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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 466

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 577/13, Beschluss v. 26.02.2014, HRRS 2014 Nr. 466


BGH 4 StR 577/13 - Beschluss vom 26. Februar 2014 (LG Essen)

Besonders schwerer Fall des Diebstahls (Subsumtion der Geringwertigkeit; Strafantragserfordernis; Tateinheit und Tatmehrheit mit Brandstiftung); Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Erfolgsaussicht).

§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 StGB; § 248a StGB; § 52 StGB; § 53 StGB; § 306 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 7. Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen II.3 und II.4 der Urteilsgründe wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit Brandstiftung verurteilt wurde; insoweit bleiben jedoch die Feststellungen zum jeweiligen äußeren Tathergang aufrechterhalten,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt.

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit Brandstiftung in den Fällen II.3 und II.4 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) In diesen Fällen brach der Angeklagte, nachdem er seinen Biervorrat aufgebraucht hatte, in eine "Partyscheune" ein, um sich weitere Getränke zu besorgen, und entwendete eine Flasche Sherry "Dry Sack" sowie drei Flaschen Bier (Fall II.3). Als er die Flaschen eingesteckt hatte, kam er auf den Gedanken, die "Partyscheune" abzubrennen, um seine Spuren zu verwischen. Diesen Gedanken setzte er sodann in die Tat um (Fall II.4).

Den Diebstahl hat das Landgericht als besonders schweren Fall - nach der Liste der angewendeten Vorschriften gemäß § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB - gewertet. Eine Subsumtion zu den angewendeten Strafvorschriften enthält das Urteil nicht (vgl. dazu aber BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - 3 StR 473/04, BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafgesetz 1). § 243 Abs. 2 und § 248a StGB sind in der Entscheidung an keiner Stelle erwähnt. Den Wert der vom Angeklagten bei dem Einbruch erwarteten bzw. erhofften Beute und deren tatsächlichen Wert teilt das Urteil ebenfalls nicht mit.

b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

aa) Denn nach § 243 Abs. 2 StGB liegt ein besonders schwerer Fall des Diebstahls nicht vor, wenn die Tat sich auf eine geringwertige Sache bezieht. Dies ist nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen.

Auf dem Rechtsfehler beruht im Fall II.3 der Urteilsgründe schon der Schuldspruch. Hätte sich die Tat nämlich auf eine geringwertige Sache bezogen und hätte der Angeklagte auch tatsächlich eine geringwertige Sache entwendet, so wäre der Diebstahl - jedenfalls sofern auch kein unbenannter besonders schwerer Fall vorliegt - nur unter den Voraussetzungen des § 248a StGB strafbar (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 312/11; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 248a Rn. 2). Soweit ersichtlich wurde in diesem Fall jedoch weder ein Strafantrag wegen Diebstahls gestellt, noch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Strafausspruch auf dem Rechtsfehler beruht, wenn die Strafkammer - wie hier - in der rechtlichen Würdigung zwar einen besonders schweren Fall (ausdrücklich) bejaht, im Rahmen der Strafzumessung aber - wiederum ohne jegliche Begründung - den Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB heranzieht.

bb) Im Hinblick auf die Besonderheiten des Falles hebt der Senat auch den an sich rechtsfehlerfreien Schuldspruch wegen der im Fall II.4 der Urteilsgründe begangenen Brandstiftung auf.

Insofern liegt es nach den bisher getroffenen Feststellungen entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 9. Januar 2014 zwar näher, zwischen dem im Fall II.3 gegebenen - möglicherweise strafbaren - Diebstahl und der Brandstiftung Tatmehrheit anzunehmen, auch wenn die Brandstiftung zwischen Vollendung und Beendigung des Diebstahls begangen wurde. Denn sie diente nicht der Sicherung der Beute oder der Flucht, sondern der Verdeckung der Täterschaft des Angeklagten bzw. der Begehung des Diebstahls (vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Januar 1986 - 2 StR 700/85, NStZ 1986, 314; zum Verdeckungsmord ferner BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 4 StR 124/13 [juris Rn. 8 ff.]). Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, dass die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses durch die - aufgrund obiger Ausführungen zu § 243 Abs. 2 StGB - gebotenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite beeinflusst werden wird. In einem solchen Fall möglicher Tateinheit und - möglichen - Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung lediglich hinsichtlich eines Straftatbestandes ist zwar eine Aufhebung des Schuldspruchs nicht zwingend geboten (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 7a mwN), sie ist hier jedoch auch hinsichtlich der Verurteilung wegen Brandstiftung im Fall II.4 der Urteilsgründe veranlasst, um dem Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen (vgl. Meyer-Goßner aaO Rn. 9 aE).

cc) Eine Aufhebung auch der Feststellungen zum äußeren Tathergang ist dagegen nicht erforderlich, denn sie sind rechtsfehlerfrei getroffen. Ergänzende Feststellungen können und müssen - etwa zum Wert der entwendeten Gegenstände - dagegen getroffen werden.

Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.

2. Keinen Bestand hat ferner die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, da das Landgericht die Erfolgsaussichten dieser Maßregel in rechtsfehlerhafter Weise nur unvollständig geprüft hat.

Die Prognoseentscheidung über den Behandlungserfolg erfordert eine Gesamtwürdigung, die auch die Persönlichkeit des Täters, die Art und das Stadium seiner Sucht sowie bereits eingetretene physische und psychische Veränderungen und Schädigungen in den Blick zu nehmen hat (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - 4 StR 453/12 [juris Rn. 4]). Das Vorhandensein oder Fehlen einer Therapiebereitschaft des Angeklagten ist zwar ein Indiz, dem bei der Prüfung einer hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg eine - gegebenenfalls gewichtige - Bedeutung zukommt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 29. Juni 2010 - 4 StR 241/10, NStZ-RR 2010, 307, und vom 22. September 2010 - 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203). Jedoch können mehrfache erfolglose Therapieversuche darauf hindeuten, dass es an der erforderlichen Erfolgsaussicht der Unterbringung fehlt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 288/09 [juris]).

Auf dieser Grundlage genügt es nicht, dass die Strafkammer die Bejahung der Erfolgsaussichten allein darauf stützt, dass "der Angeklagte ... durchgehend deutlich gemacht [hat], eine Therapie durchführen zu wollen" und "in der Hauptverhandlung den Eindruck gemacht [hat], den ernsthaften Willen gebildet zu haben, sich dauerhaft von Alkohol und Drogen zu lösen" (UA S. 13). Der gebotenen Gesamtwürdigung werden diese Ausführungen nicht gerecht, zumal das Landgericht an anderer Stelle mitteilt, dass der Angeklagte in den Jahren 2005/2006, 2007, 2010 und 2011 jeweils - ersichtlich erfolglos - Therapien absolviert hat (UA S. 3), hinsichtlich derer zudem offenbleibt, ob sie mit oder gegen den Willen des Angeklagten durchgeführt wurden und warum - falls der Angeklagte auch damals zu den Therapien bereit war - nunmehr seiner dahingehenden Erklärung die ihr von der Strafkammer zugemessene Bedeutung zukommen soll.

3. Im Übrigen weist das Urteil aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 9. Januar 2014 dargelegten Gründen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Hinsichtlich des angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers und der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 466

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 141; StV 2014, 482

Bearbeiter: Karsten Gaede