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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 932

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 135/11, Beschluss v. 09.08.2011, HRRS 2011 Nr. 932


BGH 4 StR 135/11 - Beschluss vom 9. August 2011 (LG Paderborn)

Erforderliche Feststellungen für einen Betrug (Beweiswürdigung); Voraussetzungen des Wertersatzverfalls (ausschließende Ansprüche des Geschädigten; Rückgewinnungshilfe).

§ 263 StGB; § 261 StPO; § 73a StGB; § 73c StGB; § 111i StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten T. und G. gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 18. November 2011 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten im Fall II. 17 der Urteilsgründe wegen gewerbsund bandenmäßigen Betrugs verurteilt worden sind. Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte T. des gewerbsund bandenmäßigen Betrugs in 16 Fällen sowie des Betrugs in zwei Fällen und die Angeklagte G. des gewerbsund bandenmäßigen Betrugs in 16 Fällen sowie des Betrugs schuldig sind,

c) das vorgenannte Urteil, soweit es den Angeklagten T. betrifft, im Ausspruch über den Verfall mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten T., an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

4. Die Angeklagte G. hat die verbleibenden Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Der Senat hat auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren im Fall II. 17 der Urteilsgründe nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts vermögen einen Betrug nicht zu belegen. Dem Urteil ist nicht eindeutig zu entnehmen, welche vertragliche Vereinbarung der Übergabe des Sattelaufliegers nebst Ladung zu Grunde lag. Die allgemeinen Ausführungen unter II. (S. 4 UA), wonach im Tatzeitraum auch der GmbH übergebenes Transportgut mit Wissen und Billigung der Angeklagten unbefugt an Dritte verkauft wurde, legen die Annahme nahe, dass der Überlassung des Sattelaufliegers - anders als in den übrigen Fällen - kein Kaufvertrag, sondern ein Transportauftrag vorausging. Danach käme ein Betrug zum Nachteil der Auftraggeberin nur (noch) dann in Betracht, wenn ihren Verantwortlichen bei Abschluss des Transportvertrages eine Bereitschaft zur Erbringung der vereinbarten Transportleistung lediglich vorgespiegelt wurde, um sie zur Aufgabe des Besitzes an dem Transportgut zu veranlassen. Hierzu hat das Landgericht nichts festgestellt. Eine Zurückverweisung zu weiterer Sachaufklärung ist mit Rücksicht auf die nur geringe Bedeutung dieser Einzeltat nicht veranlasst.

2. Die Schuldspruchberichtigung ergibt sich aus der vorgenommenen Verfahrensbeschränkung.

3. Die gegen den Angeklagten T. ergangene Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 20.000 Euro war mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache insoweit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Eine Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73a StGB kommt nur dann in Betracht, wenn alle Voraussetzungen des Verfalls gemäß § 73 StGB erfüllt sind. Einer Verfallsanordnung kann hier § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen, weil nur ein Teil der betrügerisch erlangten Waren zurückgegeben werden konnte und deshalb Schadensersatzansprüche der geschädigten Lieferanten gegen den Angeklagten gegeben sind. Dies hat das Landgericht nicht geprüft.

Ob und inwieweit die Voraussetzungen nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB wegen (noch) bestehender Ansprüche der Geschädigten vorliegen, kann der Senat allein auf der Grundlage der Gründe des angefochtenen Urteils nicht abschließend beurteilen. Insoweit ist deshalb eine weitere tatrichterliche Aufklärung erforderlich. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer dabei zu dem Ergebnis gelangen, dass eine Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73a StGB aus den Gründen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausscheidet, wird sie die durch § 111i StPO geschaffene Möglichkeit für einen verstärkten Opferschutz durch verbesserte Rückgewinnungshilfe zu beachten haben (vgl. dazu Senat, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093). Soweit es dabei nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73a StGB zu einer Feststellung des Geldbetrages kommt, der dem Wert des Erlangten entspricht, ist die Höhe des Betrages wegen des Verschlechterungsverbotes durch den im angefochtenen Urteil angeordneten Verfall begrenzt (Senat, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09, NStZ 2010, 693, 694).

4. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten sind offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Senat vermag auszuschließen, dass das Landgericht auf geringere Gesamtstrafen erkannt hätte, wenn die durch die Verfahrensbeschränkung in Wegfall geratenen Einzelstrafen bei der Bildung der Gesamtstrafen nicht einzubeziehen gewesen wären.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 932

Bearbeiter: Karsten Gaede