HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 799
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 209/09, Beschluss v. 02.07.2009, HRRS 2009 Nr. 799
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 2. März 2009 im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der für die Taten II. 1. bis 4. verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, wegen sexueller Nötigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.
1. Die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil hält der rechtlichen Überprüfung stand. Dass das Landgericht trotz der Auffälligkeiten in der Aussageentstehung und der Aussage der Nebenklägerin die Überzeugung von den Taten und der Tatbegehung durch den Angeklagten gewonnen hat, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Ein Rechtsfehler liegt hierin nicht, zumal die Aussage der Nebenklägerin in Teilbereichen durch zwei weitere Zeuginnen, die selbst tatrelevante Äußerungen des Angeklagten wahrgenommen haben, bestätigt wurde.
2. Dagegen hat die Revision des Angeklagten hinsichtlich der wegen der drei Vergewaltigungen und der sexuellen Nötigung verhängten Einzelstrafen Erfolg.
Bezüglich der Vergewaltigungen sah die Strafkammer keinen Anlass, von der Regelwirkung, also vom Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB, abzuweichen, weil "der erzwungene Beischlaf ... nach der gesetzlichen Systematik stets als besonders erniedrigend einzustufen" sei (UA 21). Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer fehlerhaft das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "besonders erniedrigen" in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB als ausreichend erachtet hat, um in dessen Strafrahmen zu verharren. Auch bei einer "klassischen Vergewaltigung" sind jedoch die Entscheidungen über das Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB und die Annahme eines minder schweren Falles auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu treffen, die alle Umstände einzubeziehen hat, die für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam sind, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen; eine Bewertung nur des engeren Tatgeschehens ist mithin 4 nicht ausreichend (vgl. BGH Beschluss vom 10. Oktober 2007 - 5 StR 249/07 und Urteil vom 25. Februar 2009 - 2 StR 554/08).
Eine solche umfassende Würdigung lässt das Urteil vermissen; sie lässt sich diesem auch nicht aufgrund einer Gesamtschau entnehmen. Zwar erwähnt die Strafkammer in der konkreten Strafzumessung - neben dem Fehlen von Vorstrafen wegen Sexualstraftaten - zu Gunsten des Angeklagten, dass er infolge der Verurteilung seinen Beamtenstatus verlieren werde. Nicht berücksichtigt sind dagegen das geringe Maß der angewendeten Gewalt und die Tatvorgeschichte, nämlich dass die Eheschließung der Nebenklägerin mit dem Angeklagten für sie "keine reine Liebesheirat" war, sie vielmehr sich und ihre drei Kinder versorgt wissen wollte, dies beim Angeklagten - einem Beamten mit gesichertem Einkommen - als gewährleistet ansah und sie "in der Anfangszeit [den Geschlechtsverkehr] über sich ergehen" ließ, ab einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zu "einvernehmlichem Geschlechtsverkehr" - zumindest weitgehend - aber nicht mehr bereit war.
Aus diesem Grund hält auch die Ablehnung minder schwerer Fälle der Vergewaltigungen und der sexuellen Nötigung der Überprüfung nicht stand. Soweit die Strafkammer hierbei zusätzlich darauf abstellt, dass die Nebenklägerin ihrem Ehemann jeweils hinreichend verdeutlicht habe, dass sie sexuelle Kontakte ablehne, lastet sie ihm zudem die Begehung einer strafbaren sexuellen Nötigung bzw. der Vergewaltigungen an, da das Einvernehmen mit den sexuellen Handlungen oder ein Irrtum des Täters hierüber diese Strafbarkeit ausschließen würde.
3. Die Aufhebung der wegen der Vergewaltigungen und der sexuellen Nötigung verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Die wegen der vorsätzlichen Körperverletzung verhängte Geldstrafe wird von den Rechtsfehlern dagegen nicht beeinflusst; sie kann daher bestehen bleiben. Auch bedarf es der Aufhebung der fehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 799
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2009, 308
Bearbeiter: Karsten Gaede