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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 573

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 551/17, Beschluss v. 09.05.2018, HRRS 2018 Nr. 573


BGH 4 StR 551/17 - Beschluss vom 9. Mai 2018 (LG Bochum)

Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 349 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 20. Juni 2017 - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen der ausgeurteilten Taten (II. 4

a) und

b) der Urteilsgründe) bleiben jedoch bestehen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Die nicht ausgeführte Verfahrensrüge ist unzulässig, jedoch hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es im Zeitraum zwischen dem 31. Oktober 2007 - dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin - und dem 31. Dezember 2008 zu vier sexuellen Übergriffen auf die Nebenklägerin durch den Angeklagten, bei dem es sich um den Verlobten ihrer Mutter handelte. In zwei dieser Fälle ergriff der Angeklagte während gemeinsamer Autofahrten mit der auf dem Beifahrersitz befindlichen Nebenklägerin deren Hand, legte sie in seinen Schritt und veranlasste die Nebenklägerin, ihn im Genitalbereich zu massieren. In zwei weiteren Fällen, die sich jeweils spätabends in der Küche der von dem Angeklagten, der Nebenklägerin und ihrer Mutter gemeinsam bewohnten Wohnung ereigneten, veranlasste der Angeklagte die Nebenklägerin, sich auf seinen Schoß zu setzen; sodann fasste er sie oberhalb ihrer Nachtkleidung im Brust- und Genitalbereich an und veranlasste sie dazu, oberhalb seiner Hose seinen Penis zu massieren.

2. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Strafkammer hat den Angeklagten in den vier festgestellten Fällen jeweils wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB in der vom 1. April 2004 bis zum 26. Januar 2015 geltenden Fassung verurteilt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen jedoch nicht vor. Denn in ihrer damaligen Fassung setzte sie voraus, dass es sich bei dem Tatopfer um ein noch nicht achtzehn Jahre altes leibliches oder angenommenes Kind des Täters handelt. Dies trifft auf die Nebenklägerin, die weder ein leibliches noch ein angenommenes Kind des Angeklagten ist, nicht zu.

Zwar erfasst § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB in seiner seit dem 27. Januar 2015 geltenden Fassung zusätzlich auch Tatopfer, die - wie dies bei der Nebenklägerin der Fall ist - leibliche oder rechtliche Abkömmlinge des Ehegatten oder Lebenspartners des Täters oder einer Person sind, mit der der Täter in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt. Diese Tatbestandsvariante hat das Landgericht - ersichtlich aufgrund eines Versehens - seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt (UA 43). Im Tatzeitraum galt diese Fassung der Vorschrift jedoch noch nicht; ihrer Anwendung steht das Rückwirkungsverbot des § 1 StGB entgegen.

b) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts tragen die bisher getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in der - vom Landgericht nicht in den Blick genommenen - Tatbestandsvariante des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF nicht. Denn weder ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils in hinreichendem Maße, dass die Nebenklägerin objektiv dem Angeklagten im Sinne dieser Tatbestandsvariante zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut war, noch hat die Strafkammer Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen dieser Tatbestandsvariante bei dem Angeklagten getroffen.

3. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen der vier ausgeurteilten Taten sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 573

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner