HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 438
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 156/20, Urteil v. 03.03.2022, HRRS 2022 Nr. 438
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. März 2019, soweit es die Einziehungsbeteiligte S. GmbH betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Einziehung eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 50.000 € gegen die Einziehungsbeteiligte unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Betruges zu einer Einzelfreiheitsstrafe verurteilt, gegen den Angeklagten und eine weitere Einziehungsbeteiligte jeweils eine Einziehungsentscheidung getroffen sowie eine rechtsstaatswidrige Verzögerung des Verfahrens festgestellt. Insoweit ist das Urteil des Landgerichts zwischenzeitlich rechtskräftig (vgl. Senatsentscheidung vom 29. Juli 2021 ? 4 StR 156/20). Darüber hinaus hat es gegen die Einziehungsbeteiligte S. GmbH als Gesamtschuldner neben dem Angeklagten die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 17.200 € angeordnet. Hiergegen wendet sich die zuungunsten der Einziehungsbeteiligten eingelegte, mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Beschwerdeführerin die Anordnung der Einziehung eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 50.000 € gegen die Einziehungsbeteiligte S. GmbH erstrebt.
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte bis Oktober 2015 Geschäftsführer der Einziehungsbeteiligten S. GmbH. Der Angeklagte bot durch seinen Verkaufsleiter am 13. Dezember 2014 dem Geschädigten einen Pkw Porsche Carrera GT 980 zum Kauf an, wobei auf Veranlassung des Angeklagten sowohl im Laufe des von dem Verkaufsleiter geführten Verkaufsgesprächs, als auch in der Ausfertigung des schriftlichen Kaufvertrags bewusst unzutreffende Angaben über den Umfang der an dem Fahrzeug eingetretenen Unfallschäden gemacht wurden. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Angaben erwarb der Geschädigte das Fahrzeug, das aufgrund nicht fachgerecht durchgeführter Reparaturarbeiten einen Wert von maximal 150.000 € hatte, nebst Zubehör zu einem Preis von 378.000 €. Die nach einer in bar erbrachten Anzahlung von 1.000 € verbleibende Kaufpreissumme von 377.000 € überwies der Geschädigte am 18. Dezember 2014 auf ein Bankkonto der früheren Lebensgefährtin des Angeklagten, der weiteren Einziehungsbeteiligten, auf das der Angeklagte, ohne formell verfügungsberechtigt zu sein, uneingeschränkt zugreifen konnte und das von ihm verwaltet wurde. In der Folgezeit veranlasste der Angeklagte von dem Bankkonto Überweisungen in Höhe von insgesamt 264.494 €. Unter anderem wurden an die Einziehungsbeteiligte S. GmbH am 23. Dezember 2014 17.200 € und am 6. Januar 2015 50.000 € überwiesen.
Bei ihrer zum Nachteil der Einziehungsbeteiligten S. GmbH getroffenen Einziehungsentscheidung hat die Strafkammer ? nach ihren Ausführungen im Urteil versehentlich ? lediglich die am 23. Dezember 2014 ausgeführte Überweisung von 17.200 € an die Einziehungsbeteiligte berücksichtigt.
1. Ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrags ist die Revision der Staatsanwaltschaft ausweislich der Ausführungen in der Rechtsmittelbegründung auf die Frage der Einziehung eines weiteren Geldbetrages in Höhe von 50.000 € zu Lasten der Einziehungsbeteiligten beschränkt. Diese Beschränkung auf Teile der Einziehungsentscheidung ist wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2019 ? 1 StR 170/19 Rn. 8). Die von der Beschwerdeführerin begehrte Einziehung eines weiteren Geldbetrages bei der drittbegünstigten Einziehungsbeteiligten und die von der Strafkammer im angefochtenen Urteil bereits getroffene Einziehungsanordnung knüpfen in tatsächlicher Hinsicht an unterschiedliche Verschiebungsakte von Vermögensgegenständen an. Sie weisen daher keinen untrennbaren Zusammenhang auf und sind einer isolierten Betrachtung zugänglich. Infolge der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung hat die im angefochtenen Urteil gegen die Einziehungsbeteiligte angeordnete Einziehung eines Geldbetrags von 17.200 € Rechtskraft erlangt. Damit sind die diese Entscheidung tragenden tatsächlichen Feststellungen insbesondere zur Betrugstat des Angeklagten auch im Verhältnis zur Einziehungsbeteiligten bindend geworden.
2. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass im angefochtenen Urteil hinsichtlich der weiteren am 6. Januar 2015 vorgenommenen Überweisung von 50.000 € an die Einziehungsbeteiligte keine Entscheidung über eine Einziehung getroffen worden ist.
a) Die rechtlichen Voraussetzungen einer Einziehungsanordnung gegen die Einziehungsbeteiligte als Drittbegünstigte beurteilen sich gemäß der in Art. 316h EGStGB getroffenen Übergangsregelung nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I, 872) neu geschaffenen gesetzlichen Bestimmungen.
Nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b StGB richtet sich die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73a StGB gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn ihm das Erlangte übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, sofern zuvor kein gutgläubiger Zwischenerwerb eines Dritten im Sinne der Ausschlussklausel des § 73b Abs. 1 Satz 2 StGB stattgefunden hat. Erlangt der andere unter den Voraussetzungen des § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b StGB einen Gegenstand, der dem Wert des Erlangten entspricht, ist auch dieser Gegenstand gemäß § 73b Abs. 2 StGB einzuziehen. Die Vorschrift des § 73b Abs. 2 StGB dient nach den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Intentionen des Gesetzgebers dem Zweck, auch die Weiterreichung des Wertes des ursprünglich Erlangten der Vermögensabschöpfung bei dem Drittbegünstigten zu unterwerfen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/9525, S. 67). Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur bislang umstrittene Frage, ob die Wertersatzeinziehung beim Drittbegünstigten nach § 73b Abs. 2 StGB in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Verschiebungsfällen nach altem Recht in subjektiver Hinsicht eine Entziehungs- oder Verschleierungsmotivation des Handelnden bei der Übertragung der Vermögensgegenstände erfordert (vgl. OLG Celle, StraFo 2018, 206; OLG Düsseldorf, StraFo 2020, 336; vgl. Heine in Satzger/Schluckebier/ Widmaier, StGB, 5. Aufl., § 73b Rn. 7 ff. mwN), hat der Bundesgerichtshof nunmehr dahin entschieden, dass die Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB über den Wortlaut der Norm hinaus einen Bereicherungszusammenhang in dem Sinne voraussetzt, dass die Übertragung des Vermögensgegenstands mit der Zielrichtung vorgenommen wurde, den Wertersatz dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder die Tat zu verschleiern (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 ? 3 StR 518/19 Rn. 140, 162 ff., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Die Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB findet danach ihre Grenzen, wenn ein Zusammenhang mit den ursprünglichen Tatvorteilen nicht mehr erkennbar ist und mit der Transaktion weder das Ziel verfolgt wird, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des Täters oder eines Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, noch die Tat zu verschleiern (vgl. BGH, aaO, Rn. 140).
b) Von diesen rechtlichen Maßstäben ausgehend war es bei dem vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt aus Gründen materiellen Rechts geboten, auch hinsichtlich der weiteren an die Einziehungsbeteiligte erfolgten Überweisung in Höhe von 50.000 € eine Entscheidung über die Anordnung einer Einziehung zu treffen. Durch die Überweisung von 50.000 € an die Einziehungsbeteiligte am 6. Januar 2015 übertrug der Angeklagte einen Teil des Wertes der ursprünglich betrügerisch erlangten Kontogutschrift auf die Einziehungsbeteiligte, die sich die Kenntnis des Angeklagten als ihres Geschäftsführers über die Herkunft der überwiesenen Gelder zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2018 ? 4 StR 639/17 Rn. 3) und daher bösgläubig war. Danach liegt es nicht fern, dass hinsichtlich der Überweisung der 50.000 € die Voraussetzungen für eine Wertersatzeinziehung beim Drittbegünstigten nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b, § 73b Abs. 2 StGB gegeben sind. Denn dass die Übertragung des überwiesenen Buchgeldes von einer Entziehungs- oder Vereitelungsmotivation des Angeklagten getragen war, erscheint nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil, die sich zu dieser Frage in keiner Weise verhalten, jedenfalls möglich.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 438
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß