HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 892
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 261/17, Beschluss v. 02.08.2017, HRRS 2017 Nr. 892
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 6. Februar 2017 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Herne vom 31. August 2015 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt, von der vier Monate als bereits vollstreckt gelten. Es hat außerdem die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Herne aufrechterhalten. Diese Maßregel wird seit dem 31. Mai 2016 vollstreckt.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass bei dem Angeklagten die Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch vorliegen. Es hat deshalb zutreffend die im Urteil des Amtsgerichts Herne vom 31. August 2015 angeordnete Maßregel nach § 55 Abs. 2 StGB aufrechterhalten, weil die jetzt abgeurteilten Taten vor dieser Verurteilung des Angeklagten begangen wurden (BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - 3 StR 406/10, NStZ-RR 2011, 105 f. mwN).
Auch die Nichtanordnung eines Vorwegvollzugs von Freiheitsstrafe (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB) hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat folgt der vom 3. Strafsenat in seinem vorgenannten Beschluss geäußerten Ansicht, dass in Fällen, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste, darin eine der Konstellationen zu sehen sein kann, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann.
Eine solche Konstellation hat der Tatrichter rechtsfehlerfrei bejaht. Der Angeklagte hat während des Maßregelvollzugs nach drei früheren, jeweils abgebrochenen Therapiemaßnahmen jetzt erstmals eine Therapiebereitschaft entwickelt. Die Herausnahme aus der Maßregel wäre nach der Einschätzung des behandelnden Arztes und des vom Landgericht gehörten Sachverständigen kontraproduktiv. Der Zweck der Maßregel würde mithin durch den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe gefährdet und nicht leichter erreicht, wie es § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB voraussetzt. Die Gefahr, dass der Angeklagte nach erfolgreichem Abschluss der Therapie im Strafvollzug rückfällig werden könnte, hat der Tatrichter erwogen und mit nachvollziehbaren Argumenten verneint. Nach alledem konnte hier auf die Anordnung eines Vorwegvollzugs verzichtet werden.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 892
Externe Fundstellen: StV 2019, 271
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner