HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 711
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 73/10, Urteil v. 10.06.2010, HRRS 2010 Nr. 711
1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 22. Juni 2009 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung in zwei Fällen sowie wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Hehlerei in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte beanstandet das Verfahren und erhebt die nicht näher ausgeführte Sachrüge. Keines der Rechtsmittel hat Erfolg.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Mittäter des Angeklagten, der gesondert verfolgte F., gelangte im Frühjahr 2005 in den Besitz von etwa 2400 Kontobelegen der Landesbank AG (im Folgenden: L.), die ein inzwischen rechtskräftig verurteilter ehemaliger Mitarbeiter der Bank entwendet hatte. Die Belege betrafen die Anlage von Vermögenswerten nahezu ausschließlich in Deutschland wohnhafter Kunden der L., die die daraus erzielten Einkünfte, im Wesentlichen Zinserträge und Anlagegewinne, nicht ordnungsgemäß in Deutschland versteuerten und dies auch in Zukunft nicht zu tun beabsichtigten. Zur gewinnbringenden Verwertung der Kontobelege fasste F. den Plan, dort aufgeführte Kunden der L. anzusprechen und von diesen zur Vermeidung einer Veröffentlichung der auf den Belegen enthaltenen Informationen und einer damit verbundenen strafrechtlichen Verfolgung Geldbeträge in Höhe von jeweils zehn Prozent der Anlagesumme zu fordern.
Auf Anweisung des F., der im Hintergrund bleiben wollte, nahm der Angeklagte im Mai und im Juni 2005 Kontakt zu vier Kunden der L. auf, um den Plan in die Tat umzusetzen. Dabei erhoffte sich der Angeklagte als Belohnung für seine Mitwirkung an den Taten jeweils zehn Prozent der von den angesprochenen Kunden gezahlten Geldbeträge, wobei er mit einem Betrag in Höhe von 400.000 Euro rechnete. Der Zeuge P. erklärte sich nach mehreren Telefonaten bzw. Treffen mit dem Angeklagten am 7. Juni 2005 dazu bereit, einen Betrag in Höhe von 300.000 Euro zu zahlen. P. hatte jedoch zuvor die L. von der Kontaktaufnahme und der Geldforderung in Kenntnis gesetzt. Eine Geldübergabe fand nicht statt, weil der Angeklagte auf Anweisung des F. die Verbindung mit der Begründung abbrach, der Zeuge arbeite mit der L. zusammen.
Anfang Juni 2005 nahm der Angeklagte Kontakt zu dem Zeugen K. auf, der jedoch (wahrheitswidrig) erklärte, kein Konto bei der L. zu unterhalten. Der Angeklagte und F. gingen daraufhin davon aus, der Zeuge K. sei nicht erpressbar und die weitere Ausführung ihres Vorhabens sei nicht mehr möglich. Ebenfalls im Juni 2005 wurde der Zeuge R. vom Angeklagten aufgefordert, zur Vermeidung der Weitergabe von Kontobelegen an das Finanzamt einen Geldbetrag in Höhe von zehn Prozent der Anlagesumme zu zahlen. Nachdem F. in der Zwischenzeit - ohne dass der Angeklagte davon zunächst etwas erfuhr - aber auch direkt mit der L. in Kontakt getreten war, ihr die Rückgabe der Kontounterlagen gegen Zahlung eines hohen Geldbetrages angeboten und ferner zugesagt hatte, die Kunden der L. nicht weiter zu behelligen, wurde der Angeklagte angewiesen, auch den Kontakt zum Zeugen R. abzubrechen. Noch einige Tage zuvor hatte der Angeklagte den Zeugen D., ebenfalls Kunde der L., angerufen und diesem später in dessen Büro sein Anliegen vorgetragen. Er erzielte jedoch mit seiner Drohung keinen Erfolg; der Zeuge D. kündigte an, die Polizei einzuschalten.
Im Weiteren verhandelte F. ohne Mitwirkung des Angeklagten mit den Entscheidungsträgern der L. Diese waren schließlich bereit, zur Vermeidung der von F. angekündigten Weitergabe der Kontounterlagen an die Finanzbehörden eine Summe von insgesamt 13 Millionen Euro zu zahlen. In der Folgezeit wurden an F. am 31. August 2005 7,5 Millionen Schweizer Franken und am 29. August 2007 weitere vier Millionen Euro, jeweils gegen Rückgabe von Teilen der Kontounterlagen, von der L. übergeben. Die letzte Rate in Höhe von 4 Millionen Euro, die für Ende August 2009 abgesprochen war, zahlte die L. nicht mehr, da F. Ende 2007 festgenommen wurde. F. gab an den Angeklagten aus den von der L. geleisteten Beträgen als Belohnung für seine Mitwirkung im Spätsommer 2005 150.000 Schweizer Franken und Ende August 2007 100.000 Euro weiter.
Zur Revision des Angeklagten:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die auf die Verletzung von § 338 Nr. 4 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet, wie der Generalbundesanwalt in der Begründung seines Terminsantrags vom 1. März 2010 zutreffend ausgeführt hat.
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der nicht näher ausgeführten Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Es begegnet insbesondere keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht bei den beiden versuchten Erpressungstaten den - nach §§ 49 Abs. 1, 23 Abs. 2 StGB gemilderten - Strafrahmen des § 253 Abs. 4 StGB zugrunde gelegt hat. Zwar kann das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes Anlass geben, trotz Vorliegens eines Regelbeispiels einen besonders schweren Fall zu verneinen (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2008 - 4 StR 387/08, NStZ-RR 2009, 9; vgl. auch Fischer, StGB, 57. Aufl., § 46 Rn. 92 m.w.N.). Das Landgericht hat jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen des Regelbeispiels eine Gesamtwürdigung auch unter dem Gesichtspunkt vorgenommen, ob Strafzumessungsgesichtspunkte gegeben sind, die die Regelwirkung entkräften könnten. Danach schließt der Senat aus, dass die Strafkammer hierbei aus dem Blick verloren haben könnte, dass es in den Fällen zum Nachteil der Zeugen K. und D. beim Versuch geblieben war.
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision bestehen entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist weder rechtsmissbräuchlich erhoben noch verstößt dessen Einlegung unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gegen das Gebot eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die Befugnis der Verfahrensbeteiligten, nach einer vorausgegangenen Verständigung das Rechtsmittel der Revision einzulegen, keinen Einschränkungen (BGH, Urteil vom 28. August 1997 - 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195; BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04, BGHSt 50, 40). Dies gilt nicht nur für die Rechtsmittelbefugnis des Angeklagten, sondern uneingeschränkt auch für diejenige anderer Verfahrensbeteiligter (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., Vor § 213 Rn. 23). Das nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2353) hat an dieser Rechtslage nichts geändert.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Der Freispruch des Angeklagten in den Fällen II. 1 und 3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die diesbezüglich von der Beschwerdeführerin erhobenen Bedenken gegen die Annahme eines jeweils freiwilligen Rücktritts vom Versuch der Erpressung greifen im Ergebnis nicht durch.
Insoweit nimmt der Senat zur Begründung auf die Ausführungen in seinem am heutigen Tage ergangenen Urteil im Verfahren 4 StR 474/09 gegen den gesondert verfolgten F. u.a. Bezug.
b) Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft auch dagegen, dass das Landgericht, soweit der Angeklagte wegen Geldwäsche in Tateinheit mit Hehlerei in zwei Fällen (II. 5 der Urteilsgründe) verurteilt wurde, die Voraussetzungen der gewerbsmäßigen Begehungsweise nicht erörtert hat. Wie der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, lassen sich den Feststellungen im angefochtenen Urteil keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Handeln des Angeklagten auf die Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle ausgerichtet war.
HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 711
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2010, 383
Bearbeiter: Karsten Gaede