HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 294
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 240/18, Beschluss v. 18.12.2018, HRRS 2019 Nr. 294
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 7. Februar 2018 dahin abgeändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen schuldig ist. Die für die Fälle II. 3 und II. 5 verhängten Einzelstrafen entfallen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme von zehn selbstständigen Taten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Vielmehr sind die Fälle II. 2 und II. 3 infolge einer Bewertungseinheit zu einer Tat des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden; Gleiches gilt im Verhältnis der Fälle II. 4 und II. 5 zueinander.
Nach den Grundsätzen der Bewertungeinheit sind sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits ihr Erwerb und Besitz zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen; die späteren, diese Betäubungsmittel betreffenden Veräußerungsgeschäfte gehören als unselbstständige Teilakte zu dieser Tat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. August 2013 - 5 StR 255/13, NStZ-RR 2013, 347, 348; vom 9. Mai 2012 - 4 StR 67/12, NStZ-RR 2012, 279; vom 11. Januar 2012 - 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121).
Zwar ist eine solche Bewertungseinheit nur dann in Betracht zu ziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dies nahelegen (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 1999 - 3 StR 636/98, NStZ-RR 1999, 218, 219; vom 10. Juni 1997 - 1 StR 146/97, NStZ-RR 1997, 344; Beschluss vom 28. April 2015 - 3 StR 61/15, NStZ-RR 2015, 313); auch der Zweifelsgrundsatz gebietet die Annahme einer Bewertungseinheit nicht (vgl. BGH, Urteile vom 16. November 2005 - 2 StR 296/05, NStZ-RR 2006, 55; vom 26. Februar 1997 - 3 StR 586/96, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 12; vom 23. März 1995 - 4 StR 746/94, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4; Beschluss vom 6. Oktober 1995 - 3 StR 346/95, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 6). Hier liegen aber solche hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte sowohl im Hinblick auf die Fälle II. 2 und II. 3 als auch bezüglich der Fälle II. 4 und II. 5 vor.
a) Mit Blick auf die Fälle II. 2 (Transport von mindestens 950 Gramm Marihuana von einer Bunkerwohnung zu einer zum Vertrieb der Betäubungsmittel genutzten Gaststätte durch den Angeklagten am 20. Juni 2017) und II. 3 (erneuter Transport von mindestens 950 Gramm Marihuana von der Wohnung zur Gaststätte durch den Angeklagten am 21. Juni 2017) spricht bereits der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den festgestellten Handlungen dafür, dass die beiden Marihuanamengen von jeweils mindestens 950 Gramm aus einem einheitlichen Vorrat stammten. Hierfür spricht zudem der Umstand, dass dem Angeklagten in sämtlichen Fällen, in denen das Landgericht Feststellungen zu seiner Belieferung mit Marihuana treffen konnte, größere Mengen dieses Betäubungsmittels - nämlich jeweils mindestens 1,9 Kilogramm - geliefert wurden.
b) Auch im Hinblick auf die Fälle II. 4 (Belieferung des Angeklagten mit Marihuana am 22. Juni 2017 und Transport einer Teilmenge hiervon durch ihn zur Gaststätte am 23. Juni 2017) und II. 5 (zwei weitere Marihuanatransporte durch den Angeklagten von der Bunkerwohnung zur Gaststätte am 24. Juni 2017 und 26. Juni 2017) liegen konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer Bewertungseinheit zwischen den diesen Fällen zu Grunde liegenden Handlungen vor. Dafür, dass auch die am 24. Juni 2017 und 26. Juni 2017 transportierten Marihuanamengen aus der Lieferung vom 22. Juni 2017 oder einer zum Verkauf vorrätig gehaltenen Gesamtmenge stammen, spricht - neben dem auch hier gegebenen engen zeitlichen Zusammenhang - maßgeblich, dass das Landgericht keine weitere Belieferung des Angeklagten mit Marihuana in diesem Zeitraum, aus welcher die am 24. Juni 2017 und 26. Juni 2017 transportierten Mengen stammen könnten, festzustellen vermochte.
2. Infolge der Bewertungseinheit zwischen den Fällen II. 2 und II. 3 einerseits und den Fällen II. 4 und II. 5 andererseits entfällt die Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II. 3 und II. 5 der Urteilsgründe. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der für die Fälle II. 3 und II. 5 verhängten Einzelstrafen von fünf Jahren und drei Monaten (Fall II. 3) sowie von fünf Jahren und sechs Monaten (Fall II. 5) nach sich.
3. Auf den Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe hat dies keinen Einfluss. Im Hinblick auf den durch das teilweise Zusammenfassen zu einer Tat unveränderten Unrechtsgehalt sowie die verbleibenden Einzelstrafen (dreimal fünf Jahre und drei Monate sowie fünfmal fünf Jahre und sechs Monate) schließt der Senat aus, dass das Landgericht, hätte es in den Fällen II. 2 und II. 3 einerseits sowie in den Fällen II. 4 und II. 5 andererseits jeweils eine Bewertungseinheit angenommen, eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe als sechs Jahre und neun Monaten verhängt hätte.
4. Der nur geringe Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entlasten (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 294
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 115; StV 2019, 339
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner