HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 600
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 20/08, Beschluss v. 06.05.2008, HRRS 2008 Nr. 600
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 10. September 2007
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der schweren Brandstiftung in zwei Fällen und der versuchten schweren Brandstiftung in drei Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch in den Fällen II. 1 und 2, im Gesamtstrafenausspruch und im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in vier Fällen und versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 7. Februar 2008 unter anderem ausgeführt:
"Die Annahme der Kammer, der Angeklagte habe die Wohnhäuser in den Fällen II. 1, 2 und 4 des Urteils teilweise zerstört, begegnet ... durchgreifenden Bedenken. 'Teilweises Zerstören' setzt - ausgerichtet am Schutzzweck des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB - bei einer Brandlegung in einem Mehrfamilienhaus voraus, dass (zumindest) ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, d. h. eine zum Wohnen bestimmte, abgeschlossene 'Untereinheit', durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Hierfür genügt es nicht, dass lediglich das Mobiliar zerstört wurde. Erforderlich ist vielmehr, dass für den 'verständigen' Wohnungsinhaber die Wohnung wegen der Brandlegungsfolgen für eine beträchtliche Zeit - und nicht nur für Stunden oder einen Tag - nicht mehr benutzbar ist (Senat, Urt. v. 12.09.2002 - 4 StR 165/02, BGHR StGB § 306 Zerstörung 2; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 306a Rn. 3 sowie § 306 Rn. 16 jeweils m.w.N.), wobei dies auch Folge einer starken Verrußung sein kann (BGH, Beschl. v. 05.12.2001 - 3 StR 422/01 = StV 2002, 145; s.a. Senat, a.a.O., m.w.N.).
Hieran gemessen tragen allein die Feststellungen zu II. 5 des Urteils eine Strafbarkeit gemäß § 306a StGB wegen teilweisen Zerstörens einer als Wohnung dienenden Räumlichkeit. Denn insoweit ist dem Urteil zu entnehmen, dass die oberen Wohnungen in den betroffenen Häusern infolge des starken Rußabklatsches zeitweise unbewohnbar waren (UA S. 23, erster Absatz a.E.).
Bezüglich II. 1 des Urteils dagegen hat die Kammer lediglich festgestellt, dass der Angeklagte einen im Hausflur abgestellten Knautschsessel in Brand setzte, weitere in der Nähe abgestellte Möbelstücke Feuer fingen und starker Rauch u.a. in zwei Wohnungen im vierten Obergeschoss eindrang (UA S. 18, zweiter Absatz). Ob es darin auch zu Verrußungen gekommen ist, teilt das Urteil nicht mit. Die Feststellung, es habe sich an den Wänden im zweiten, dritten und vierten Obergeschoss sowie an der Decke des Treppenhauses deutlicher Rußabklatsch niedergeschlagen (UA S. 18, zweiter Absatz), ist insoweit nicht aussagekräftig, weil sie sich - wie auch die verursachten Ablösungen von Putz und Beschädigungen von Kabelbefestigungen - offensichtlich allein auf den Flur, nicht dagegen auf einen zu Wohnzwecken genutzten Bereich des Hauses bezieht.
Auch die Ausführungen zu Fall II. 2 des Urteils - Beschädigungen der Flurwand in unmittelbarer Nähe des Brandherdes, Verrußung der Flurwand und der Flurdecke, Einrußung eines auf dem Flur abgestellten Schreibtisches sowie mit Löschwasser benetzter Fußboden im gesamten Treppenhaus (UA S. 20, erster Absatz) - belegen nicht die teilweise Zerstörung eines zu Wohnzwecken genutzten Teilbereichs des Mehrfamilienhauses.
Das Gleiche gilt bezüglich II. 4 des Urteils: ausweislich der Feststellungen wurde der Flur- und Treppenhausbereich an Wänden, Decken und Boden des zweiten und dritten Stockwerks sowie im Dachgeschoss stark mit Rußabklatsch belegt (UA S. 21, zweiter Absatz). Dies allein aber lässt - auch unter Berücksichtigung des erheblichen Sachschadens - keinen Rückschluss auf die Beeinträchtigung des Wohnzwecks des Mehrfamilienhauses zu. Jedoch wird der Schuldspruch insoweit noch im Hinblick auf die Tatbestandsalternative des Inbrandsetzens im Sinne von § 306a Absatz 1 StGB getragen. ... Der Schuldspruch ist daher in den Fällen II. 1 und 2 des Urteils dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte lediglich wie im Fall II. 3 wegen versuchter schwerer Brandstiftung schuldig ist. Angesichts der umfassenden Ausführungen der Kammer zu den verursachten Beschädigungen ist es auszuschließen, dass weitergehende Feststellungen zu Brandschäden getroffen werden können, die die Annahme einer vollendeten Tat zu tragen vermögen.
Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II. 1 und 2 des Urteils hat die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafen und der darauf beruhenden Gesamtstrafe zur Folge. Sie lässt jedoch die weiteren Einzelstrafen unberührt.
Soweit die Kammer im Fall II. 4 des Urteils über das Inbrandsetzen hinaus rechtsfehlerhaft auch ein teilweises Zerstören des Wohnobjektes angenommen hat, hat sie dies nicht strafschärfend gewertet. Mit der Erwägung, der Angeklagte habe Schäden verursacht, ´die das für eine teilweise Zerstörung des Brandobjektes erforderliche Maß erheblich übersteigen´ (UA S. 36, dritter Absatz), hat die Kammer offensichtlich den erheblichen Sachschaden - zu Recht - strafschärfend berücksichtigt."
Dem schließt sich der Senat an. Obwohl die Einzelstrafen in den Fällen II. 1 und 2 und die Gesamtstrafe nicht überhöht erscheinen, hebt der Senat die Strafen antragsgemäß auf, weil nicht auszuschließen ist, dass sie bei rechtsfehlerfreier Beurteilung der Schuldsprüche in den Fällen II. 1 und 2 niedriger festgesetzt worden wären.
2. Auch der Maßregelausspruch kann nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Angeklagte den Hang hat, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, die abgeurteilten Taten auf den Hang zurückzuführen sind und die Gefahr besteht, dass der Angeklagte infolge des Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Zur Erfolgsaussicht einer Unterbringung (§ 64 Satz 2 StGB) äußert sich die Strafkammer jedoch nicht. Eine solche versteht sich hier nicht von selbst, weil der Angeklagte wiederholt "vergebliche Entgiftungsversuche" durchgeführt hat (UA 6, 8, 9 f., 11, 12, 38) und er schließlich keinen Arzt mehr fand, der ihn zur "Entgiftung" einweisen wollte (UA 12). In der neuen Hauptverhandlung werden daher durch die - sachverständig beratene - Strafkammer auch Feststellungen zur Frage der hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringungsanordnung zu treffen sein (vgl. hierzu BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7, 8).
HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 600
Externe Fundstellen: NStZ 2008, 519
Bearbeiter: Karsten Gaede