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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1184

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 352/15, Beschluss v. 06.10.2015, HRRS 2015 Nr. 1184


BGH 4 StR 352/15 - Beschluss vom 6. Oktober 2015 (LG Aachen)

Rücktritt vom Versuch (Fehlschlag: Rücktrittshorizont des Täters, Unzulänglichkeit bisheriger Drohungen).

§ 22 StGB; § 23 Abs. 1 StGB; § 24 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung.

2. Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen (hier: Unzulänglichkeit bisheriger Drohungen). Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. BGH NJW 2015, 2898, 2899).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. März 2015 wird

a) die Strafverfolgung im Fall II.2 der Urteilsgründe auf den Vorwurf der räuberischen Erpressung beschränkt;

b) das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

aa) im Fall II.2 der Urteilsgründe im Strafausspruch,

bb) soweit der Angeklagte im Fall II.3a) der Urteilsgründe verurteilt ist,

cc) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von sechs Monaten angeordnet. Die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat beschränkt nach § 154a Abs. 2 StPO die Strafverfolgung im Fall II.2 der Urteilsgründe mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der räuberischen Erpressung. Dadurch kommt die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Wegfall. Dies entzieht der für diese Tat verhängten Einzelstrafe die Grundlage.

2. Die Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung im Fall II.3a) der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts gemäß § 24 Abs. 1 StGB mit einer nicht tragfähigen Begründung verneint hat.

a) Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte im Oktober 2013 von dem Zeugen C. regelmäßige Geldzahlungen und erklärte, ihm werde „etwas passieren“, wenn er seiner Forderung nicht nachkomme. Dabei war sich der Angeklagte bewusst, dass seine - dem Zeugen bekannte - Zugehörigkeit zur Rockergruppierung „B.“ und seine kräftige Statur geeignet waren, seiner Drohung entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Der Zeuge erklärte dem Angeklagten jedoch, er könne ihm allenfalls aus Freundschaft eine bestimmte Summe leihen, er werde aber keinesfalls regelmäßige Zahlungen an ihn leisten. Der Angeklagte gab daraufhin sein Vorhaben auf, nachdem er erkannte, dass sich der Zeuge von Bedrohungen der bereits geäußerten Art nicht ausreichend beeindrucken und zu den gewünschten Zahlungen veranlassen ließ.

Das Landgericht hat auf der Grundlage dieser Feststellungen die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts mit der Begründung verneint, es läge ein fehlgeschlagener Versuch vor. Der Angeklagte habe erkannt, dass die von ihm ausgesprochenen Drohungen nicht ausreichten, um den Zeugen zur Übergabe von Bargeld zu veranlassen und sich das von seinem ursprünglichen Tatplan einzig erfasste Nötigungsmittel daher als untauglich erwiesen habe (UA 22).

b) Diese Begründung trägt die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht.

aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt, oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den Erkenntnishorizont des Täters zukommen kann, sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung. Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - 4 StR 92/15, NJW 2015, 2898, 2899; Beschluss vom 15. Januar 2015 - 4 StR 560/14, Rn. 6 zitiert nach juris; Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240; Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91).

bb) Entgegen diesen Vorgaben hat das Landgericht allein in dem Umstand, dass der Angeklagte sein Ziel mit dem in seinem Tatplan vorgesehenen Nötigungsmittel nicht erreichen konnte, einen hinreichenden Grund für die Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs gesehen. Zu den weiteren Vorstellungen des Angeklagten nach dem Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs teilt das Urteil nichts mit. Damit bleibt offen, ob er eine Vollendung der Tat, wenn auch mit anderen Mitteln, im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich hielt, auf ein Weiterhandeln aber freiwillig verzichtete. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

3. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.2 der Urteilsgründe und der Verurteilung im Fall II.3a) der Urteilsgründe ziehen die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB, die sich aus ihr ergebende Einziehung des Führerscheins (§ 69 Abs. 3 Satz 2 StGB) und die Anordnung einer Sperrfrist nach § 69a StGB knüpfen an die rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB) im Fall II.3b) der Urteilsgründe an und können daher bestehen bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1184

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede