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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 811

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 128/17, Beschluss v. 07.06.2017, HRRS 2017 Nr. 811


BGH 4 StR 128/17 - Beschluss vom 7. Juni 2017 (LG Dortmund)

Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (Anwendbarkeit der Grundsätze des allgemeinen Strafrechts: Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme).

§ 29a BtMG; § 25 StGB; § 26 StGB; § 27 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich danach die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.

2. Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, bedarf es für die Annahme von Täterschaft regelmäßig der Feststellung weiterer Umstände, beispielsweise erheblicher, über den reinen Transport hinausgehender Tätigkeiten, unmittelbarer Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts oder eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts.

3. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts kann für die Annahme von Mittäterschaft sprechen, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, des Kaufgeldes oder des Verkaufserlöses beschränkt ist. Entsprechendes gilt für eine anderweitige, über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft.

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 4. November 2016 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte im Fall II. 8 der Urteilsgründe der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis II. 7 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 15. Mai 2017 im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, wird die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe in diesen Fällen als Täter und nicht nur als Gehilfe gehandelt, von den dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.

II.

Indes begegnet die Verurteilung des Angeklagten als Täter des unerlaubten Handeltreibens im Fall II. 8 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. a) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich danach, wie im vorliegenden Fall, die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. August 2012 - 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 mwN). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, bedarf es für die Annahme von Täterschaft regelmäßig der Feststellung weiterer Umstände, beispielsweise erheblicher, über den reinen Transport hinausgehender Tätigkeiten, unmittelbarer Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgifts oder eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts (Senatsbeschluss aaO). Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts kann für die Annahme von Mittäterschaft sprechen, selbst wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, des Kaufgeldes oder des Verkaufserlöses beschränkt ist. Entsprechendes gilt für eine anderweitige, über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223 f.; Senatsbeschluss aaO, jeweils mwN).

b) Gemessen daran ist im Fall II. 8 der Urteilsgründe eine täterschaftliche Begehungsweise des Angeklagten nicht festgestellt. Der Tatbeitrag des Angeklagten beschränkte sich vielmehr darauf, im Auftrag seines Bruders eine von dem gesondert verfolgten E. vorbestellte Menge von 9,807 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 99,4 % gegen Zahlung einer Provision in unbekannt gebliebener Höhe auszuliefern. Der Transport des Rauschgifts erfolgte aus der vom Angeklagten und seinem Bruder genutzten Wohnung in der Innenstadt von D. zu einem vorher vereinbarten Treffpunkt in deren Nähe. Weitere Feststellungen zur Einbindung des Angeklagten in dieses Drogengeschäft und zu ihm möglicherweise verbliebenen Handlungsspielräumen bei dessen Durchführung sind dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen.

2. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Tateinheitlich zur Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat der Angeklagte den Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der umfassend geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.

3. Vor dem Hintergrund der vom Landgericht festgestellten Tatserie und mit Blick auf die im Fall II. 8 der Urteilsgründe verhängte Mindeststrafe von einem Jahr kann der Senat ferner ausschließen, dass der geänderte Schuldspruch eine Auswirkung auf die Bemessung der Rechtsfolgen gehabt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 811

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner