HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 91
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 423/15, Beschluss v. 02.12.2015, HRRS 2016 Nr. 91
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. Mai 2015 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge und mehrere verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat nur zum Strafausspruch Erfolg.
1. Zwar sind die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer für sich materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Strafausspruch kann aber gleichwohl keinen Bestand haben, weil sich die Urteilsgründe nicht zum Vollstreckungsstand der Urteile des Amtsgerichts Freiburg vom 2. Mai 2014 und vom 3. Juli 2014 verhalten. Da die verfahrensgegenständlichen Taten am 26. Februar 2014 begangen wurden, der Angeklagte am 24. Mai 2014 festgenommen wurde, er sich seit dem 25. Mai 2014 „ununterbrochen“ in Untersuchungshaft befindet (UA S. 6) und er bei nur unregelmäßigem Arbeitseinkommen hoch verschuldet ist (UA S. 4 bis 6), kann der Senat nicht ausschließen, dass die in jenen Urteilen verhängten Geldstrafen im Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils noch nicht erledigt waren. Sollten sie erledigt sein und deshalb eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 StGB ausscheiden, wäre - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 14. September 2015 dargelegt hat - ein Härteausgleich möglich. Im Hinblick hierauf ist allerdings - über den Antrag des Generalbundesanwalts hinaus - nicht nur der Ausspruch über die Gesamtstrafe, sondern der gesamte Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.
2. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Ein solcher liegt im Hinblick auf die Besonderheiten des Falls auch nicht darin, dass das Landgericht bezüglich der zum Nachteil von S. mit einem unbekannten Mittäter begangenen versuchten schweren räuberischen Erpressung den für die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts grundsätzlich erforderlichen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - 3 StR 149/14, NStZ-RR 2015, 8, 9 mwN) „Rücktrittshorizont“ des Angeklagten nicht festgestellt hat. Denn der Senat kann angesichts der zum Abbruch der Tatausführung getroffenen Feststellungen (heftige Gegenwehr des Opfers und „Störung“ durch die Nachbarin) ausschließen, dass der Rücktritt freiwillig im Sinn des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erfolgt ist (vgl. auch UA S. 44 f.).
3. Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts vom 24. September 2015 bemerkt der Senat:
Den Beweisantrag auf Erholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens hat die Strafkammer auch hinsichtlich der am 28. Februar 2014 in der Sparkasse E. gefertigten Lichtbilder rechtsfehlerfrei abgelehnt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 284/11, NStZ 2012, 345 unter anderem zum insofern zulässigen und gebotenen Freibeweis). Hinsichtlich des zur (Nicht-)Existenz der 200.000 € gestellten Beweisantrags (Zeugenvernehmung von Rechtsanwalt D.) fehlt es jedenfalls am Beruhen, da die Strafkammer - rechtsfehlerfrei - offen gelassen hat, ob es diesen Bargeldbetrag jemals gegeben hat (UA S. 12). Die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines „Glaubwürdigkeitsgutachtens“ zu den „Bekundungen von S.“ ist schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil unter anderem der im Beweisantrag in Bezug genommene Bericht der „BG Klinik“ vom 4. März 2014 nicht vollständig mitgeteilt wurde; dies war schon deshalb unerlässlich, weil die Strafkammer festgestellt hat, dass der Zeuge (lediglich) vor 17 Jahren an einer Psychose litt (UA S. 33). Auch die Rüge zum Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens zur Nicht-Benutzung des Pkw Fiat Panda durch den Angeklagten ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), da der dort in Bezug genommene Spurensicherungsbericht nicht vollständig mitgeteilt wurde. Der Rüge der Ablehnung des Aussetzungsantrags (§ 338 Nr. 8 StPO) ist der Erfolg auch deshalb zu versagen, weil es für die Annahme, die Verteidigung sei in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt beschränkt worden, nicht genügt, dass diese Beschränkung nur generell (abstrakt) geeignet ist, die gerichtliche Entscheidung zu beeinflussen. Vielmehr ist § 338 Nr. 8 StPO nur dann gegeben, wenn die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil konkret besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Februar 2010 - 4 StR 599/09, NStZ 2010, 530, 531 mwN). Dies ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal der Verteidiger den Ausführungen in dem Ablehnungsbeschluss, mit dem die späte Verbescheidung der Beweisanträge erläutert wird, nicht entgegengetreten ist und der Senat - auch deshalb - keine Zweifel an der Richtigkeit der dortigen Darlegungen hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 91
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede