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HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 1103

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 285/10, Urteil v. 28.10.2010, HRRS 2010 Nr. 1103


BGH 4 StR 285/10 - Urteil vom 28. Oktober 2010 (LG Arnsberg)

Beweiswürdigung (Grenzen der Revisibilität; kein Beweis des ersten Anscheins; keine in jeder Hinsicht erschöpfende Beweiswürdigung; Anforderungen an einen Freispruch); Körperverletzung mit Todesfolge.

§ 261 StPO; § 227 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Beweiswürdigung kann ihrer Natur nach nicht in dem Sinne erschöpfend sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 - 2 StR 35/10).

2. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.).

3. Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286).

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Oktober 2009 werden verworfen.

Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revisionen der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel.

Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, seine damalige Lebensgefährtin während einer Auseinandersetzung aus Eifersucht durch Schläge auf den Gesichtsbereich körperlich so schwer misshandelt zu haben, dass diese nach hinten mit dem Kopf auf ein Möbelstück oder auf den Boden fiel und wenige Tage später an den Folgen des dabei erlittenen beidseitigen subduralen Hämatoms verstarb. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Freispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Auch die Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts; sie erheben ferner Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

Nach einem überwiegend gemeinsam mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der später verstorbenen Petra K., verbrachten Wochenende, in dessen Verlauf es auch zur Teilnahme an verschiedenen Feierlichkeiten gekommen war, wurde der inzwischen stark alkoholisierte Zeuge J. in den Abendstunden des 24. Juni 2007 von der Geschädigten mit dem Pkw nach Hause gefahren. Da diese länger als vom Angeklagten erwartet wegblieb, versuchte er, sie beim Zeugen J. telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Zeuge das Gespräch nicht annahm. Nach ihrer verspäteten Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nahm die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, zunächst eine Dusche. Das Landgericht hält es für möglich, dass sie während des Duschens auf dem nassen Untergrund der Duschbadewanne ausrutschte. Jedenfalls hörte der Angeklagte vom Schlafzimmer aus, wie die Geschädigte im Badezimmer "Aua" oder "Scheiße" rief. Nach Verlassen des Badezimmers teilte die Geschädigte dem Angeklagten mit, es sei "etwas passiert", was der Angeklagte, ohne einer weiteren Erklärung zu bedürfen, dahin verstand, die Geschädigte habe ihn während ihres Aufenthaltes in der Wohnung des Zeugen J. mit diesem betrogen. In drei kurz aufeinander folgenden, seitens des Angeklagten äußerst erregt geführten Telefonaten mit dem Zeugen J. räumte dieser den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten letztlich ein. Die Geschädigte ihrerseits suchte nunmehr eine Aussprache mit dem Angeklagten und hielt ihn deshalb auf dem Weg ins Schlafzimmer im Flur fest. Der Angeklagte machte eine abschüttelnde Handbewegung mit dem rechten Arm, da er nicht reden, sondern allein sein wollte. Die Geschädigte erklärte daraufhin, ihr werde schlecht, was der Angeklagte mit der Bemerkung "Mir auch" beantwortete. Daraufhin fiel die Geschädigte rückwärts um und krampfte; sie war nicht ansprechbar und verdrehte die Augen. Der Angeklagte begab sich zu dem mit ihm befreundeten Nachbarn, dem Zeugen P., der den Rettungswagen und den Notarzt alarmierte. Die Geschädigte verstarb am 27. Juni 2007 im Krankenhaus.

2. Den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte die zum Tode führenden Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich bei einem Sturz mit Anprall auf das Hinterhaupt erlitt. Es hat sich jedoch letztlich nicht davon überzeugen können, dass ein Handeln des Angeklagten, etwa ein Faustschlag auf die Kopfregion der Geschädigten, zu diesem Sturz führte. Trotz starker Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte die Verletzungen während ihres Aufenthaltes bei dem Zeugen J., später auf dem Heimweg oder nach Rückkehr in die Wohnung bei einem Sturz im Badezimmer während des Duschens ohne Fremdeinwirkung zugezogen habe. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten nach deren Rückkehr vom Zeugen J. habe nicht stattgefunden. Soweit am Körper der Geschädigten weitere, nur durch Fremdeinwirkung erklärbare Verletzungen im Gesichtsbereich festgestellt worden seien (Bluterguss an der rechten Wange, Hautrötung am Mundboden), sei eine zeitliche Verknüpfung mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel-Hirnbereich nicht möglich. Die anderen festgestellten Verletzungen könnten auch durch einen Sturz und außerdem zeitlich deutlich vor der todesursächlichen Verletzung im Schädel-Hirnbereich entstanden sein.

II.

Die von den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Juli 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

III.

Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.).

Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 - 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).

2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.

a) Vor dem Hintergrund der bestreitenden Angaben des Angeklagten sowie der Aussage des Zeugen J. und mangels unmittelbarer Tatzeugen hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung folgerichtig zunächst die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zu dem für eine Verletzungshandlung in Betracht kommenden Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt. Dass die Strafkammer auf der Grundlage der in den Urteilsgründen eingehend wiedergegebenen Darlegungen dreier erfahrener medizinischer Sachverständiger angenommen hat, das neuropathologische Verletzungsbild lasse den Schluss auf ein Schlag-Sturz-Geschehen bzw. ein Stoß-Sturz-Geschehen unter Fremdeinwirkung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu, stellt eine mögliche und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmende Schlussfolgerung dar. Die Angriffe der Beschwerdeführer dagegen verkennen, dass alle drei Sachverständigen ein Unfallgeschehen für nicht ausschließbar gehalten haben. Das Landgericht hat ferner rechtsfehlerfrei in diese Erwägungen einbezogen, dass die Sachverständigen auf Grund der erhobenen Befunde und nach medizinischer Erfahrung, wenngleich unter Angabe unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsgrade, eine ein- bis zweistündige Handlungsfähigkeit der Geschädigten nach der todesursächlichen Einwirkung auf ihre Schädel-Hirn-Region nicht auszuschließen vermochten. Danach durfte die Strafkammer aus Rechtsgründen begründete Zweifel an einem Tatgeschehen in der Wohnung nach Rückkehr der Geschädigten unter Mitwirkung des Angeklagten haben. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung meint, das in den Urteilsgründen dargelegte Verletzungsbild lege es bei zusammenfassender Würdigung nahe, von einem einheitlichen, durch den Angeklagten verursachten Verletzungsbild auszugehen, ersetzt sie die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Indiztatsachen durch eine eigene. Einen Rechtsfehler vermag sie damit nicht aufzuzeigen; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen "lebensfremd" erscheinen mögen, wie die Beschwerdeführer hier im Einzelnen darlegen. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08).

Auch die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, die sich an die Bewertung der bei der Geschädigten diagnostizierten axonalen Zerreißungen von Nervenfortsätzen im Gehirn für die Frage eines sofortigen Eintritts von Bewusstlosigkeit knüpft, geht fehl. Abgesehen davon, dass der in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. zunächst aufgetretene Widerspruch ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte, hat das Landgericht den Umstand, dass sich allein aus dem Vorhandensein derartiger Zerreißungen keine sicheren Schlüsse auf eine sofortige Bewusstlosigkeit ziehen lassen, rechtsfehlerfrei in die zusammenfassende Bewertung weiterer erheblicher Indiztatsachen einbezogen.

b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat das Landgericht die Bekundungen der Sachverständigen hinsichtlich der nicht todesursächlichen Verletzungen zu den Ausführungen hinsichtlich der tödlichen Schädel-Hirn-Verletzung ausreichend in Beziehung gesetzt und auch insoweit die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht überspannt. Es hat auch die diesbezüglichen Gutachtenergebnisse in den Urteilsgründen ausführlich mitgeteilt und - als Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten - nicht verkannt, dass als Ursache der Verletzungen im Wangen- bzw. Mundbereich schlüssig nur ein Stoß- oder Schlaggeschehen in Frage kam. Andererseits vermochten die Sachverständigen Dr. Pf. und Dr. Z. übereinstimmend eine zeitliche Verknüpfung zwischen der todesverursachenden Verletzung und derjenigen im Wangen- bzw. Mundbodenbereich gerade nicht herzustellen; vielmehr war eine deutliche zeitliche Zäsur nicht auszuschließen.

c) Bei der Würdigung der bestreitenden Angaben des Angeklagten, die in den Urteilsgründen eingehend mitgeteilt werden, hat sich die Strafkammer ersichtlich von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab leiten lassen und diese ihren Feststellungen nicht vorschnell als unwiderlegbar zu Grunde gelegt. Sie hat vielmehr die - im Wesentlichen konstanten - Angaben, die der Angeklagte im Anschluss an den Abtransport der Geschädigten ins Krankenhaus Dritten gegenüber gemacht hat, durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen ermittelt und ebenfalls ausführlich dargelegt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten seien die Erwägungen im Urteil widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft, greift zu kurz. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, es sei nach Rückkehr der Geschädigten zu keinerlei Streit zwischen ihnen gekommen, mangels unmittelbar anwesender Zeugen nicht zu widerlegen vermochte. Soweit es eine mögliche körperliche Auseinandersetzung betrifft, erweist sich diese Erwägung als tragfähig.

Soweit der Zeuge P. bekundet hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, die Geschädigte habe ihn getreten, kommt die Strafkammer zu dem möglichen Schluss, es habe sich um ein Treten im Zusammenhang mit dem Krampfanfall der Geschädigten gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat ferner, dass das Landgericht aus einer auch von ihm als naheliegend in Betracht gezogenen verbalen Auseinandersetzung nach dem Eingeständnis der "Untreue" weiter gehende, für den Angeklagten nachteilige Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund des übrigen Beweisergebnisses nicht ziehen wollte.

Ferner hat die Strafkammer das nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfreie Aussageverhalten des Zeugen J. nachgezeichnet und auch dessen Motivlage vor dem Hintergrund eines nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren beginnenden Liebesverhältnisses zwischen ihm und der Geschädigten erwogen. Dass die Strafkammer den Angaben dieses Zeugen in wesentlichen Teilen nicht gefolgt ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

d) Schließlich fehlt es auch nicht an einer zusammenfassenden Bewertung des Beweisergebnisses und der Indizien unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung. Die dem Landgericht verbliebenen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten sind jedenfalls nachvollziehbar und nicht nur abstrakttheoretisch.

Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer weitere Beweisanzeichen zusätzlich, weiter gehend oder noch detailierter hätte erörtern können. Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht erschöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 - 2 StR 35/10).

3. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 - 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146; Urteil vom 30. November 2005 - 2 StR 402/05, NStZ-RR 2006, 128; vgl. aber BGH, Urteil vom 16. September 2010 - 3 StR 280/10).

HRRS-Nummer: HRRS 2010 Nr. 1103

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2011, 50

Bearbeiter: Karsten Gaede