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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 972

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 316/11, Beschluss v. 27.07.2011, HRRS 2011 Nr. 972


BGH 4 StR 316/11 - Beschluss vom 27. Juli 2011 (LG Essen)

Verstoß gegen das Vereidigungsverbot des bestehenden Tatverdachts (Beruhen).

§ 60 Nr. 2 StPO; § 337 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Dem Vereidigungsverbot des § 60 Nr. 2 StPO liegt ein weiter Beteiligungsbegriff zugrunde.

2. Das Beruhen des Schuldspruchs auf der Aussage eines zu Unrecht vereidigten Zeugen kann nicht ausgeschlossen werden, wenn die Strafkammer ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten in allen der Verurteilung zu Grunde liegenden Fällen auch auf die Angaben der Zeugin gestützt und dabei ausdrücklich auf die Vereidigung der Zeugin abgestellt und ihrer Aussage mit Blick auf den geleisteten Eid ein "besonderes Gewicht" beigemessen hat.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. Februar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und den Anrechnungsmaßstab für die Auslieferungshaft in den Niederlanden bestimmt. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensbeanstandung Erfolg.

Die Revision rügt zu Recht, dass die Strafkammer mit der Vereidigung der Zeugin O. gegen das Vereidigungsverbot des § 60 Nr. 2 StPO verstoßen hat. Ausweislich der zu den Taten II. 2 bis 4 der Urteilsgründe getroffenen tatsächlichen Feststellungen transportierte die Zeugin O. jeweils das vom Angeklagten beschaffte Kokain für dessen Abnehmer von der Wohnung des Angeklagten in Amsterdam nach Deutschland. Nach dem für das Vereidigungsverbot des § 60 Nr. 2 StPO maßgeblichen weiten Beteiligungsbegriff (vgl. Senge in KK-StPO, 6. Aufl., § 60 Rn. 13 m.w.N.) war sie als Kurierin an den betreffenden Taten des Angeklagten im Sinne des § 60 Nr. 2 StPO beteiligt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1996 - 3 StR 609/95, NStZ 1996, 609; Beschluss vom 9. Februar 1994 - 2 StR 21/94, StV 1994, 225). Die Zeugin hätte daher nicht vereidigt werden dürfen.

Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der Senat nicht ausschließen, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils auf diesem Verfahrensfehler beruht. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten in allen der Verurteilung zu Grunde liegenden Fällen auch auf die Angaben der Zeugin gestützt. Dabei hat sie ausdrücklich auf die Vereidigung der Zeugin abgestellt und ihrer Aussage mit Blick auf den geleisteten Eid ein "besonderes Gewicht" beigemessen.

Hinsichtlich der Strafzumessungserwägungen der Strafkammer weist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 16. Juni 2011 hin.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 972

Bearbeiter: Karsten Gaede