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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 872

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 369/18, Beschluss v. 12.03.2019, HRRS 2019 Nr. 872


BGH 4 StR 369/18 - Beschluss vom 12. März 2019 (LG Münster)

Gefährliche Körperverletzung (gemeinschaftliche Begehung).

§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bei der Begehung der Körperverletzung zusammenwirken.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 23. April 2018, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum besonders schweren Raub schuldig ist;

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;

c) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass die zu Lasten des Angeklagten getroffene Einziehungsentscheidung entfällt; d) im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass aa) der Angeklagte S. als Gesamtschuldner an den Adhäsionskläger 1.319,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2018 zu zahlen hat; bb) bezüglich dieses Angeklagten der Adhäsionsausspruch zu 2. entfällt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Auf die Revisionen der Angeklagten D. und W. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, a) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass gegen die Angeklagten D. und W. in Höhe von 1.379,99 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner angeordnet wird; b) im Adhäsionsausspruch zu 1. dahin geändert, dass die Angeklagten D. und W. als Gesamtschuldner an den Adhäsionskläger 1.580,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2018 zu zahlen haben.

3. Auf die Revision der Angeklagten B. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft, a) im Ausspruch über die Einziehung dahin geändert, dass die zu Lasten der Angeklagten getroffene Einziehungsentscheidung entfällt; b) im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass die Angeklagte als Gesamtschuldnerin an den Adhäsionskläger 1.319,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2018 zu zahlen hat.

4. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

5. Die Angeklagten D., W. und B. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten W. wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, die Angeklagte B. wegen Beihilfe zum Raub zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und den Angeklagten S. wegen „Beihilfe zum besonders schweren Raub, dieser tateinheitlich begangen mit gefährlicher Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten B. und S. verhängten Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat es gegen alle vier Angeklagten die Einziehung von „Wertersatz“ (richtig: des Wertes von Taterträgen) in Höhe von 1.400 Euro angeordnet und Adhäsionsentscheidungen getroffen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten D., W. und B. mit ihren auf Verfahrensbeanstandungen sowie die Sachrüge gestützten Revisionen und der Angeklagte S. mit seiner allein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrügen sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen jeweils nicht in zulässiger Weise erhoben. Die Revisionen haben jedoch mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Im Hinblick auf die Angeklagten D., W. und B. hat die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung der Schuldsprüche und der Strafaussprüche keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

2. Beim Angeklagten S. hält der Schuldspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung nur insoweit stand, als die Strafkammer ihn wegen Beihilfe zum besonders schweren Raub verurteilt hat. Als rechtsfehlerhaft erweist sich hingegen ihre Annahme, der Angeklagte habe zugleich Beihilfe zu einer von den Angeklagten D. und W. gemeinschaftlich verübten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB geleistet.

a) Eine Beihilfe des Angeklagten S. zu einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB scheidet bereits deshalb aus, weil es an einer entsprechenden teilnahmefähigen Haupttat fehlt. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bei der Begehung der Körperverletzung zusammenwirken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 2016 - 4 StR 550/15, NStZ 2016, 595; vom 17. Juli 2012 - 3 StR 158/12, StraFo 2012, 422; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 224 Rn. 23). Daran fehlt es hier. Denn die einzige von der Strafkammer festgestellte Körperverletzung - zwei Schläge des Angeklagten D. mit einem Schlagstock in das Gesicht des Nebenklägers - erfolgte zu einem Zeitpunkt, als sich der Angeklagte D. allein mit dem Nebenkläger in dessen Wohnung befand, und war bereits beendet, als die Angeklagten W. und S. die Wohnung erreichten und den Nebenkläger dort zusammengesackt und bewusstlos auf dem Flurboden liegend vorfanden (UA S. 10).

b) Die Annahme einer Beihilfe des Angeklagten S. zu einer gefährlichen Körperverletzung erweist sich auch nicht mit Blick auf eine von dem Angeklagten D. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs begangene Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) als zutreffend. Denn das Landgericht hat - anders als bei dem Angeklagten W. - nicht festzustellen vermocht, dass der Angeklagte S. vorab Kenntnis von der geplanten Verwendung des Schlagstocks durch den Angeklagten D. hatte (UA S. 10).

c) Da die Feststellungen hiernach eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen Beihilfe zu einer gefährlichen Körperverletzung nicht tragen, hat der Senat den diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch entsprechend geändert.

3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des den Angeklagten S. betreffenden Strafausspruchs nach sich, weil die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung die vermeintliche Beihilfe des Angeklagten zu der massiven Gewaltanwendung gegen den Nebenkläger strafschärfend berücksichtigt hat. Insoweit bedarf die Sache neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung.

4. Die Einziehungsentscheidung der Strafkammer, die gegen alle vier Angeklagten in Höhe von 1.400 Euro die Einziehung von „Wertersatz“ angeordnet hat, hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

a) Mit Blick auf die Angeklagten D. und W. hat das Landgericht bei der Berechnung des Einziehungsbetrages übersehen, dass das Festnetztelefon des Nebenklägers, das noch am Tatort zerstört wurde, um dem Nebenkläger die Benachrichtigung der Polizei oder eines Krankenwagens zu erschweren, von den Angeklagten nicht im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt wurde. Nach Abzug des Wertes des Festnetztelefons von 20 Euro beläuft sich der Wert der von den Angeklagten D. und W. erlangten Beute - unter Zugrundelegung der im Urteil mitgeteilten Werte der einzelnen Gegenstände (UA S. 11) - noch auf 1.379,99 Euro. In Höhe dieses gemäß § 73c StGB der Einziehung des Wertes von Taterträgen unterliegenden Betrages war zudem die gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten D. und W. anzuordnen, da beide Angeklagte Mitverfügungsgewalt über die entwendeten Gegenstände hatten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 518/18, juris Rn. 4; vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, BGHR StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1).

b) Bei den Angeklagten B. und S. hatte die jeweilige Einziehungsentscheidung vollständig zu entfallen, da diese beiden Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts aus der Tatbeute nichts erlangten (UA S. 12).

5. Auch die Adhäsionsentscheidungen des Landgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.

a) Bei den Angeklagten D. und W. war der Adhäsionsausspruch des angefochtenen Urteils zu 1. hinsichtlich der Höhe des geschuldeten Schadensersatzes zu ändern. Die Strafkammer hat einen materiellen Schaden des Adhäsionsklägers von 1.660,71 Euro angenommen, den sie aus dem Wert der ihm entwendeten Gegenstände - unter anderem zwei Mobiltelefone der Marken LG und Huawei im Wert von jeweils 80 Euro -, dem Wert des am Tatort zerstörten Festnetztelefons und den bisherigen Kosten seiner Zahnbehandlung errechnet hat. Dabei hat sie jedoch übersehen, dass der Adhäsionskläger in seinem Adhäsionsantrag lediglich wegen der Entwendung eines Mobiltelefons der Marke LG, nicht aber im Hinblick auf die Entwendung eines weiteren Mobiltelefons Schadensersatz begehrte; über diesen Antrag durfte die Strafkammer nicht hinausgehen (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat hat daher bei den Angeklagten D. und W. - unter Zugrundelegung der im Urteil mitgeteilten Werte der einzelnen Gegenstände (1.319,99 Euro) sowie der Kosten der Zahnbehandlung (260,71 Euro) - den Adhäsionsausspruch zu 1. auf einen Betrag von 1.580,70 Euro geändert.

b) Mit Blick auf den Angeklagten S. bedurfte zunächst ebenfalls der Adhäsionsausspruch zu 1. des Landgerichts, das auch bei diesem Angeklagten einen zu ersetzenden materiellen Schaden von 1.660,71 Euro angenommen hat, der Änderung. Denn zum einen fallen dem Angeklagten S. die Kosten der Zahnbehandlung nicht zur Last, weil er an der hierfür ursächlichen Körperverletzung nicht beteiligt war. Zum anderen war auch bei ihm - ebenso wie bei den Angeklagten D. und W. - der Wert des im Adhäsionsantrag nicht enthaltenen weiteren Mobiltelefons in Abzug zu bringen. Der Senat hat daher bezüglich des Angeklagten S. den Adhäsionsausspruch zu 1. auf einen Betrag von 1.319,99 Euro geändert.

Darüber hinaus hatte bei dem Angeklagten S. auch der Adhäsionsausspruch zu 2. (Zahlung von Schmerzensgeld) zu entfallen, da das Landgericht diesen maßgeblich auf die dem Adhäsionskläger zugefügte Körperverletzung gestützt hat, an der dieser Angeklagte nicht beteiligt war.

c) Schließlich war auch im Hinblick auf die Angeklagte B. der Adhäsionsausspruch des angefochtenen Urteils dahin zu ändern, dass der Wert des im Adhäsionsantrag nicht enthaltenen weiteren Mobiltelefons in Abzug zu bringen war. Hiernach errechnet sich auf Grundlage der im Urteil mitgeteilten Werte der zu ersetzenden Gegenstände ein Betrag von 1.319,99 Euro; der Senat hat den die Angeklagte betreffenden Adhäsionsausspruch entsprechend geändert.

6. Der jeweils nur geringfügige Erfolg der Revisionen der Angeklagten D., W. und B. rechtfertigt es nicht, diese Angeklagten von den durch ihre Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 872

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner