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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 873

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 232/08, Beschluss v. 29.07.2008, HRRS 2008 Nr. 873


BGH 4 StR 232/08 - Beschluss vom 29. Juli 2008 (LG Schwerin)

Beihilfe zur Untreue (mangelnder Beleg der für den Vorsatz erforderlichen Kenntnisse des Gehilfen; bedingter Vorsatz; fortbestehende Vermögensbetreuungspflicht des Notars auch neben einem weiteren Treuhänder; Täterschaft des Notars).

§ 266 StGB; § 27 StGB; § 15 StGB; § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB; § 261 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Ein Notar nimmt im Rahmen seiner Treuhandtätigkeit als objektiver Sachwalter der Beteiligten fremde Vermögensinteressen kraft eigener Rechtsmacht wahr. Daran änderte auch die Einschaltung eines weiteren Treuhänders nichts, nach dessen Weisungen die Auskehrung des Hinterlegungsbetrages erfolgen sollte. Dadurch wurde der Angeklagte von seiner gesetzlichen Verpflichtung und damit von seiner Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB nicht befreit. Ein Notar, der Gelder zur treuhänderischen Verwahrung angenommen hat, muss - trotz des Vorliegens der formalen Voraussetzungen für die Abwicklung des Treuhandverhältnisses - von der Auszahlung absehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er bei Befolgung der unwiderruflichen Weisung an der Erreichung unerlaubter oder unredlicher Zwecke mitwirken würde (§ 54 d Nr. 1 BeurkG).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 6. Dezember 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit er in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Schuldsprüche wegen Beihilfe zur Untreue in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe haben keinen Bestand, da das Landgericht insoweit einen zumindest bedingten Vorsatz des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.

Nach den Feststellungen verwandte der wegen Untreue in 25 Fällen bereits rechtskräftig verurteilte M. in diesen wie auch in den weiteren Fällen als von den Kaufvertragsparteien bestimmter Treuhänder die Verkaufserlöse weitgehend für eigene Zwecke, obwohl er nach der Treuhandabrede verpflichtet war, mit den Geldern die Verbindlichkeiten der Veräußerer zu tilgen. M. wies den Angeklagten, auf dessen Notaranderkonto sich die Gelder befanden, jeweils an, entsprechende Überweisungen zu veranlassen.

Der Angeklagte überwies weisungsgemäß am 21. September 2001 zwei Beträge auf ein Konto des Gerd N. (Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe). Dieser war ein ehemaliger Geschäftspartner des M. und hatte erhebliche Verbindlichkeiten, die auszugleichen er nicht im Stande war. Indes belegen die bisherigen Feststellungen nicht, dass der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt von der Verbindung zwischen M. und N. wusste und damit Kenntnis von der treuwidrigen Verwendung des Geldes hatte.

Entsprechendes gilt für den Fall 3 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte am 14. Dezember 2001 eine Auslandsüberweisung über 100.000 DM an die N. GmbH mit Sitz in L. veranlasste. Zwar diente die Überweisung lediglich persönlichen Zwecken des M. Aus dem Kaufund Abtretungsvertrag über einen Geschäftsanteil des Gerd N. an der L. Firma an M. konnte der Angeklagte einen solchen Schluss jedoch nicht ziehen, da er diesen Vertrag erst am 23. Januar 2002 beurkundet hat. Allein die Kenntnis des Angeklagten von der außergewöhnlichen Ausgestaltung der Kauf- und Treuhandverträge, die M. eine Alleinverfügungsbefugnis über die jeweiligen Verkaufserlöse einräumte, belegt nicht, dass er in den Fällen 1 bis 3 die zweckwidrige Verwendung der Gelder durch M. zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm. Möglicherweise ist ihm insoweit nur fahrlässiges Handeln vorzuwerfen.

Da ergänzende Feststellungen nicht auszuschließen sind, verweist der Senat die Sache an das Landgericht zurück.

2. In den Fällen 4 bis 7 der Urteilsgründe ist ein bedingter Vorsatz des Angeklagten dagegen hinreichend belegt. Das Landgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei dargelegt, weshalb der Angeklagte es in diesen Fällen billigend in Kauf genommen hat, dass die Gelder von M. nicht zur Tilgung von Verbindlichkeiten der Treugeber, bei denen es sich um landwirtschaftliche Betriebe in den neuen Bundesländern handelte, sondern treuwidrig verwendet wurden.

Durch die Auszahlungsanweisungen hat der Angeklagte seine Treuepflicht gegenüber den Vertragsparteien verletzt; denn ein Notar nimmt im Rahmen seiner Treuhandtätigkeit als objektiver Sachwalter der Beteiligten fremde Vermögensinteressen kraft eigener Rechtsmacht wahr (Sandkühler in Arndt/Lerch/ Sandkühler Bundesnotarordnung 5. Aufl. § 23 Rdn. 15). Daran änderte auch die Einschaltung des Treuhänders M. nichts, nach dessen Weisungen die Auskehrung des Hinterlegungsbetrages erfolgen sollte. Dadurch wurde der Angeklagte von seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht befreit. Ein Notar, der Gelder zur treuhänderischen Verwahrung angenommen hat, muss - trotz des Vorliegens der formalen Voraussetzungen für die Abwicklung des Treuhandverhältnisses - von der Auszahlung absehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er bei Befolgung der unwiderruflichen Weisung an der Erreichung unerlaubter oder unredlicher Zwecke mitwirken würde (§ 54 d Nr. 1 BeurkG; vgl. Sandkühler aaO § 23 Rdn. 143 ff.; Renner in Huhn/von Schuckmann Beurkundungsgesetz 4. Aufl. § 54 d Rdn. 2). Dass der Angeklagte auf dieser Grundlage nur wegen Beihilfe zur Untreue des M. verurteilt worden ist, beschwert ihn nicht.

Wegen der Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe konnte auch die erkannte Gesamtstrafe keinen Bestand haben.

3. Im Hinblick auf die im angefochtenen Urteil festgestellte, der Justiz anzulastende Verfahrensverzögerung, die das Landgericht entsprechend der damaligen Rechtslage durch Verhängung niedrigerer Einzelstrafen kompensiert hat, weist der Senat auf die zur Kompensation derartiger Verzögerungen geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hin (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07 = NJW 2008, 860, zum Abdruck in BGHSt bestimmt).

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 873

Bearbeiter: Karsten Gaede