HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 67
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 443/12, Beschluss v. 20.11.2012, HRRS 2013 Nr. 67
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. Mai 2012, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
2. Der Beschluss des Landgerichts Essen vom 9. Juli 2012, mit dem die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 8. Mai 2012 als unzulässig verworfen wurde, wird aufgehoben.
3. Die Revisionen der Angeklagten M., T. und B. gegen das vorbezeichnete Urteil werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten T., M. und B. wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren (T.) bzw. jeweils zwei Jahren und drei Monaten (M., B.) verurteilt. Gegen den Angeklagten S. hat es wegen vorsätzlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Im Hinblick auf die festgestellte erhebliche Alkoholisierung hat die Strafkammer bei keinem der Angeklagten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ausschließen können.
Gegen ihre Verurteilung wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Angeklagten S. und T. beanstanden zudem das Verfahren.
Mit Beschluss vom 9. Juli 2012 hat das Landgericht die Revision des Angeklagten B. als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden sei. Gegen diesen dem Verteidiger am 30. Juli 2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seinem am 3. August 2012 beim Landgericht eingegangenen Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO), der zur Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses führt.
Während die Revisionen der Angeklagten M., T. und B. keinen Erfolg haben, erzielt das Rechtsmittel des Angeklagten S. auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
1. Der Antrag des Angeklagten B. auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist zulässig und hat die Aufhebung des Beschlusses zur Folge, mit dem die Revision als unzulässig verworfen wurde (§ 346 Abs. 2 StPO). Das Landgericht hat übersehen, dass der Angeklagte bereits mit Einlegung der Revision die allgemeine Sachrüge erhoben hat. Damit ist das Rechtsmittel ordnungsgemäß begründet. In der Erhebung der uneingeschränkten allgemeinen Sachrüge ist regelmäßig die Erklärung zu sehen, dass das Urteil insgesamt angefochten wird. Eines besonders hervorgehobenen Revisionsantrags bedarf es dann nicht. Eine Begründung der Sachrüge ist nicht vorgeschrieben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 344 Rn. 3 und 17).
2. Die Revisionen der Angeklagten M., T. und B. sind unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Hingegen führt die Revision des Angeklagten S. zur Aufhebung des Strafausspruchs. Soweit das Rechtsmittel sich gegen den Schuldspruch wendet, ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Tat unter den Voraussetzungen des § 21 StGB begangen hat. Die Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, ob der Tatrichter den Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB aus diesem Grunde gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemildert oder ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. August 1987 - 4 StR 388/87, BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 11, vom 12. Juli 1988 - 4 StR 278/88, BGHR StGB § 49 Abs. 1 Strafrahmenverschiebung 3 vom 24. Februar 1999 - 3 StR 37/99 und 13. Januar 2000 - 4 StR 606/99). Da Gründe, von einer Strafrahmenverschiebung abzusehen, nicht ohne weiteres ersichtlich sind (dazu Fischer, StGB, 59. Aufl., § 21 Rn. 20 ff.) und deshalb nicht ausnahmsweise auf eine ausdrückliche Entscheidung über die fakultative Strafrahmenmilderung verzichtet werden durfte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 1999 - 3 StR 37/99), muss der Strafausspruch aufgehoben werden. Denn der Senat vermag nicht gänzlich auszuschließen, dass sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, wenngleich die verhängte Strafe an sich nicht unangemessen erscheint. Da die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen sind, hat der Senat sie aufrechterhalten. Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 67
Bearbeiter: Karsten Gaede