses ein einsichtiges Motiv für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1993 - 3 StR 341/93, BGHSt 39, 322).
(c) Dieser für die Konstellation eines freiwillig eingreifenden Dritten entwickelte Rechtsgrundsatz ist auf die Zurechnung der Schäden solcher Personen übertragbar, die rechtlich aufgrund von Berufspflichten zum Eingreifen in Gefahrenlagen verpflichtet sind und sich in Erfüllung dieser Rechtspflicht selbst gefährden. Deren Tod oder Verletzung ist grundsätzlich demjenigen zuzurechnen, der die Gefahrenlage geschaffen hat (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 4 Ws 37/08, NStZ 2009, 331; vgl. - mit teils unterschiedlicher Begründung - Walter in LK-StGB, 13. Aufl., vor § 13 Rn. 117 f.; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., vor § 13 Rn. 101 f.; Freund in MüKo-StGB, 4. Aufl., vor § 13 Rn. 422 ff.; Puppe in NK-StGB, 5. Aufl., vor § 13 Rn. 186; Roxin, FS Kindhäuser, 2019, 407, 409; Satzger, Jura 2014, 695, 702; Radtke/Hoffmann, GA 2007, 201; Sowada, JZ 1994, 663).
Die maßgeblichen Erwägungen, die die Zurechnung bei Rettungsmaßnahmen durch nahestehende Personen begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1993 - 3 StR 341/93, BGHSt 39, 322), treffen auf den pflichtigen Retter erst recht zu. Denn an die Stelle eines einsichtigen Motivs des freiwilligen Retters tritt hier seine Rechtspflicht zum Eingreifen, die den psychischen Druck zu handeln erhöht und damit die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung des Retters durch die normative Vorgabe einschränkt. Bei berufsmäßigen Rettern kommt noch hinzu, dass sie aufgrund ihrer höheren Fachkompetenz und des damit einhergehenden geringeren Verletzungsrisikos verpflichtet sind, höhere Risiken einzugehen, so dass der Täter auch mit gefährlichen Rettungsmaßnahmen rechnen muss. Ebenso wie dem Täter beim Gelingen der Rettungshandlung des pflichtigen Retters die Erfolgsabwendung zugutekommt, hat er im Fall des Misserfolgs dafür einzustehen. Es ist daher sachgerecht, den pflichtigen Retter in den Schutzbereich der strafrechtlichen Vorschriften einzubeziehen.
Nach diesen Maßstäben sind als pflichtige Retter die betroffenen Feuerwehrleute und die mit deren Einweisen betrauten Werksmitarbeiter, die sich jeweils aufgrund ihrer beruflichen Pflichtenstellung in den Gefahrenbereich des vom Angeklagten ausgelösten Brand- und Explosionsgeschehens begeben hatten, vom Schutzbereich der §§ 222, 229 StGB erfasst.
(d) Ob abweichend davon eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs dann anzunehmen ist, wenn eine rechtliche Verpflichtung zur konkret vorgenommenen Rettungshandlung aufgrund ihrer Gefährlichkeit nicht bestand oder die Rettungshandlung außerdem von vornherein sinnlos oder mit offensichtlich unverhältnismäßigen Wagnissen verbunden war (vgl. BGH, Urteil vom 8. September 1993 - 3 StR 341/93, BGHSt 39, 322), kann der Senat auch für den Fall des Berufsretters offen lassen (vgl. hierzu etwa Puppe, NStZ 2009, 333, 334).
Denn ein derartiger Ausnahmefall liegt nach den landgerichtlichen Feststellungen nicht vor. Maßgeblich ist die ex-ante-Sicht der betroffenen Rettungskräfte, die hier den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand zur Brandstelle einhielten und die hohe Explosionsgefahr nicht kannten. Dabei müssen sich die einzelnen Rettungskräfte weder das Wissen noch die Sorgfaltspflichtverletzungen anderer am konkreten Einsatz oder an dessen allgemeiner organisatorischer Vorbereitung beteiligter Personen zurechnen lassen (a. A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 4 Ws 37/08, NStZ 2009, 331). Denn soweit den betroffenen Rettungskräften die volle Kenntnis des Risikos fehlt, kann eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung gerade nicht angenommen werden.
(3) Ob, wie das Landgericht angenommen hat, der BASF SE eine „Mitverantwortung“ durch Organisationsmängel anzulasten ist, braucht der Senat ebenfalls nicht zu entscheiden.
(a) Etwaige Organisationsmängel im Rahmen der Gefahrverhütung ließen den späteren Zusammenhang zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten und dem tatbestandlichen Erfolg unberührt, denn dadurch entfielen weder die Vorhersehbarkeit des Erfolges noch der Pflichtwidrigkeits- und der Schutzzweckzusammenhang.
(b) Das gleiche würde gelten, soweit das Landgericht von einer unzureichenden Organisation bei der Brandbekämpfung ausgegangen ist.
Selbst wenn hierin ein Organisationsmangel zu sehen wäre, was der Senat offen lassen kann, würde dies keinen Geschehensablauf begründen, der so außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit liegt, dass die objektive Vorhersehbarkeit des hier eingetretenen Erfolges in Frage gestellt würde.
Auch der Pflichtwidrigkeits- und der Schutzzweckzusammenhang blieben durch solche Organisationsmängel unberührt. Soweit zur Reichweite des Schutzzwecks der Tatbestände der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung bei Berufsrettern vertreten wird, Rettungsinstitutionen hätten die eigene Organisation selbst zu verantworten, so dass Außenstehende für Schäden, die auf Organisationsmängeln beruhten, nicht verantwortlich seien (Roxin/Greco, Strafrecht AT, Bd. I, 5. Aufl., S. 521, 523; ähnlich Kudlich, JA 2008, S. 740), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Diese Auffassung widerspricht dem anerkannten Grundsatz, dass sich keiner von mehreren sorgfaltswidrig handelnden Verursachern zu seiner Entlastung auf die Sorgfaltspflichtverletzung des anderen berufen kann. Wenn mehrere Personen, die zur Erfolgsabwendung verpflichtet sind, die ihnen jeweils obliegenden Sorgfaltspflichten verletzen, ist vielmehr regelmäßig von einer fahrlässigen Mitverursachung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 StR 289/01, BGHSt 47, 224, 228 [Wuppertaler Schwebebahn]; OLG Bamberg, Beschluss vom 5. Juli 2007 - 3 Ws 44/06; Puppe, NStZ 2009, 333, 334 f.). Ein Mitverschulden kann prozessual (§ 153 f. StPO) oder bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
2. Auch die tateinheitliche Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB zum Nachteil des Matrosen ist rechtsfehlerfrei.
Der Tod des Matrosen ist dem Angeklagten objektiv zuzurechnen. Zwar kann der Matrose entsprechend der Auffassung der Revision mit Blick auf den Zweifelssatz nicht als (freiwilliger) Retter eingestuft werden. Der Senat entnimmt dem Zusammenhang der Urteilsgründe jedoch, dass sich der Matrose für den Angeklagten vorhersehbar im Wirkungsbereich der Explosion aufhielt und damit ein Zufallsopfer war, für dessen Tod der Angeklagte strafrechtlich einzustehen hat.
3. Schließlich weist die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässigen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion gemäß § 308 Abs. 1 und Abs. 6 StGB keine Rechtsfehler auf.
Eine Explosion ist dann gegeben, wenn es zu einer plötzlichen Volumenvergrößerung und dadurch zu Druckwellen mit außergewöhnlicher Beschleunigung kommt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 - 1 StR 488/14; Krack in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 308 Rn. 3 mwN). Das Entstehen von Druckwellen mit entsprechenden Auswirkungen hat das Landgericht festgestellt und belegt.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1159
Externe Fundstellen: BGHSt 66, 119; NJW 2021, 3340; NStZ 2022, 102; StV 2022, 98
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß