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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 981

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 273/19, Beschluss v. 31.07.2019, HRRS 2019 Nr. 981


BGH 4 StR 273/19 - Beschluss vom 31. Juli 2019 (LG Bielefeld)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20. Dezember 2018 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen II.1. bis 32. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, sowie

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung, Vergewaltigung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Gesamtstrafe angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den zu den Betäubungsmittelstraftaten getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte in 15 Fällen an bestimmten Tagen in der Zeit vom 13. bis zum 22. Oktober 2017 Marihuana zu einem Grammpreis von 12 Euro jeweils in Mengen für 10 bis 140 Euro an sechs verschiedene Abnehmer, wobei die Verkäufe zum Teil am selben Tag oder an aufeinanderfolgenden Tagen abgewickelt wurden. Am 23. Oktober 2017 hielt der Angeklagte in seiner damaligen Wohnung zum Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung 36,09 Gramm Marihuana bereit, die im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung aufgefunden wurden. Schließlich veräußerte er an nicht näher festgestellten Tagen im Zeitraum vom 15. September 2017 bis „31. November 2017“ zehnmal Marihuana für 10 Euro und in sechs Fällen Marihuana in Mengen für 20 Euro an einen weiteren Abnehmer.

II.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen selbständiger, real konkurrierender Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen II.1. bis 32. der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil auf der Grundlage der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine abschließende Beurteilung des materiellrechtlichen Konkurrenzverhältnisses nicht möglich ist.

Das Landgericht hat sich mit der Frage, ob das vom Angeklagten in den festgestellten Kleinmengen abgesetzte Marihuana ganz oder teilweise aus einer zuvor zum Zweck der gewinnbringenden Veräußerung bezogenen größeren Lieferung stammte, nicht befasst und insoweit keine Feststellungen getroffen. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, da der Angeklagte nach den Feststellungen zu Tat II.32. der Urteilsgründe am 23. Oktober 2017 mit den sichergestellten 36,09 Gramm Marihuana einen die einzelnen Verkaufsmengen deutlich übersteigenden Verkaufsvorrat aufbewahrte und damit konkrete Anhaltspunkte für einen die abgesetzten Kleinmengen übersteigenden Bezug von Marihuana durch den Angeklagten gegeben sind. Mangels entsprechender, vom Tatrichter zu treffender Feststellungen bleibt es daher offen, ob und in welchem Umfang die einzelnen Absatzgeschäfte materiellrechtlich als Teilakte einer oder mehrerer auf einen einheitlichen Güterumsatz bezogener Bewertungseinheiten (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 593 ff.) anzusehen sind.

Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II.1. bis 32. der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch und der allein auf die Betäubungsmitteldelikte als Anlasstaten gestützten Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB die Grundlage.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter bislang als selbständige Taten abgeurteilte Absatzgeschäfte als Teilakte einer materiellrechtlichen Bewertungseinheit bewerten, steht das sowohl bei den Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafe zu beachtende Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer die betreffenden Einzelstrafen aus dem angefochtenen Urteil übersteigenden Einzelstrafe, welche die Summe der bisherigen Einzelstrafen nicht überschreiten und zu keiner Erhöhung der Gesamtstrafe führen darf, nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 4 StR 288/13, StraFo 2014, 28, 29; vom 19. November 2002 - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12; vgl. Paul in KK-StPO, 8. Aufl., § 331 Rn. 2a mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 981

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner