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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 849

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 512/15, Beschluss v. 05.07.2016, HRRS 2016 Nr. 849


BGH 4 StR 512/15 - Beschluss vom 5. Juli 2016 (LG Halle)

Besonders schwere Brandstiftung (einen Menschen in Todesgefahr bringen: erforderlicher Gefährdungsvorsatz; Ermöglichungsabsicht: Versicherungsbetrug, Repräsentantenhaftung).

§ 306b Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 StGB; § 15 StGB; § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter hinsichtlich des Eintritts der Todesgefahr vorsätzlich handelt (vgl. BGHR StGB § 306b Vorsatz 1).

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 2. Juli 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen (besonders) schwerer Brandstiftung und wegen versuchten Betruges zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen kam die Angeklagte, die sich zusammen mit ihren drei ein bis vier Jahre alten, in den Kinderzimmern schlafenden Töchtern in der Wohnung der Familie aufhielt, in den frühen Morgenstunden des 16. August 2014 spontan auf die Idee, in der Wohnung Feuer zu legen, um zumindest den entstehenden Hausratsschaden bei der Hausratsversicherung geltend machen zu können. Sie vergewisserte sich zunächst in den beiden Kinderzimmern, die durch eine Verbindungstür getrennt sind und von denen nur das Zimmer der ältesten Tochter eine Tür zum Flur hat, dass die drei Kinder schliefen, und schloss die Kinderzimmertür zum Wohnungsflur. Anschließend nahm sie in der Wohnung verschiedene Veränderungen vor, um den Aufenthalt unbekannter Personen in der Wohnung und eine Brandlegung durch diese vorzutäuschen. Sodann verteilte die Angeklagte auf der Couch im Wohnzimmer und in dem lediglich 1,24 Meter breiten Flur im Bereich der Küchentür großflächig den zuvor in der Küche vorgefundenen Brandbeschleuniger, zündete die Couch mit einem Feuerzeug an und schloss sich selbst im Schlafzimmer ein, wobei sie den Zimmerschlüssel in die Tasche einer im Kleiderschrank hängenden Jacke steckte.

Während die Angeklagte im Schlafzimmer auf der Bettseite ihres Ehemannes sitzend wartete, entwickelte sich in der gesamten Wohnung eine erhebliche Menge an giftigen Rauchgasen. Aufgrund der hohen Temperaturen von 300 bis 400 Grad Celsius wurden auch die Fensterrahmen des Wohnzimmerfensters durch Brandzehrungen beschädigt. Gleichzeitig zerbrach eine der beiden Sicherheitsglasscheiben im Wohnzimmer mit einem lauten Knall. Durch diesen Knall realisierte die Angeklagte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und rief die Polizei, der gegenüber sie angab, in ihrer Wohnung seien Einbrecher und es rieche verbrannt. Im Anschluss öffnete sie das Fenster im Schlafzimmer und rief laut um Hilfe.

Durch die Hilferufe wurden zwei Nachbarn auf das Geschehen aufmerksam. Einem Helfer gelang es, nach Eintreten der Wohnungseingangstür und einem Sprühstoß mit einem Feuerlöscher die vierjährige Tochter der Angeklagten, die zwischenzeitlich die Kinderzimmertür zum Flur geöffnet hatte und nicht mehr ansprechbar war, aus der Wohnung zu tragen. Währenddessen war die Angeklagte mit Hilfe des anderen Nachbarn aus dem Schlafzimmerfenster geklettert und zur Wohnungstür gelaufen, um die Helfer darauf aufmerksam zu machen, dass sich noch zwei weitere Kinder in der Wohnung befanden. Auch diese konnten durch das Fenster des Kinderzimmers ins Freie gebracht werden. Während die älteste Tochter eine leichte Rauchgasvergiftung erlitt, blieben die beiden anderen Kinder unverletzt. Beim Eintreffen der Feuerwehr wenige Minuten später war der Brand mangels Sauerstoffs bereits vollständig erloschen. Durch den Brand entstand ein Gebäudeschaden von ca. 31.000 € und ein geschätzter Sachschaden an der Wohnungseinrichtung in Höhe von 14.000 €.

Nachdem die Angeklagte bereits zwei Tage zuvor aus dem Brandschaden resultierende Ansprüche auf Versicherungsleistungen telefonisch geltend gemacht hatte, meldete der Ehemann als Versicherungsnehmer den Brandschaden mit Schreiben vom 20. August 2014 bei der Versicherung. Die Angeklagte wollte von der Versicherung eine Gesamtentschädigung für das zerstörte Inventar erhalten.

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil enthält sowohl hinsichtlich der Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB als auch wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges durchgreifende Rechtsfehler.

1. Die Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter hinsichtlich des Eintritts der Todesgefahr vorsätzlich handelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1999 - 4 StR 185/99, BGHR StGB § 306b Vorsatz 1). Die Strafkammer hat einen bedingten Vorsatz der Angeklagten bezüglich der Todesgefahr für ihre drei Kinder bei Tatbegehung bejaht und dies damit begründet, dass sie im Zeitpunkt der Brandlegung erkannt habe, weder die Intensität des Brandes noch dessen Folgen für ihre Kinder beherrschen zu können, und damit die Gefahr, dass ihre Kinder sterben könnten, in Kauf genommen habe. Diese Annahme steht in einem für das Revisionsgericht nicht auflösbaren Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, wonach die Angeklagte erst durch den Knall, der durch das hitzebedingte Zerbersten des Wohnzimmerfensters ausgelöst worden war, realisierte, dass sie die Feuerentwicklung nicht zu beherrschen vermochte, und sich deshalb veranlasst sah, die Polizei zu informieren und um Hilfe zu rufen.

Darüber hinaus erweist sich die den Erwägungen zum Gefährdungsvorsatz zugrunde liegende Beweiswürdigung als lückenhaft, weil sich das Landgericht nicht mit der nach den festgestellten Gesamtumständen jedenfalls nicht fernliegenden Möglichkeit auseinandergesetzt hat, dass die Angeklagte zunächst fälschlicherweise davon ausging, die Auswirkungen des Brandgeschehens beherrschen zu können. Die in der Beweiswürdigung für die Annahme eines bedingten Gefährdungsvorsatzes angeführten Umstände lassen sich sämtlich auch mit dieser möglichen Geschehensvariante in Einklang bringen.

2. Die Feststellungen ergeben ferner nicht, dass die Brandlegung im Sinne des § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Absicht getragen war, betrügerisch unberechtigte Versicherungsleistungen zu erlangen.

Nach den Feststellungen war der Ehemann der Angeklagten, der selbst nicht in das Tatgeschehen involviert war, Versicherungsnehmer der Hausratsversicherung. Da sich aus den Urteilsgründen keine Umstände ergeben, die eine Stellung der Angeklagten als Repräsentantin ihres Ehemannes im versicherungsrechtlichen Sinne belegen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2007 - IV ZR 102/03, BGHZ 171, 304 f.), muss sich der Ehemann die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte nicht nach § 81 Abs. 1 VVG zurechnen lassen. Die bloße Ehegatteneigenschaft reicht ebenso wenig wie die Überlassung der Mitobhut über die gemeinsame Wohnung zur Begründung einer Repräsentantenstellung im versicherungsrechtlichen Sinne aus (vgl. BGH, Beschluss vom 15. März 2007 - 3 StR 454/06, NStZ 2007, 640, 641; Urteile vom 4. Mai 1994 - IV ZR 298/93, NJWRR 1994, 988; vom 8. Februar 1965 - II ZR 171/62, VersR 1965, 425, 429; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 28 Rn. 128 mwN). Soweit die Angeklagte hinsichtlich in ihrem Allein- oder Miteigentum stehender Hausratsgegenstände als Versicherte im Rahmen einer Versicherung für fremde Rechnung anzusehen ist, führt die Vorschrift des § 47 Abs. 1 VVG i.V.m. § 81 Abs. 1 VVG nur insoweit zur Leistungsfreiheit des Versicherers, als das Interesse der Angeklagten betroffen ist. Die Ansprüche des Ehemanns als Versicherungsnehmer aus der Versicherung seines eigenen Interesses bleiben dagegen unberührt (vgl. OLG Hamm, VersR 1994, 1464; OLG Karlsruhe, Recht und Schaden 2013, 121, 122 f.; Muschner in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 47 Rn. 7 ff.; Rixecker in Römer/Langheid/Rixecker, VVG, 4. Aufl., § 47 Rn. 8; Brand in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 47 Rn. 31 f.). Infolge der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Angeklagte sind die Ansprüche aus der Hausratsversicherung somit nur insoweit entfallen, als sie Schäden betreffen, die an Hausratsgegenständen im Allein- oder Miteigentum der Angeklagten entstanden sind. Zu den Einzelheiten der von der Angeklagten geplanten Inanspruchnahme der Hausratsversicherung verhalten sich die Urteilsgründe nicht. So bleibt insbesondere offen, ob die Angeklagte bei der Brandlegung beabsichtigte, über ihren Ehemann gegenüber der Hausratsversicherung zumindest auch tatsächlich nicht bestehende Versicherungsansprüche für Schäden an in ihrem Eigentum stehenden Hausratsgegenständen geltend zu machen. Eine Betrugsabsicht ist daher nicht hinreichend belegt.

3. Aus den gleichen Gründen kann schließlich die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Betruges nicht bestehen bleiben. Denn den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob mit der Schadensmeldung des Ehemannes vom 20. August 2014 Versicherungsleistungen für Schäden an Gegenständen der Angeklagten geltend gemacht wurden.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 849

Externe Fundstellen: NStZ 2017, 290

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede