HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 304
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 258/12, Beschluss v. 15.01.2013, HRRS 2013 Nr. 304
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 8. Februar 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des tateinheitlichen unerlaubten Handeltreibens mit - Schusswaffen in 524 tateinheitlichen Fällen, - Munition in 41 tateinheitlichen Fällen, - Schalldämpfern in elf tateinheitlichen Fällen und - Wechselsystemen in sechs tateinheitlichen Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen in 79 Fällen, mit Schusswaffen und Munition in zehn Fällen, mit Schusswaffen, Munition und Wechselsystemen, mit Schusswaffen und Schalldämpfern in fünf Fällen, mit Munition in sieben Fällen und mit Schalldämpfern in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Annahme 105 selbständiger, real konkurrierender Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen bzw. Munition, Schalldämpfern und Wechselsystemen hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte im Zeitraum zwischen Mai 2007 und dem 19. Oktober 2010 ohne die erforderliche Genehmigung aus seiner Wohnung heraus einen Waffenhandel. Zu diesem Zweck erwarb er über den Tatzeitraum verteilt bei verschiedenen Waffenhandelshäusern insgesamt 524 Schusswaffen sowie bei 41 Gelegenheiten Munition, außerdem elf Schalldämpfer und sechs Wechselsysteme, und verkaufte im Folgenden einen Großteil der Gegenstände an unbekannte Abnehmer weiter. Einige noch nicht veräußerte Waffen, darunter mehrere nach den Urteilsfeststellungen zu Beginn des Tatzeitraums bestellte Pistolen, behielt der Angeklagte zum Zwecke des Verkaufs durchgängig in seinem Besitz, bis sie bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 19. Oktober 2010 sichergestellt wurden.
Bei der Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses hat das Landgericht auf die jeweiligen Bestellvorgänge abgestellt und hinsichtlich mehrerer am selben Tag bestellter Waffen (nebst Munition und Zubehör) eine einheitliche Tat, hinsichtlich an verschiedenen Tagen aufgegebener Bestellungen demgegenüber selbständige, real konkurrierende Taten angenommen.
b) Diese Bewertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbindet das gleichzeitige Ausüben der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen - das vorliegend als Vorrätighalten zum Verkauf bereitgestellter Waffen die Tathandlung des Handeltreibens in Form des Feilhaltens gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 WaffG darstellt (vgl. Pauckstadt-Maihold in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, WaffG § 1 Rn. 32; Steindorf, Waffenrecht, 9. Aufl., WaffG § 1 Rn. 63 mwN) - die verschiedenen waffenrechtlichen Verstöße zur Tateinheit (BGH, Beschluss vom 30. November 2010 - 1 StR 574/10, StraFo 2011, 61; Beschluss vom 28. März 2006 - 4 StR 596/05, BGHR WaffG § 52 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98, StV 1999, 645; Urteil vom 25. August 1986 - 3 StR 183/86, BGHR WaffG § 52a Abs. 1 Konkurrenzen 1). Der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Danach stehen, weil sich der Besitz an allen Schusswaffen sowie an Munition, Schalldämpfern und Wechselsystemen zeitlich jedenfalls mit dem Besitz an denjenigen Schusswaffen überschneidet, die der Angeklagte über den gesamten Tatzeitraum durchgängig zu Verkaufszwecken in seiner Wohnung lagerte, sämtliche Fälle des unerlaubten Handeltreibens im Verhältnis der Tateinheit zueinander.
2. Der Senat kann den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Durch die Änderung des Schuldspruchs ist den Einzelstrafen und der Gesamtstrafe die Grundlage entzogen. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind indes rechtsfehlerfrei und können aufrecht erhalten bleiben; ergänzende Feststellungen, die dazu nicht in Widerspruch stehen, sind möglich.
4. Der Senat weist darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO der Verhängung einer die bisherige Einsatzstrafe übersteigenden Strafe - freilich unter Beachtung des Strafrahmens des § 52 Abs. 1 WaffG - nicht entgegensteht (vgl. KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 358 Rn. 30).
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 304
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2013, 321
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel