HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 723
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 99/11, Beschluss v. 13.04.2011, HRRS 2011 Nr. 723
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 21. Oktober 2010, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen (besonders) schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten und den Angeklagten M. wegen (besonders) schweren Raubes und wegen versuchten Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts.
Die Rechtsmittel sind im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit sie sich jeweils gegen den Schuld- und Strafausspruch richten.
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die Feststellungen zum Drogenkonsum der Angeklagten drängten zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 64 StGB gegeben sind.
Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 25jährige, nicht vorbestrafte Angeklagte S. begann in der ersten Jahreshälfte 2009 mit dem Kokainkonsum. Sein Versuch, mit dem "Missbrauch" (UA 4) aufzuhören, scheiterte. Vor der abgeurteilten Tat nahm er seit vier oder fünf Monaten drei Gramm Kokain und zwei Gramm Cannabis täglich zu sich, gelegentlich rauchte er auch Heroin. Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ebenfalls 25jährige Angeklagte M. begann Mitte des Jahres 2009 mit dem Kokainkonsum. Ab August 2009 nahm er täglich Kokain zu sich; er setzte hierfür sein gesamtes verfügbares Geld ein. Gelegentlich rauchte er auch Cannabis und konsumierte "Pilze".
Die Tat vom 18. März 2010 begingen beide Angeklagte, um sich Geld für weitere Drogen zu beschaffen. Auch die weitere Tat des Angeklagten M. vom 2. März 2010 diente diesem Zweck. All dies legt nahe, dass die abgeurteilten Taten auf einen Hang der Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Umstände, die eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs in Frage stellen würden (§ 64 Satz 2 StGB), ergeben sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht.
Der Teilaufhebung des Urteils steht nicht entgegen, dass § 64 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) von einer Muss- in eine Sollvorschrift umgestaltet worden ist. Dies macht die Prüfung des § 64 StGB durch den Tatrichter nicht entbehrlich. Dieser muss vielmehr das Ermessen tatsächlich ausüben und die Ermessensentscheidung für das Revisionsgericht nachprüfbar machen (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 64 Rn. 7 m.w.N.).
Dass nur die Angeklagten Revision eingelegt haben, hindert die Nachholung von Unterbringungsanordnungen nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Die Beschwerdeführer haben die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht von ihren Rechtsmittelangriffen ausgenommen.
Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung geringere Strafen verhängt hätte.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 723
Bearbeiter: Karsten Gaede