HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 81
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 335/15, Beschluss v. 09.09.2015, HRRS 2016 Nr. 81
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 24. Februar 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Einer Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. In den frühen Morgenstunden des 27. April 2013 nahmen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte S. am Bahnhof in P. ein Taxi zur Fahrt nach K. Der Angeklagte lotste den nicht ortskundigen Taxifahrer H., den Nebenkläger, in K. zu einem Platz hinter dem Gebäude einer Bäckerei, wo sie gegen 8.00 Uhr eintrafen. Während der gesondert Verfolgte S. das Taxi sofort kommentarlos verließ, verblieb der Angeklagte, der ebenfalls ausgestiegen war, auf der rechten Seite des Fahrzeugs und gab vor, auf S. zu warten, der an einer nahe gelegenen Sparkasse Geld hole, um die Taxifahrt bezahlen zu können. Der Nebenkläger blieb in der Zwischenzeit in seinem Taxi sitzen und wartete auf die Rückkehr des S. Nach kurzer Zeit ging der Angeklagte zum Geschädigten an die Fahrertür und gab vor, das Taxameter sehen zu wollen. Plötzlich legte er jedoch die Hand auf die Schulter des Nebenklägers, der ein Klickgeräusch hörte und forderte „Money, Cash“. Der Nebenkläger, der damit rechnete, dass der Angeklagte ihm ein Messer entgegen hielt, händigte ihm daraufhin aus Furcht um sein körperliches Wohlbefinden das in seinem Geldbeutel befindliche Bargeld in Höhe von 120 bis 130 € aus. Mit dem Geldbetrag flüchtete der Angeklagte zu Fuß und verwendete das Geld später für sich.
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte sich der räuberischen Erpressung im Sinne der §§ 253, 255, 249 StGB strafbar gemacht habe. Das Klickgeräusch habe beim Nebenkläger die Angst hervorgerufen, der Angeklagte könne ihn mit einem Messer bedrohen, weshalb er ihm die Tageseinnahmen ausgehändigt habe. Dass der Angeklagte tatsächlich ein Messer bei sich geführt habe, habe sich nicht feststellen lassen.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich der räuberischen Erpressung schuldig gemacht, wird von den Feststellungen nicht getragen.
1. Der Tatbestand der Erpressung im Sinne von § 255 StGB verlangt in objektiver Hinsicht eine die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung beeinträchtigende Drohung als Mittel zum Zweck der Zufügung eines Nachteils und der Erlangung der (beabsichtigten) Bereicherung, die dann anzunehmen ist, wenn der Bedrohte die Ausführung der Drohung für möglich hält, dadurch in Furcht versetzt und durch diese Furcht in seinem Entschluss beeinflusst wird. Unerheblich ist, ob der Täter die Ausführung seiner Drohung beabsichtigt und ob sie für ihn überhaupt ausführbar ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 30. Juni 1970 - 1 StR 127/70, BGHSt 23, 294, 295 f.). Dementsprechend ist der subjektive Tatbestand der Vorschrift zwar auch dann erfüllt, wenn der Täter den Bedrohten nicht von der Ernsthaftigkeit der Drohung überzeugen will. In jedem Fall bedarf es dazu jedoch der Feststellung, dass der Täter weiß oder zumindest billigend in Kauf nimmt, die Drohung sei geeignet, bei dem Bedrohten Furcht vor ihrer Verwirklichung hervorzurufen. Dafür kann es ausreichen, wenn das Opfer die Ausführung der Drohung nur für möglich halten soll. Denn schon ein Zweifel, ob der Täter die Drohung wahrmachen werde, kann die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung beeinträchtigen (BGH, Urteile vom 16. März 1976 - 5 StR 72/76, BGHSt 26, 309, 310 f.; vom 30. Juni 1970, aaO; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 253 Rn. 28 mwN).
2. Indem die Strafkammer einseitig auf die Vorstellung des Nebenklägers abgestellt hat, wonach dieser auf Grund des Klickgeräusches damit rechnete, dass der Angeklagte ihm ein Messer entgegenhielt, hat sie sich den Blick dafür verstellt, dass es zum Beleg der subjektiven Tatseite auf die tatsachenfundierte Vorstellung des Täters ankommt, er setze das Nötigungsmittel final zur Erlangung des Vermögensvorteils ein und der Nötigungsadressat werde an die Ernstlichkeit der (gegebenenfalls gar nicht ernst gemeinten Drohung) glauben und ihre Realisierung mindestens für möglich halten. Zur Vorstellung des Angeklagten in dem Zeitpunkt, in dem er dem Nebenkläger die Hand auf die Schulter legte, hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Soweit es im Rahmen der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts ausgeführt hat, der Angeklagte habe mit dem „Klickgeräusch“ beabsichtigt, beim Nebenkläger die Vorstellung zu wecken, ihm werde ein Messer an den Hals gehalten, fehlt es an dem Beleg, dass der Angeklagte dieses Geräusch verursachte. Dies hätte schon deshalb unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Drohung in objektiver und subjektiver Hinsicht der Prüfung bedurft, da die Strafkammer letztlich nicht festgestellt hat, dass der Angeklagte tatsächlich ein Messer oder einen anderen Gegenstand mit sich führte und der Nebenkläger entgegen seiner Aussage im Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung angab, er habe nur auf Grund des klickenden Geräusches auf das Vorhandensein eines Messers zurückgeschlossen.
3. Zur Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bemerkt der Senat:
a) Es kann dahinstehen, ob die Erwägung, die Tat des Angeklagten sei seiner allgemeinen Geldknappheit geschuldet gewesen, nicht aber dem Bestreben, in den Besitz von Geld zur Beschaffung von Drogen und Alkohol zu gelangen, für sich genommen ausreichend tragfähig ist, um einen symptomatischen Zusammenhang zu verneinen. Denn an anderer Stelle geht das Landgericht, im Ansatz zutreffend, davon aus, für die Bejahung dieses Zusammenhangs reiche die Mitursächlichkeit des Hangs zum Rauschmittelkonsum für die Tatbegehung schon aus. Eine solche Mitursächlichkeit bedurfte im vorliegenden Fall jedenfalls weiterer Erörterung, weil sich die Strafkammer zugleich der Einschätzung des medizinischen Sachverständigen angeschlossen hat, der Angeklagte werde weiter ein sozial randständiges Leben führen, Drogen konsumieren und zur Finanzierung dieses Konsums auch wieder straffällig werden.
b) Soweit das Landgericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Begründung der Nichtanordnung der Maßregel heranzieht, weist der Senat darauf hin, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung nach § 64 StGB nur in besonderen Ausnahmefällen von dieser abgesehen werden kann (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 64 Rn. 23 m. Nachw. z. Rspr.).
Die zu neuer Entscheidung berufene Strafkammer wird das Tatgeschehen je nach den sich in der Verhandlung ergebenden Feststellungen auch unter dem Gesichtspunkt eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) zu würdigen haben.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 81
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 45
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede